Burnout – Warum Menschen die Anzeichen für eine beginnende Erschöpfungskrise übergehen bis sie auf der Arbeit zusammenbrechen und dann monate- und jahrelang lang krankgeschrieben werden…

Von Anette Dröge

Was ist ein Burnout?

Burnout (engl.) bedeutet so viel wie „ausbrennen“, „verbrennen, ohne genug Nachschub für das Feuer zu erhalten“.
Die Definition und Diskussion um das Burnout geht zurück auf den Psychoanalytiker Herbert Freudenberger, der 1974 in einem Artikel einen körperlichen und seelischen Endzustand bei sich selbst und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen alternativer Selbsthilfegruppen und Kriseninterventionseinrichtungen beschrieb.

Er beobachtete, wie sich aufopferungsvolle und pflichtbewusste, engagierte MitarbeiterInnen in leicht reizbare und zynische Mitarbeiter verwandelten. Sie zeigten deutliche Symptome von physischer und psychischer Erschöpfung. Er verglich das Ausmaß des Zustandes von Menschen mit einem zerstörten Bauwerk:

„Wer je ein ausgebranntes Gebäude gesehen hat,
der weiß, wie verheerend so etwas aussieht.
Ein Bauwerk, eben noch von pulsierendem Leben erfüllt, ist nun verwüstet.
Wo früher Geschäftigkeit herrschte, finden sich jetzt nur noch verkohlte Überreste von Kraft und Leben.
Ein paar Ziegel und Zementbrocken mögen stehengeblieben sein, ein paar leere Fensterrahmen.
Vielleicht ist sogar die Hülle des Gebäudes noch erhalten.
Wer sich jedoch hineinwagt in die Ruine, wird erschüttert vor dem Werk der Vernichtung stehen.“

In meiner Praxis begegne ich immer wieder Menschen in den verschiedenen Stadien von Burnout-Krisen und Erschöpfungszuständen.

1.  Burnout-Phase: das Kontrollstadium – der Anfang (vom Ende)

Die Betroffenen haben noch den Eindruck, alles unter Kontrolle zu haben, aber sie spüren schon, dass alles nicht mehr so schnell und einfach klappt wie früher.

In dieser Phase gibt es zwar den Wunsch nach Hilfe – „und zwar sofort“ – aber nur, um weitermachen zu können wie bisher und um zu verhindern, dass es noch schlimmer wird und sie die Kontrolle nicht gänzlich verlieren.

Ein Mensch in diesem Stadium möchte nicht hören, dass er kürzer treten soll und dass er mehr Ruhe und mehr Schlaf braucht. In der Regel wird protestiert: „Wie stellen Sie sich das vor, das geht nicht so einfach und außerdem ist dann die ganze Existenz in Gefahr“.

2.  Burnout-Phase: das Erschöpfungsstadium – Sport und Diäten statt Pausen

Wenn der „innere Antreiber“ die Führung übernimmt

Im Inneren der Betroffenen entsteht ein Dialog, den wir uns ungefähr so vorstellen können:
„Das ging früher aber wesentlich schneller!“
„Oh Schreck, jetzt bin ich sogar zu blöd zum Schreiben!“
„Oh Gott das habe ich auch vergessen!“
„Ich bin doch ein Versager!“
„Wieso lasse ich mich so gehen?“
„Jetzt reiß dich mal zusammen du Schlaffi“ und natürlich
„Warum fühle ich mich so entsetzlich schlapp, müde und komme gar nicht wieder zu Kraft?“
„Das soll aufhören!“

Sie verzichten immer häufiger auf regelmäßiges Essen und Trinken, „ernähren“ sich von Kaffee und Zigaretten, können nicht mehr abschalten, geschweige denn nachts durchschlafen. Es entsteht eine permanente innere Unruhe. Um abends runterzukommen, wird die Unruhe mit Bier, Wein oder Medikamenten „behandelt“.

All das schwächt die Betroffen immer weiter.

In diesem Stadium fühlen sich die Menschen getrieben von ihren Lebensumständen, was ja auch schon Teil ihres Problems ist: Im Grunde haben sie schon die Kontrolle über ihr eigenes Leben verloren, aber haben noch die Hoffnung, dass das Problem verschwinden könnte, wenn sie sich jetzt sofort entspannen, eine Diät machen, die richtigen Tabletten nehmen oder einfach nur mehr Sport treiben. So wird die Belastung für Körper und Seele zunächst sogar noch gesteigert.

Maßnahmen, die aber bis zu einem gewissen Punkt tatsächlich hilfreich und gesund sein könnten, wirken in dieser Phase schwächend. Die Ansprüche und der innere Druck steigen weiter an, weil ja weiterhin der Wunsch besteht, wieder genauso wie vorher zu „funktionieren“ und das Problem in den Griff zu bekommen. In diesem Zustand erscheint es für den Betroffenen unvorstellbar, das Tempo zu drosseln oder Pausen in den Alltag einzubauen. Stattdessen treiben Ehrgeiz und innere Verzweiflung den Betroffenen immer weiter voran.

3.  Burnout-Phase: das Endstadium – „ausgebrannt“

Viele bemühen sich, trotz der beginnenden Konzentrationsschwäche, Erschöpfung und Schlafmangel weiterhin normal zu „funktionieren“ und gute Arbeit abzuliefern. Sie trinken mehr Kaffee, rauchen mehr Zigaretten und manche fangen auch noch an, Tabletten oder Drogen zu nehmen, um den Arbeitsansturm zu bewältigen, den sie schon seit längerem nicht mehr bewältigen können.

Erschöpfung und Konzentrationsschwäche reißen Löcher ins Gehirn

Die Konzentrationsstörungen bewirken, dass sie sich wie Trottel fühlen. Die einfachsten Sachen fallen nun schwer. Rechnen, schreiben, lesen sowie das Erinnern des Gelesenen wird zu einer schwierigen Angelegenheit. Aufgaben, Verabredungen und Vereinbarungen werden vergessen. Manche können sich nicht einmal an alltägliche Dinge erinnern, z. B. wie man bestimmte Worte schreibt.

Es beginnt ein „Überlebenskampf“. Die Betroffenen machen Fehler, die zu Konflikten führen. Manche versuchen dann, die Fehler durch andere Aktionen zu überdecken. Vielleicht fangen sie an, zu lügen oder zu tricksen, nehmen sich Arbeit mit nach Hause, wo dann auch noch der Druck von der Familie dazu kommt.

„Wenn ich bei der Arbeit bin,
laufen mir den ganzen Tag Tränen aus den Augen.
Was soll ich tun?“

Ein Teufelskreis entsteht

Dieser Teufelskreis lässt sich eigentlich nur mit Ruhe, Erholung und Abstand durchbrechen, was ja durch Urlaub oder Krankschreibung durchaus möglich wäre. Auch die „Löcher“ im Gehirn würden sich durch Ruhe und Erholung schnell wieder schließen. Leider schaffen es aber nur die wenigsten, an diesem Punkt anzuhalten. Die inneren Antreiber und die Existenzängste – die aber auch Teil der Symptomatik sind – erhöhen dagegen das Tempo und den Druck.

Die meisten Burn-Out-Klienten kommen genau an diesem Punkt in meine Praxis. Die Schulmedizin hat es bis zu diesem Zeitpunkt meist nicht geschafft, dass innere Ruhe und damit die Kraft wiederhergestellt werden, denn Krankschreiben alleine reicht nicht. Meiner Erfahrung nach kommt das total aufgewühlte Nervensystem ohne bestimmte Impulse nicht zur Ruhe.

Eine meiner Patientinnen machte in dieser Phase eine radikale Ernährungsumstellung, um wieder zu Kraft zu kommen, mit dem Erfolg, dass sie ca. 8 Wochen später einen totalen Zusammenbruch auf der Arbeit erlebte – vor allen Leuten – also genau das, was sie die ganze Zeit vermeiden wollte. (Danach war sie insgesamt ein ¾ Jahr krankgeschrieben bis sie vollständig wieder hergestellt war und über das Hamburger Modell* eingegliedert werden konnte.)

In 7 Schritten raus aus dem Burnout

Die Rekonvaleszenz eines Burn-out-Syndroms ist eine ganzheitliche Angelegenheit. Es müssen alle Ebenen mit einbezogen werden. Burnout Therapie im „Schnellgang“ funktioniert leider nicht, auch wenn das zunächst die Hoffnung aller Gestressten ist. Natürlich möchte jeder so schnell wie möglich wieder gesund werden, doch gerade bei der Heilung und Therapie eines Burnout-Syndroms ist es besonders wichtig, Geduld mitzubringen und viel Zeit, denn genau die Abwesenheit dieser beiden Elemente hat ja in den Burnout geführt.

In meiner Praxis haben sich die folgenden Maßnahmen bewährt:

1 – Regelmäßiges Essen und Trinken

  • Achten Sie darauf, dass sie regelmäßig essen und trinken.
  • Spüren Sie eigentlich Ihren Hunger oder Ihren Durst?
  • Ein Körper, der zu wenig Flüssigkeit bekommt, oder durch Kaffee und Alkohol entwässert wird, ist müde und übersäuert. Auch durch Stress entstehen Säuren im Körper. Ein typisches Anzeichen dafür ist es, wenn sie sich am Morgen vor dem Aufstehen wie erschlagen fühlen. Der typische Satz ist dann „ich werde alt…“. Bei den meisten Menschen in mittlerem Alter sind diese Beschwerden aber die Folge von Stress und Übersäuerung! Dieses Phänomen kann durch ausreichendes Trinken von viel Wasser oder Apfelsaftschorle behoben werden.

2 – Achten Sie auf ausreichenden Schlaf

Können Sie noch gut schlafen?
Gehen Sie ins Bett, wenn sie müde sind?
Oder halten Sie sich künstlich wach, um noch eben dies und das „schnell“ zu erledigen?

3 – Machen sie Pausen

Es ist essenziell wichtig, „gute Pausen“ einzulegen und gut für sich zu sorgen:

  • Strukturieren Sie ihren Alltag durch klare Abschnitte, in denen sich Arbeit und Pausen deutlich voneinander unterscheiden.
  • Essen Sie in Ruhe und vor allem an einem vom Arbeitsplatz getrennten Ort.
  • Üben Sie das schon mit Ihren Kindern. Setzten Sie sich alle zusammen an den Tisch, um in Ruhe gemeinsam zu essen.
  • Machen Sie beim Essen den Fernseher aus und lassen Sie die Handys außer Reichweite.
  • Gehen Sie bei der Arbeit zur Pause einmal um den Block.
  • Atmen Sie frische Luft.
  • Bringen Sie sich gesundes, einfaches Essen mit.

4 – Finden Sie ihre eigene Struktur

  • Lernen Sie, nicht mehr alles gleichzeitig zu machen, sondern strukturiert nacheinander.
  • Beantworten Sie nicht jede Email sofort sondern in einem bestimmten Zeitfenster, z. B. von 8.00 – 9.00 Uhr und dann wieder von 11.00 – 12.00 Uhr und zwar ohne dabei gleichzeitig ans Telefon zu gehen!

(Betrachten Sie diese Tipps als allgemeine Ideen für strukturiertes Arbeiten, bei dem Sie die Zügel in der Hand haben und nicht andere.)

5 – Entlarven Sie Ihre inneren Antreiber

Burnout-Betroffene leiden oft unter einem überhöhten Anspruch und müssen daher lernen,  auf ihre Grenzen aufzupassen und sich von scheinbar „positivem“ Zuspruch nicht mehr manipulieren zu lassen. Es bedeutet die Verabschiedung von Lebensmustern und Antreibern. Sie müssen zum Beispiel lernen – und das fällt oft schwer – ihre Kollegen zu enttäuschen, indem sie ihnen nicht mehr hilft und nicht mehr die Arbeit für andere erledigte. Für ein gesundes und lebenswertes Leben müssen wir lernen, auf verführerische Gefühle wie „besser als“ oder „ich kann alles“ zu verzichten und zu lernen, den Konflikt und die Reibung auszuhalten, wenn wir nur noch im Rahmen unserer realistischen Möglichkeiten arbeiten.

Ursachen für den Inneren Antreiber sind vielfältig. Sie reichen von einem angelernten übertriebenen Verantwortungsgefühl über Versagensangst bis zum Wunsch nach Perfektion. Die meisten von uns haben solche Muster schon mit der Muttermilch aufgesogen.

Ich empfehle daher, sich selbst einmal mit den folgenden Fragen auseinanderzusetzen:

  • Wie standen Ihre Eltern zur Arbeit?
  • Waren sie übertrieben fleißig?
  • Haben sie gearbeitet anstatt zu fühlen?
  • Haben sie getrunken anstatt zu arbeiten?
  • Ist es ein übernommenes Muster oder ist es ein Muster, um eben nicht so zu sein wie die eigenen Vorbilder?

6 – Grenzen achten hält gesund

Das Thema „Abgrenzung“ spielt in jeder Therapie eine große Rolle. Besonders aber beim Burnout wird klar, dass wir für ein gesundes Leben in gesunden Grenzen psychische Reserven benötigen. Diese Reserven schwinden durch die Überarbeitung, Schlafmangel und schlechte Selbstversorgung.

Je müder wir dann aber werden und desto überarbeiteter wir sind, desto schwieriger wird es, sich abzugrenzen. Mangelnde Abgrenzung ist also bereits ein wichtiges Warnsymptom. Daran können wir festmachen ob wir noch in unserer gesunden Mitte sind. Wenn das nicht mehr so einfach möglich ist, sind wir es nicht

7 – Lassen Sie sich helfen

Eine sinnvolle Therapie hilft Ihnen, die Körperwahrnehmung wieder zu schärfen und die Entspannungs-Parasympathikus-Reaktion zu stärken, damit Ihr Körper und damit auch das Vegetative Nervensystem nachhaltig zur Ruhe kommen. Besonders wirkungsvoll ist an diesem Punkt eine körperorientierte Psychotherapie. Die Kombination von Gesprächen, Körperarbeit und Klassischer Homöopathie unterstützt auf sehr ganzheitliche und organische Weise die Rekonvaleszenz und Erholung nach einem Burnout.

Das vegetative Nervensystem reagiert sensibel auf den Kontakt und die Berührung. Mit Berührung, Massage oder Ausstreichungen kann man den Stress aus dem System herausnehmen. Die Atmung, innere Bilder und Schärfung des Selbstkontaktes zum eigenen Körper sind ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des Heilungsprozesses. Die Muskulatur kann erst dann entspannen, wenn sie von außen genauso viel Druck bekommt, wie in ihr steckt.

In jedem Burnout liegt eine Chance

Einen inneren Antreiber haben wir alle, aber nicht jeder wird davon krank. Meist kommen noch bestimmte persönliche Muster sowie innerer und äußerer Druck hinzu.

Letztendlich zwingt uns ein Burnout – wenn wir noch etwas vom Rest unseres Lebens haben wollen –, unseren Lebensstil zu überdenken und unbewusste Verhaltensweisen aufzudecken.  Die meisten meiner geheilten Burnout-Patienten haben die Krankheit mit wichtigen neuen Erkenntnissen über sich selbst und mit ganz neuen Fähigkeiten (z. B. zum Thema Abgrenzung) hinter sich gelassen. Eine Burnout Krise ist immer ein wichtiger Hinweis auf grundlegende Missverständnisse. Wenn Sie sich dran machen, diese aufzudecken und aus der Welt zu schaffen, können Sie als ein ganz neuer, ruhigerer und sehr viel besser geerdeter Mensch daraus hervorgehen.
 


 

* Hamburger Modell
Die stufenweise Wiedereingliederung, oft auch „Hamburger Modell“ genannt, soll arbeitsunfähigen Beschäftigten ermöglichen, sich schrittweise wieder an die bisherige Arbeitsbelastung zu gewöhnen. Sie wird vom Arzt in Abstimmung mit Patient und Arbeitgeber verordnet und soll nach längerer Krankheit den Wiedereinstieg in den alten Beruf erleichtern. (Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales)

3 Responses

  1. X
    Wieso sind eigentlich so viele Physiker so schlecht in Philosophie?

    Wieso sind eigentlich so viele Physiker so schlecht in Philosophie?

    https://edwardfeser.blogspot.de/2011/02/why-are-some-physicists-so-bad-at.html

    Antworten
  2. Henry Thouroux
    Wie finden Menschen neue Ideen?

    Der Sci-Fi Autor Isaak Asimov stellte sich die Frage wie Menschen neue Ideen entwickeln können:

    https://www.technologyreview.com/s/531911/isaac-asimov-asks-how-do-people-get-new-ideas/

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  3. Henry Thouroux
    Burn-out im Kontext

    Mir fällt auf, dass zwischen Burn-Out und Depression unterschieden wird, aber eigentlich ist es doch das selbe oder?

    Vielleicht gibt es unterschiedliche Wertungen, Burn-out, das klingt nach heldenhaftem selbst getan habenem, Depression, das ist Kapitalismus, Gesellschaft etc.

    Ziemlich heikel, auch in dem Beitrag klingt die Selbsthilfe als Umfang der Kritik an, als gäbe es da nicht den gesellschaftlichen Mist einer Supermacht wie Deutschland und der EU, in dem das alles stattfindet. Und klar, wie soll mensch auch dieses System kippen?

    Agression, Depression in der kapitalistischen Moderne: „Ein weites Feld“.

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