„Was wünschst du dir in der Beziehung mit mir?“ fragte ich den Mann, den ich liebe. „Ich wünsche mir, frei zu sein. Und ich wünsche mir, dass du mich unbedingt liebst und mich sein lassen kannst, wie ich bin. Liebe ohne Bedingungen.“ – „Das gebe ich dir“, habe ich gesagt.

„Liebe zu dritt“ – Mein Mann liebt zwei Frauen

Mein Mann liebt zwei Frauen – mich und die andere. „Liebe zu Dritt“ ist ein Arrangement, das ich eingegangen bin, weil ich einen Mann liebe, der bereits liiert ist. – Und durchaus, „Liebe zu Dritt“ bietet mir einige Vorteile. Ich kann mich ganz und gar nach mir selbst richten. Ich kann essen, wann ich will, Launen haben, wie ich will, meinen Hobbies nachgehen, meine Wohnung putzen oder nicht. Ich bleibe in meinen eigenen vier Wänden, muss kaum etwas aushandeln, ich pflege die Distanz und dosiere die Nähe.

Wünsche an unsere Beziehung

Zugleich habe ich Wünsche an unsere Beziehung und an Dich, meinen Partner. Zusammen mit Dir möchte ich mein Leben gestalten, Dein Leben, unser Leben. Ich möchte spontan übers Wochenende wegfahren, Ferien verplanen, etwas aufbauen. Nicht immer gemeinsam etwas machen, doch mit Dir  zusammen sein. Ich möchte besondere Momente erleben und ganz alltägliche. Ich möchte herausfinden, wie wir unsere Liebe im Alltag leben. Ich möchte erleben, wir wir das Scheinen unserer Liebe erneut entfachen, sollte es der Alltag doch einmal verschluckt haben. Ich möchte  lebendige, fließende Leichtigkeit und Zugewandtheit. Ich möchte zu Dir gehören, ich möchte, dass Du zu mir gehörst. Ich möchte die Frau an Deiner Seite sein und ich möchte, dass Du der Mann an meiner Seite bist. Ist das möglich in der Konstellation „Liebe zu Dritt“?

Freiheit und Verbundenheit

Doch ich habe auch Angst. Sofort sehe ich meine Eltern. Sie lebten nebeneinander, anstatt miteinander, sie waren unverbunden, im Trott, bislang gelangweilt. Wenngleich ich als junger Mensch kaum etwas von Beziehungen verstand, wusste ich doch eines: Eine Beziehung wie die meiner Eltern werde ich nicht führen. Lieber bleibe ich unverbunden und allein.
Unverbunden und allein – so habe ich lange gelebt. Lange genug, um herauszufinden, dass ich mir Nähe wünsche und Verbundenheit, Begegnung und Befruchtung. Zugleich wünsche ich mir die Freiheit, ich selbst zu sein, eigenständig, doch zugleich ein Wir. Eine vertrauensvolle und nahe Beziehung. Wähle ich „Liebe zu Dritt“, weil sie mir dies zu erlauben scheint? Ich fühle mich Dir sehr nahe und verbunden und bin doch frei, mein eigenes Leben zu führen?

Ziehen, zerren, kämpfen

Doch „Liebe zu dritt“ bringt auch eine Saite in mir zum Klingen, die mir gar nicht gefällt. Unsere Dreierkonstellation zeigt mir nahezu endlos Themen, die ich mir eines nach dem anderen anschauen kann. Ist unsere Zweierbeziehung geprägt von Freude und Leichtigkeit, bringt „Liebe zu Dritt“ eine Schwere mit sich, die Schwere von Kampf. Ich kämpfe darum, gesehen zu werden und Zeit mit meinem Partner verbringen zu können. Ich kämpfe gegen mir unangenehme Gefühle wie Eifersucht und Mangeldenken. Ist „Liebe zu dritt“ eine Kampfarena? Oder kämpfe ich schon mein ganzes Leben lang und unsere Dreierkonstellation zeigt mir dieses Muster nun bis zur Erschöpfung? Du und ich, das ist Leichtigkeit, das ist Freude am Sein und an unseren vielen gemeinsamen Interessen.  Ich verlasse die Kampfarena und gebe dem Raum, was mir und uns gut tut.

Die andere Frau und mein Mangel

Die andere Frau präsentiert mir gnadenlos jeden einzelnen meiner Mangelgedanken. Sobald sie mit meinem – also auch ihrem – Partner Zeit verbringt, fühle ich mich im Mangel, denn diese Zeit verbringe dann nicht ich mit meinem, unseren Mann. 
Ein Gedankenexperiment zeigt mir den Haken an dieser Denkweise: Wenn sie, die andere Frau, verantwortlich für meinen Mangel ist, müsste dieser verschwinden, sobald mein Partner bei mir wäre. Doch mit Schrecken stelle ich fest, der Mangel bleibt da. Weder ist die andere Frau die Quelle, noch ist mein Partner das Heilmittel dafür, wenn ich mich an irgendeiner Stelle defizitär fühle.

Der eigentliche Mangel

Der Mangel hat verschiedene Gesichter. Er kommt daher als Traurigkeit, als Wut, als Resignation, als Leere, als Überforderung etc. Der eigentliche Mangel aber ist, dass ich all diese Gefühle und Empfindungen nicht fühlen will. Nicht der fehlende Kontakt zu meinem Partner in den Momenten, in denen er bei seiner anderen Frau ist, fordert mich heraus. Es ist der mangelnde Kontakt zu Gefühlen und Anteilen von mir selbst. Doch eine Verbindung, die ich zu mir selbst nicht habe, kann mir kein Partner ersetzen. Ich aber kann beginnen, all das Unschöne zu fühlen. Was ich nicht mehr verdränge, muss ich nicht mehr kraftvoll von mir fernhalten.
Die andere Frau ist mir Projektionsfläche. Sie zeigt mir meinen nicht gefühlten Schmerz, meine Angst, meinen Hass, meine Verzweiflung, meine Leere. Ich schaue sie an und fühle, was zu fühlen ist. Ich sehe mich selbst in ihr. Ich sehe, was ich bin, wie ich handle, denke, fühle. Andere Frau, dafür danke ich Dir.

Happy End?

Ich habe den Mangel angeschaut, die andere Frau, unsere Freude, unsere gemeinsamen Interessen. Ich habe geübt, völlig im Moment zu leben und mich auf alles Wesentliche zu konzentrieren. Und doch ist da Leid. Bei jedem von uns. Bin ich, sind wir also leidbestimmt? Ist das unser Schicksal? Ergeben wir uns und bleiben Opfer? Ich trete auch an dieser Stelle aus der Opferrolle heraus, bereit, ein eigenständiger, selbstbestimmter Mensch zu sein.

Die andere, ich und Du

Die andere Frau, sie ist stark darin zu sagen, was sie will. Nämlich Dich. Komme, was wolle. Ich wiederum haderte lange mit moralischen Bedenken: Darf ich diese Beziehung überhaupt wollen? Kraftvoll und aufgerichtet vertrete ich nun meinen Wunsch: Ich will eine Partnerschaft mit Dir. Dabei lerne ich in höchstem Maße, mich ernst zu nehmen und mir meinen Raum zuzugestehen. Die andere Frau kann mir dafür Vorbild sein.
Du liebst und willst uns beide. Unsere „Liebe zu dritt“ macht Dich überaus glücklich. Bist Du bereit, diesem Glück ernsthaft Raum zu geben? Bist Du tatsächlich bereit, mich, Deine Liebe zu mir und unsere Beziehung ebenso ernst zu nehmen wie Deine Beziehung zur anderen Frau? Bist Du bereit, nicht nur Eurer, sondern auch unserer Liebe Rechte einzuräumen? 
„Ich wünsche mir, frei zu sein.“, dies war Dein Wunsch an mich. Bist Du bereit, Dir diese Freiheit auch selbst zu geben?

Über den Autor

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Gestalttherapeutin Stärkung von Körperkraft und Lebensfreude Ich führe dich zu deiner Schönheit, deinem Feuer, deiner Lebendigkeit. Ich begleite dich, konfrontiere dich, enttarne sanft, aber bestimmt deine Komfortzonen. Dabei halte ich dich mit allem, was sich zeigen will. Sei mir willkommen!

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3 Responses

  1. Markus Euler
    Was ist freie Liebe?

    Oh ja, da werde wieder alle möglichen Bilder abgerufen, wenn man von diesem Begriff ‚freie Liebe‘ spricht.
    Sowohl Anja als auch Robert haben ja bewusst auf ihn verzichtet.

    Mit ein wenig Schalk im Nacken und vielleicht gar provozierend möchte ich ihn hier wieder einbringen, denn ich denke, das ist das worum es geht.
    Weiter möchte ich die Provokation fassen, in dem ich einen alten Freund zitiere, der mal gesagt hat:
    Wer noch von einer Nummer eins spricht, hat die freie Liebe nicht verstanden.

    Aber was ist freie Liebe eigentlich?
    Ich sage immer für mich ist freie Liebe, dass jede dorthin lieber kann, wo sie hinlieben will und nicht von überkommenen Konzepten daran gehindert wird.

    Viele werden sagen, eigentlich kann Liebe ja immer nur frei sein, wenn sie nicht frei ist, dann ist es doch keine Liebe mehr. Wenn ich meine Partnerin nicht frei lassen kann, dann liebe ich sie nicht wirklich.

    Aber ist das nicht alles ein Ideal und eben nur als solches wahr?

    Ist die Liebe frei und bedingungslos, Beziehung aber bedingt?

    Wahrscheinlich ist es gut, dass man dies nicht theoretisch, sondern nur in der täglichen perönlichen Praxis klären kann. Artikel wie dieser tragen sicher dazu bei, dass Menschen ihre Beziehungspraktik überdenken.
    Das macht ihn wertvoll.

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  2. Robert Heeß
    Ich kenne (noch) keinen Mann, der zwei gleichwertige Lieben leben könnte

    Ja, die klassische, exklusive, monogame Zweierbeziehung steht zur Transformation an. Mit Sicherheit. Jedenfalls in dem Sinne, dass wir nicht mehr nur diese Form von Beziehung als die einzig mögliche und einzig richtige betrachten müssen.

    Es geht uns ja um menschliche Freiheit in Beziehungen, darum, was es heißt, in einer Beziehung authentisch der sein zu können, der man jetzt ist.

    Und wenn wir das ernst meinen mit der Freiheit des Seins in Liebesbeziehungen, dann sind naturgemäß alle Formen von Beziehungen als Ausdrucksmöglichkeit von Liebe eingeschlossen. Wer kann schon wissen, was richtig und was falsch ist in der Liebe – jenseits moralischer Überhöhung oder fundamentalistischem „Ich weiß wie´s geht“? Wer will sich anmaßen, anderen Menschen vorzuschreiben, wie sich ihre Liebe auszudrücken hat?

    UND: Noch kenne ich niemanden, der über einen längeren Zeitraum – sagen wir einige Jahre – zwei gleichwertige Liebesbeziehungen lebt oder gelebt hat. Die Betonung liegt auf „gleichwertig“.

    Mit „gleichwertige Liebesbeziehungen“ meine ich Verbindungen, in denen die erlebte Tiefe und Verbindlichkeit mit mehreren gleich intensiv sind.

    Nach meinen Beobachtungen gibt es im westlichen Kulturkreis auch bei Menschen, die sich gleichzeitig auf mehr als einen Partner einlassen, auf irgendeine Art trotzdem eine „Nummer 1“. Eine Person, auf die man sich letztlich bezieht mit seinen intimsten Fragen, seinem innersten Lebensentwurf.

    Es ist nach meinem Gefühl eher die weibliche Polarität, die in der Lage sein könnte, zwei einigermaßen gleichwertige Liebesbeziehungen zur selben Zeit zu leben.

    Die männliche Polarität ist es eher nicht. Nach meiner Erfahrung sind wir Männer des 21. Jahrhunderts mehrheitlich zunächst mit unserer Herzöffnung beschäftigt, uns unseren Gefühlen zu widmen, und damit Mut aufzubauen, hinaus zu segeln auf dieses weite Meer, das eine liebende Frau PER SE ist.

    Den meisten Männern von heute ist in der Regel zunächst EINE Frau Sehnsucht und Herausforderung genug. Der Wunsch, sexuell nicht nur mit dieser Frau zusammen zu sein, möglicherweise mit mehreren Frauen sexuell befreundet zu sein, bleibt davon allerdings unberührt.

    Sexuelle Freundschaften zu haben, körperliche Lust und sinnliche Freuden mit mehr als dieser einen Person zu erleben, ist etwas anderes als gleichwertige Liebesbeziehungen mit ihnen innewohnenden Visionen und Träumen zu leben.

    Das setzt ein erweitertes Treueverständnis voraus. Es bedeutet beispielsweise, der Verbindung und Partnerschaft treu zu sein, dem Wachstum des anderen treu zu sein. Und Treue nicht mehr nur als Synonym für sexuelle Exklusivität zu verstehen.

    Ich ziehe den Hut vor der Autorin obigen Beitrags °!°

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  3. Nelle
    Augenhöhe

    Ich finde es sehr bemerkenswert wie sie sich öffnen und versuchen die Sicht auf die Dinge ins rechte Licht zu rücken. Die Liebe auf der einen Seite und der Verzicht auf der anderen. Wenn mich eines das Leben gelernt hat dann dies das etwas nur funktioniert wen es gerecht verteilt ist. Jeder die gleichen Bedingungen hat und die selbe Last trägt. In ihrem Fall wäre das der Fall wenn sie einen 2. Partner noch hätten oder? Alles was sie nur halb bekommen weil sie teilen bekommt ihr Partner doppelt. Auch wäre es anders wenn sie zu dritt leben würden, dann hätten alle 3 die selben Bedingungen Tag ein und Tag aus. In der Natur des Menschen liegt das er nicht alleine sein möchte. Er teilt wirklich gerne Freud und Leid. Ich habe viel von all dem gesehen und erlebt in meinem Leben und ich bin dankbar dafür. Aber am dankbarsten bin ich das ich jeden Abend in den Armen meiner Liebe einschlafen darf. Das ist mein größtes Glück!
    Mein Partner hat das selbe gesagt wie ihrer und er ist frei. Frei in seinem Denken , frei in seinem Handeln, frei darin mich zu lieben oder bei mir zu sein. Und doch gehen wir gemeinsam weiter denn er kann nicht ohne mich und ich nicht ohne ihn in Ruhe schlafen. Ich denke das ist das wonach wir streben im Leben, nach einem zu Hause, einem Platz wo wir hingehören, wo wir zurück kommen können. Alles gute für sie

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