von Ilka Eichner

Das Erleben einer Aufstellung, sei es einer Familienaufstellung oder einer systemischen Aufstellung hat etwas energetisch Kraftvolles. Eine Methode, die wir wählen, wenn Themen sich wiederholen, Hürden oder Blockaden wiederkehrend auftauchen und wir uns hier eine neue Lösung wünschen. Eine Aufstellung in der Natur ist ein Ritual, das uns mit der Essenz unseres Wesens verbindet. Die Natur bietet einen unübersehbaren Spiegel, ihre Antworten kommen direkt, ihr Resonanzfeld berührt unmissverständlich.

„In der Natur erklingt die Musik des Lebens in ungestörter Harmonie. Dein eigener Organismus gerät in Resonanz mit dieser gesunden Grundschwingung. Nirgendwo heilst du schneller als in der Natur.“ Safi Nidlaye

Der Pfad der Held*in

Die Aufstellung als Methode klingt statisch und ist doch so bewegt und bewegend: sie erzählt meist eine alte Geschichte neu. Wir erfahren Perspektiven, bekommen Informationen, die wir vorher nicht wahrnehmen konnten. Es entstehen Möglichkeiten des Handelns auf neuen Ebenen. Erfahrungen werden tatsächlich gemacht. Ich kann die Lösung eines Themas erspüren, damit wird sie real und bekommt eine Wirklichkeit.

In der Natur gehen wir tatsächlich Pfade, durchschreiten Tore und begegnen natürlichen Hürden. Auch die Höhle, die für den Pfad der Held*in eine besondere Bedeutung hat, kann mich in der Natur meinen ureigensten Ängsten entgegen treten lassen, einfach nur, weil sie mir auf meinem Weg begegnet. Die Held*innen Geschichte orientiert an Campbell bietet eine mögliche Grundlage für die Aufstellung in der Natur, sie lässt mir als Begleitende  einen roten Faden, der uns ermöglicht eine Balance, zwischen Schönheit und Energie wie auch  Kraft und Zerstörung der Natur, im Bewusstsein zu integrieren. Trotz dieses roten Fadens ist jede Reise individuell und erzählt eine persönliche Geschichte. Die Aufstellung in der Natur kann sowohl als Einzelarbeit als auch in der Gruppe mit Stellvertreter*innen stattfinden.

Der Zauber liegt in der Begegnung mit den einzelnen Elementen, die die Geschichte einer Reise schreiben.  So ist vielleicht die Entscheidungskraft, die im Symbol der Schwelle oder des Tores verkörpert wird für den Einen eine Wegkreuzung, an der die Entscheidung einer Richtung ansteht, während es für die Nächste ein Bachlauf ist, den es zu überwinden gilt.

Wenn Du jetzt für diesen Moment die Augen schließt oder einen Spaziergang machst mit dem Thema, dass Dich beschäftigt: Wie sieht wohl Deine Schwelle aus, die es zu nehmen gilt, um mit dem Thema einen für Dich wesentlichen Schritt weiter zukommen? Betrachte das sich Zeigende genau und nimm die Signale wahr.  Und wenn Du magst, tue den nächsten Schritt, ganz bewusst und lasse Dir Zeit wahrzunehmen, was passiert.

Die Schritte, die wir in der Natur tun, bereichern uns, sie spiegeln, sie lassen uns unseren Weg gehen und erfahren. Sie verdeutlichen den Aspekt des „hinter sich Lassens“, des Loslassens, des Weitergehens. Wir erfahren, was es heißt, diesen Ort zu verlassen, um einen anderen zu erklimmen. Die Anstrengungen, die Leichtigkeiten, die Hinderungsgründe, all das wird offenbar. Das Opfer, das ich bringe, um den nächsten Schritt in Richtung Ganzheit zu gehen, wird für mich spürbar, mit all seinem JA und NEIN.

Mich trägt die Gewissheit, dass die Natur das JA zu Dir unterstützt und Du wirst den Weg nehmen, der Dich der Ganzheit auf Deine persönliche Weise näherbringt. Indem wir uns auf den Weg machen, in Verbindung mit der Natur, tragen die Elemente das Ihrige dazu bei, dass Dein Weg möglich ist. Egal, ob das ein unerwarteter Sturm an einem einsamen wilden Strand ist, ob  der Teich Deine persönliche Höhle ist oder Du die Kraft in den Wipfeln eines Baumes findest. Die Natur spricht mit Dir, wenn Du bereit bist sie zu hören.

„Dem Wunder leise wie ein Vogel die Hand hinhalten.“ Hilde Domin

Wieso das funktioniert

Der Weg entsteht indem wir ihn gehen. Durch die Präsenz des persönlichen Themas und des Bewusstseins öffnet sich das energetische Feld.  Diese Energie ist wahrnehmbar und wird von Stellvertreter*innen verkörpert, genauso wie unser Blick auf die Verkörperung in der Natur fällt, weil wir in Resonanz treten. Die wissenschaftlichen Begründungen stecken noch in den Kinderschuhen, aber auch die Quantenphysik bietet uns mit den Quantenfeldern eine gute Grundlage, um die auftretenden Wahrnehmungen ernst zu nehmen.

Alle Beziehungen bilden eine Struktur oder ein System, letztlich ein Netz(werk) und somit haben sie eine bewusste und eine geistig-energetische Ebene. Wir können unser eigenes kleines Netzwerk als Teil eines Ganzen verstehen, so wie das Myzel, das wir in Waldböden finden, das ein unfassbares Netz an Verbindungen offenbart. So können wir davon ausgehen, dass es energetische Verbindungen gibt, sobald wir unser Bewusstsein öffnen. Die Aufstellung macht die Verflechtungen sichtbar und zeigt die Zusammenhänge innerhalb unseres Netzes auf.

In der systemischen Therapie wird dies z.T. als repräsentative Wahrnehmung bezeichnet. Peter Schlöter konnte in einer Versuchsreihe entdecken, dass es eine große Übereinstimmung gibt in der Wahrnehmung des Erlebens, abhängig von der Position, aber unabhängig von der Person. Somit ist die »repräsentative Wahrnehmung« nachweisbar.

Der andere unumstößliche Aspekt, dass Aufstellung in der Natur funktioniert, ist die reale Erfahrung und Handlung. Wir machen eine neue spürbare Erfahrung für eine vertraute Situation und beginnen damit, ein altes Muster zu überschreiben. Dies passiert nicht nur auf der kognitiven, sondern auch auf der energetischen und körperlichen Ebene, da eine reale Erfahrung gemacht wird.

Abgesehen von biologisch und wissenschaftlich profunden Wirkungen (Shinrin Yoku, Waldmedizin etc.), passiert meiner Meinung nach noch etwas ganz anderes: Wir verbinden uns mit unserem ursprünglichen Menschsein. Entwicklungsgeschichtlich leben wir erst einen Bruchteil der menschlichen Existenz so weit entfernt von der Natur. Die meiste Zeit hat der Mensch mitten in und von der Natur gelebt. Diese entwicklungs- und genetisch bedingte Verbindung wird durch den Aufenthalt im Naturraum zunehmend aktiviert. Je mehr wir uns im Naturraum aufhalten, umso näher rücken wir einerseits der Verbindung (und damit dem AllEinsein) und andererseits unserem zutiefst menschlichen Wissen über die Natur und ihre Möglichkeiten.

In der Begegnung mit der Natur bin ich auch mit ihren gewaltigen Kräften konfrontiert. Doch genau das ist eine wunderbare Chance für das Begleiten im Naturraum, denn diese beinhaltet all das, was unser alltägliches Leben ausmacht und ich muss nichts anderes tun, als die Begegnungen zu zulassen. Ich muss nichts gestalten oder herbeiholen, alles ist bereits vorhanden. Wir können den persönlichen Mikrokosmos in einen Mikrokosmos-Naturraum oder auch in eine makrokosmische Naturlandschaft holen. Sie bietet uns Konkretes und Abstraktes, ist verbunden mit Vertrautem und Unbekanntem. Hier kann ein Wiedererkennen stattfinden, wenn wir offen dafür sind.

Noch eine weitere wesentliche Qualität findet sich wieder: das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit innerhalb des Naturraums. Dieses Empfinden gelingt einerseits über die individuelle Naturverbindung der Teilnehmerinnen, das heißt über ein entspanntes und achtsames in der Natur Sein, sowie über die Beziehungsebene zur Begleitung.  Rogers und andere Psychotherapeuten beschreiben diese Blase als „Encounter“, ein immaterieller Raum, der vertrauensvoll und sicher ist.

Wenn Natur die Seele (wieder) berührt

Das sind meines Erachtens die Momente, in denen wir in einem Aufstellungsprozess, in einer Achtsamkeitsübung oder in einer prozessorientierten Begleitung sind, und wir ein JA zu diesem Augenblick, zu diesem Erkennen, in den Zellen, im Zentrum unseres Seins, im Herzen, im Gesicht, ja im ganzen Körper spüren.  Für mich ist es meist ein sehr leiser Moment, in dem etwas in mir in die Tiefe sinkt und gleichzeitig mit den Flügeln schlägt. Diese Momente sind nicht immer groß, auch wenn das meine Wortwahl vielleicht vermuten lässt, sie sind deutlich im Empfinden, dass sich gerade im Moment etwas für mich öffnet. Und es ist der Specht, der mir seit langem im Flug begegnet und mir deutlich sagt, es ist Zeit für den nächste Schritt. Dann ist meine Seele von der Natur berührt, mein Ganzes Sein weiß, dass es stimmt.

Diese Begegnungen der Berührung sind so viel leichter, wenn ich mich einmal dem Naturraum geöffnet habe. Ich staune immer wieder, was in diesen Momenten an Erfahrung und Wissen bei mir ankommt.

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Ich begleite Menschen und Projekte zum individuell Wesentlichen.

Dabei sind die Verbindung mit dem Kreativen, mit dem natürlichen Sein, mit der Kraft der Natur und ganzheitlichen Perspektiven ein Anliegen. Mit meinen Methoden möchte ich  Aspekte ins Licht rücken, Raum für (Selbst-) Liebe und für Herzkraft bereiten, Verbindungen schaffen und einer tiefen inneren Wahrheit folgen.

Kunstpädagogin, Archäologin (Vorderas.), Kunsttherapeutin und Supervisorin (BKMT), Tanz- und Körpertherapeutin, prozessorientierte Naturtherapeutin, Lernende der Pflanzenheilkunde, Dozentin, bildende Künstlerin.



2 Responses

  1. Lara Nancy Jahnke
    Wundervolle Held*inreise ! Danke Ilka!

    Liebe Ilka, vielen Dank für Deine wertvolle Arbeit und Dein SEIN! Lara

    Antworten

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