von Saskia John

Angst ist eine menschliche Reaktion auf reale Gefahren, die uns auf Bedrohungen aufmerksam macht. Sie befähigt uns, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen und uns in Sicherheit zu bringen, indem sie unseren Körper und Geist mobilisiert. Durch Aktivierung des Flucht- oder Kampfmechanismus steigert Angst unsere Überlebenschancen und erfüllt so eine entscheidende Schutzfunktion im Leben.

Doch oft sind Menschen von Panik überflutet, obwohl im gegenwärtigen Moment keine reale Bedrohung vorhanden ist. Diese Angst entspringt verdrängten Erfahrungen, energiegeladenen Erinnerungen und Glaubenssätzen und wird, wenn sie über verschiedene Auslöser getriggert wird, auf die gegenwärtige Situation und/oder in die Zukunft projiziert.

In Trigger-Momenten kann die Angst wie ein undurchdringliches dunkles Labyrinth erscheinen, das uns gefangen hält.

Haben wir weder Bewältigungs-Tools noch innere Fähigkeiten zur emotionalen Regulation, kann die Angst unsere Lebensqualität so stark beeinträchtigen, dass wir unsere sozialen Beziehungen abbrechen und auch sonst nicht mehr am Leben teilnehmen. Sie kann so mächtig sein, dass sie unser gesamtes Leben in ihren lähmenden Bann zieht.

Daher ist es wichtig, Wege zur Angstbewältigung zu finden und hilfreiche Werkzeuge zur Hand zu haben, um der irrationalen Angst begegnen zu können. In diesem Artikel stelle ich einige Möglichkeiten dazu vor.

Die Natur der Angst

In einer Welt voller unvorhersehbarer Wendungen können verdrängte Ängste – oft aus der frühen Kindheit – schnell getriggert werden. Woran ist diese Angst erkennbar?

Angst ist eine komplexe emotionale Reaktion, die als Knoten im Bauch, Enge im Brustraum, zugeschnürter Hals, tiefe Unruhe (in den Beinen oder Händen) oder Besorgnis erlebt werden kann – oft in Reaktion auf eine unbestimmte oder potenzielle Bedrohung. Sie kann sich auch als Nervosität oder Panik manifestieren.

Panik ist eine intensivere Form der Angst, die von Hilflosigkeit und Überwältigung begleitet wird. Sie kann zu körperlichen Symptomen wie Herzrasen, Zittern, Schweißausbrüchen und Atemnot führen. Panikattacken können episodisch auftreten und sind schwer vorhersehbar.

Das Dunkel des Labyrinths: Die Macht irrationaler Angst

Angst ohne reale Bedrohung für das eigene Leben ist irrational. Um im obigen Bild des undurchdringlichen Labyrinths zu bleiben: Die Dunkelheit symbolisiert die Macht der irrationalen Angst, die so stark sein kann, dass sie uns wie ein Magnet in ihren Bann zieht und nicht mehr loslässt. Irrationale Gedanken prognostizieren Gefahren, wo keine sind. Klare Logik wird in neblige Unlogik verdreht – und dann für bare Münze genommen. Die Angstgedanken verstärken die Angst und diese wiederum bringt weitere neue unlogische Angst-Gedanken-Ketten hervor.

Das Hamsterrad kann sich mit enormer Kraft und Geschwindigkeit drehen und uns in eine immer tiefere Abwärtsspirale ziehen. Alles um uns herum erscheint dann bedrohlich.

Diese Angst ist rein psychischer Natur. Manchmal ist die betroffene Person sich dessen bewusst, manchmal nicht. Und obwohl die Angst aus rationaler Sicht keinen Sinn ergibt, können die Angstszenarien im Kopf oftmals weder verhindert noch anders gedacht werden.

Das Licht am Ende des Tunnels: Hoffnung auf Bewältigung

Doch selbst im dunkelsten Labyrinth gibt es Lichtblicke der Hoffnung. Das Licht am Ende des Tunnels repräsentiert die Möglichkeit der Bewältigung. Es ist das Vertrauen darauf, dass wir als Erwachsene Wege finden können, die Ursachen der Angst zu erkennen, sie zu lösen und so die Angst zu transformieren und zu integrieren. Wer diesen Prozess durchläuft, geht gestärkt daraus hervor.

Werkzeuge und Strategien zur Überwindung

Wenn uns die Angst wie ein Schatten durch das Labyrinth des Lebens begleitet und sie manchmal wie ein bedrohliches Ungeheuer erscheint, können wir lernen, ihr mutig zu begegnen und sie zu überwinden.

Wir können uns wie ein Forscher im Labyrinth bewegen und verschiedene Werkzeuge und Strategien probieren, um unseren Weg zu finden: von bewährten Bewältigungstechniken bis hin zu kreativen Ausdrucksformen wie Kunst oder Musik.

1. Erkennen und akzeptieren
Der erste und wichtigste Schritt zur Bewältigung von Angst ist die Erkenntnis: „Ich habe Angst.“ Mit ihr einher geht die Akzeptanz der Angst. Anstatt gegen sie anzukämpfen und sie verdrängen zu wollen, ist es hilfreich anzuerkennen, dass sie da ist. Das heißt, ich sage vom Herzen aus ja zur Angst. „Ja, ein Teil in mir hat Angst.“ Es reicht nicht aus, den Satz nur im Kopf zu denken, ohne dass das Herz beteiligt ist.

Erlaube der Angst vom Herzen her, da zu sein. Lass dich die Angst fühlen, ohne dich davon überwältigen zu lassen.

2. Verständnis für das Ungeheuer namens Angst
Als Erwachsene können wir uns dem ängstlichen Teil in uns liebevoll (!) zuwenden und z. B. unsere Hand als Halt anbieten. Im Kontakt mit ihr können wir die Natur der Angst fühlend erkunden. Indem wir sie ansprechen und ihr ruhig und warmherzig vermitteln, dass wir sie bemerkt haben, entspannt sich oft der ängstliche Teil in uns, den wir auch als unser Inneres Kind bezeichnen können.

Die Metapher, die Angst als Inneres Kind zu sehen, macht es viel leichter, sich der Angst zuzuwenden – besonders in der Panik!

3. Achtsam und präsent sein im Hier und Jetzt
Wenn du achtsam und präsent im gegenwärtigen Moment verweilst und dich auf deine Sinne konzentrierst, verliert die Angst ihre Macht. Fokussiere auf deine Atmung, atme tief ein und aus. Spüre den Boden unter deinen Füßen (eine Gehmeditation ist sehr unterstützend!) und erkenne die Realität jenseits der Angst. Dies könnte auch als Realitäts-Check bezeichnet werden und ist enorm hilfreich.

4. Verhindere jegliche Erwartungshaltung und Druckausübung
Achte darauf, dass du in der Liebe bleibst, auch wenn die Angst noch einige Stunden, Tage oder auch Monate anhalten sollte. Wenn du dem ängstlichen Teil in dir mit einer Erwartungs- und Forderungshaltung gegenüberstehst, dass doch alles viel schneller „weggehen“ sollte, dann hast du Schritt 1 (Akzeptanz) noch nicht getan und erzeugst zudem Druck – und zwar genau an der Stelle, die ohnehin schon aufgrund der Angst unter Druck steht. Das ergibt schlichtweg keinen Sinn!

Du kannst das selbst in deinem Herzen prüfen: Wie würde es (d)einem Kind gehen, das Angst hat, wenn du es mit deinen Erwartungen unter Druck setzt? Wird die Angst dann kleiner oder größer? Was fühlst du?

Liebe schaut nicht auf die Uhr und erwartet nichts. Liebe IST. Mitgefühl, Güte, Geduld, Verständnis und Empathie sind die Heilungsmittel des Herzens, die das hochgefahrene Nervensystem wieder beruhigen.

5. Hüte die Verbindung zu deinem Inneren Kind
Pflege die Verbindung zu deinem Inneren Angst-Kind. Hüte diese Verbindung wie einen kostbaren Schatz und umgib dich mit liebevoller Unterstützung. Ob durch Meditation, körperliche Bewegung oder den Austausch mit vertrauten Menschen – gönne dir die Fürsorge, die du verdienst.

6. Rückversichernder Dialog mit der Angst (Positive Selbstgespräche)
Unsere Gedanken haben einen starken Einfluss auf unsere Emotionen. Negative Selbstgespräche wie Verurteilung und Bewertung verstärken die Angst. Also halte verurteilenden, runtermachenden, erwartenden, erpressenden oder anderweitig unter Druck setzenden Gedanken ein wirkungsvolles STOPPSCHILD 🫸🏻 entgegen.

Danach wende dich mit positiven Rückversicherungen wieder dem Innere Angst-Kind zu. Du kannst ihm beispielsweise immer wieder ruhig sagen und sie es fühlen lassen: „Ich bin da. Ich sehe dich. Ich verstehe dich.“ Das hat eine stark rückversichernde und beruhigende Wirkung auf den Teil in uns, der Angst hat – und wandelt die Angst mit der Zeit in Sicherheit und Vertrauen.

Je selbstverständlicher du, Erwachsener, diese liebevolle Haltung vermittelst, umso vertrauenswürdiger wirkst du auf die Angst. Je mehr Vertrauen zwischen dir (Erwachsener) und der Angst (Inneres Kind) entsteht, umso mehr fährt die Angst herunter. Das ist ein Parallelprozess: Vertrauen steigt, Angst sinkt.

7. Schrittweise Konfrontation mit der Angst
Die Kontaktaufnahme mit der Angst kann beängstigend sein. Die Angst vor der Angst ist oft stärker als die eigentliche Angst selbst. Und so läuft die Angst vor der Angst immer vor der Angst weg – und hält sie somit aufrecht. Ein Teufelskreislauf, der oft jahrzehntelang gedreht wird und eine Menge deiner Lebensenergie aufbraucht.

Sich der Angst zuzuwenden, statt ihr aus dem Weg zu gehen, ist meiner Erfahrung nach der effektivste Weg, um eine tragende nachhaltige Beziehung zur Angst aufzubauen. Beginne mit kleinen Schritten und setze dich nur sehr langsam größeren Herausforderungen aus. Mit jedem Erfolg wirst du selbstbewusster und die Angst kann dich nicht mehr so in ihren Bann ziehen.

8. Den Ursachen auf den Grund gehen
Oftmals hat Angst konkrete Ursachen, die in vergangenen Erfahrungen oder tief verwurzelten Überzeugungen begründet sind. Indem du dich diesen Ursachen stellst, sie verstehst und transformierst, gehst du einen weiteren Schritt in Richtung Heilung und Integration der Angst.

9. Unterstützung suchen
Zögere keinen Moment, dir professionelle Hilfe zu nehmen, wenn du bemerken solltest, dass deine eigene Kompetenz noch nicht ausreicht, um die Ursachen zu erkennen und den ängstlichen Teil in dir nachbe-eltern zu können.

Es ist völlig okay, Hilfe zu suchen, wenn du dich mit der Angst überfordert fühlst. Du kannst z. B. professionelle Hilfe bei Therapeuten oder Psychologen suchen. Auch der Austausch mit Freunden und der Familie kann eine wichtige Unterstützung dabei sein, die Angst zu relativieren und neue Perspektiven zu gewinnen.

10. Vertraue deiner inneren Kraft
Am Ende des Tunnels wartet das Licht. Gerade in den dunkelsten Stunden, wo die Angst am größten ist, bietet die Anbindung an die Liebe eine sichere Orientierung. Die Liebe gleicht einem Leuchtturm im Nebel. Vertraue dir, dass du die Stärke hast, die Angst zu transformieren. Vertraue deinem Herzen! Das ist ein guter Wegweiser.

Fazit

Irrationale Angst und Panik zu transformieren ist ein Prozess, der Zeit, Geduld und Übung erfordert. Doch bringt uns dieser Prozess uns selbst wieder näher. Mit jedem Schritt, den wir mit Mut, Entschlossenheit, Geduld, Liebe und Achtsamkeit gehen, können wir die Angst transformieren, so dass sie mit der Zeit immer weniger unser Leben beherrscht. Dadurch wird ein erfüllteres und authentischeres Leben möglich.

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