Ein wunderbarer Abend in großartiger Gesellschaft. Das Essen ist hervorragend. Die Bonmots und die klugen Anmerkungen fliegen spritzig über den Tisch, alle fühlen sich wohl und in bester Laune. Nur ich nicht.

Ich antworte, bevor ich heruntergeschluckt habe, werde nicht verstanden, muss mich anstrengen, damit man mich versteht. Ich will unbedingt etwas Spannendes erzählen, aber der gewählte Moment ist denkbar schlecht. Ich setze dreimal an und dann wird genau mein Thema von der hübschen und geistreichen Tischnachbarin eingebracht. Sie trägt ein wahnsinnig vorteilhaftes Kleid, das Grün passt wunderbar zu ihren Augen. Während ich mich die ganze Zeit frage, warum ich ausgerechnet die graue Bluse mit dem ungünstigen Décolleté ausgesucht habe.

Ich fühle mich dumm, unbedeutend und beschissen. Am liebsten würde ich sofort abhauen. Es ist einfach nicht meine Gesellschaft. Ich bin für so etwas nicht gemacht, alleine fühle ich mich wohler. Smalltalk konnte ich noch nie leiden. Außerdem ist das alles nur hohles Getue. Die finden sich toll und das ist alles……. Die guten Antworten für diesen missglückten Abend fallen mir beim Wachliegen in der Nacht ein.

Wenn wir vollkommen im Rhythmus mit uns und unserer Umgebung sind, sprechen Hirnforscher von Ichnähe, Künstler vom Flow: Momente in welchen wir nicht über unsere Wirkung oder unsere Handlung nachdenken müssen, Momente in denen wir uns vollkommen frei fühlen. Dagegen stehen die Situationen in denen wir ganz aus dem Rhythmus sind, uns „schlecht“ fühlen, sperrig, unwohl und fehl am Platze.

Kommunikation ist Rhythmus

Ein anderer Abend, ich bin die Gleiche: die Menschen am Tisch sind bedeutende Persönlichkeiten, das Niveau der Gespräche ist hoch, das Tempo der Unterhaltung ist spritzig.

Ein vergnügtes Anstoßen und ich bin mitten drin: mit einem witzigen Trinkspruch habe ich die Lacher auf meiner Seite. Geistreiche Anmerkungen fliegen mir zu und ich werfe sie im richtigen Moment in der angemessenen Lautstärke in die Runde.

Alle hören und verstehen mich. Ich erfasse die kompliziertesten Zusammenhänge und weiß nicht woher. Man macht mir schöne Komplimente, ich nehme es ganz natürlich zur Kenntnis. Keine Angst, zu hoch bewertet zu werden, was mich normalerweise schnell aus dem Konzept brächte. Ich bin zufrieden, fühle mich wohl, die Leute sind super und der Abend war ein Highlight.

Im Rhythmus, in Harmonie mit mir und meiner Umgebung

Tage, an denen man jeden Bus verpasst, das Essen anbrennt und der Frisör die falsche Farbe aufträgt. Tage, an denen ich meine Entscheidungen anzweifele oder gar bereue. Die sogenannten „bad hair days“.  An diesen Tagen fühle ich mich schlecht, inkompetent, muss mich anstrengen. Ich müsste so vieles ändern, damit es endlich besser wird. Bei größter Anstrengung, es will nicht klappen.

Tage, an denen alles gelingt, egal was ich gerade anpacke. Spontan eine Ansprache halten, weil der Kollege sich verspätet? Na klar! Der Flieger fällt aus? Läuft! Ich nehme eine Zugverbindung. Chaos? Geht nicht? Kein Problem, ich stemme das! Alle Klippen kann ich mühelos umschiffen, es macht Spaß! Ich mache und es geschieht ganz ohne Anstrengung.

Rhythmus ist ist Leben. Leben ist Rhythmus

Ohne Rhythmus würde jegliches Leben im Chaos untergehen. Geistesgegenwart, Präsenz, Intuition oder Resilienz sind Begriffe die einen ausgeglichenen inneren Zustand benennen, ein Zustand nach welchem wir suchen, nach dem wir uns sehnen.

Reisen, Freunde, gutes Kino, Sport, Kunst und Literatur…..Wir haben das Glück, unendlich viele Möglichkeiten zur Auswahl zu haben, die uns diesem Zustand näher bringen können. Wenn nur der Alltag nicht wäre, der uns oft ermüdet, überfordert und an unüberschaubare Grenzen bringt.

Wie kann ich es lernen verschütt gegangene Fähigkeiten zu spüren und zu entdecken, sie zu aktivieren, zu fühlen, was gut ist, was richtig? Wie kann ich Ruhe, Zufriedenheit und Ausgeglichenheit finden? Es gibt Wege und Übungen, die unsere innere Stabilität verbessern. Zu ihnen gehört Taketina.

Taketina

TaKeTiNa ist Rhythmus pur—eine Rhythmusarbeit außerhalb von Musikunterricht oder Therapie, archaisch und modern. Eine Mischung aus Squaredance, Kindergeburtstag und Ritual. Zahlreiche Menschen weltweit nutzen den TaKeTiNa-Prozess zur persönlichen Weiterentwicklung auf musikalischem Weg.

Taketina lehrt uns, uns im Scheitern anzunehmen, es zeigt uns, dass unser Versagen zum Vorankommen gehört wie das Hinfallen zum Laufenlernen. Es hilft uns, Qualitäten und Kompetenzen zu entwickeln, die für das Leben in der heutigen komplexen und chaotischen Welt nötig sind. Psychische, emotionale und körperliche Belastbarkeit zu steigern.

Präsenz und innere Stille zu entwickeln. Auch über lange Zeitspannen hinweg konzentriert zu bleiben. Auf eine kreative und sinnvolle Weise mit Chaos und dem Zustand der Ungewissheit umzugehen. Die Angst vor Fehlern zu reduzieren, was letztendlich auch zu weniger Fehlern führt. Informationen schneller zu verarbeiten. In der Gruppe bei sich bleiben. Im eigenen Zeitmaß lernen und sich von der Energie der Gruppe tragen lassen.

Der Körper als Musikinstrument

Zunächst wirkt es wie ein ritueller Tanz, wenn die Teilnehmer im Kreis um einen Trommelspieler stehen und den Anleitungen folgend Rhythmussilben sprechen, denen nach und nach die Füße mit einem Tanzschritt folgen.

Was zunächst ganz einfach zu sein scheint, kann sich durch kleine Zusatzaufgaben schnell zu einer schwierigen Herausforderung entwickeln. „Oh wie peinlich, wenn mir plötzlich die einfachste Schrittfolge nicht mehr gelingt“ und hier beginnt sich die magische Kraft des Taketina zu entfalten: nämlich zu lernen sich vollständig dem Versagen hinzugeben, sich aus dem Rhythmus „heraus fallen“ zu lassen, um leicht und natürlich wieder „hinein zu fallen“. Das gelingt dann, wenn sich die Denkprozesse auflösen, die Sorgen um Image und Außenwirkung verschwinden und einer kindlichen Freude Platz machen.

Zu einem späteren Zeitpunkt der „Taketina Reise“ steigert sich dieser energetische Prozess mit einem „Call and Response“, der ältesten Form des Singens in einer Gemeinschaft. Am Ende der „Reise“ haben die Teilnehmer die Möglichkeit, sich vollständig der tiefen Entspannung hinzugeben.

 

Über den Autor

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Christiane Gerhardt ist als freischaffende Musikerin in Potsdam und Berlin spezialisiert auf Barockmusik (Viola da Gamba)  und pflegt in vielen ihrer Konzertprogramme den Kulturaustausch zwischen Orient und Okzident.

Ausbildung zur Taketina-Rhythmuspädagogin und Autorin von Fachartikeln und „Prinzessin Sarabande“ (CD,  Leopold- Medienpreis)

www.gambenunterricht.de



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