Die Äbtissin aus dem 12. Jahrhundert verblüfft mit der Aktualität ihrer bis heute erhaltenen Lehren. Sie appellierte liebevoll an die Verantwortung eines jeden für sich und sein körperliches und seelisches Wohlergehen. Genussvolles Maßhalten, eine ausgewogene Ernährung mit vitalen Nahrungsmitteln und das regelmäßige Entgiften und Reinigen waren ihrer Überzeugung nach die Grundlagen für die Gesundheit. Über Entschlackung und Ausleitung nach Hildegard von Bingen.

 

Hildegard von Bingen schuf ihre Heilkunde aus ihren zahlreichen und bildgewaltigen Visionen, aber auch aus der medizinischen Lehre ihrer Zeit, der Volksheilkunde und dem Erfahrungswissen sowie der Klosterheilkunde. Damit ist es nicht verwunderlich, dass sie im Monat Februar mit den entschlackenden Maßnahmen startete. Das entsprach genau dem schamanisch-traditionellen Heilwissen in Mitteleuropa. Mit dem Jahreskreisfest Lichtmess begann die Zeit der Reinigung. Hildegard von Bingen empfahl verschiedene Methoden zur Entgiftung des Körpers, wie eine Reihe von Heilpflanzenanwendungen, Fasten, Aderlass, Schröpfen, das vorsichtige Herbeiführen von Brandwunden, selbst die Einnahme von Goldmehlpulver oder die Verwendung von Edelsteinen. Auf einige möchte ich Sie im Folgenden neugierig machen.

 

Fasten nach Hildegard von Bingen

Das Fasten ist ein wesentlicher Bestandteil ihrer Gesundheitslehre. Hildegard von Bingen sah es als eine Möglichkeit, Körper und Geist in Einklang zu bringen. Dabei ist das Fasten nach Hildegard nicht völlig ohne Energiezufuhr und basiert auf der regelmäßigen Ernährung mit Dinkel. Sie empfiehlt in ihrer Ernährungslehre eine dauerhafte Versorgung mit diesem Getreide. Neben seinen vielen guten Eigenschaften sorgt er für die Beseitigung von Stoffwechselschlacken. Durch die tägliche Verpflegung mit Dinkel findet Reinigung sozusagen schon beim Essen bzw. Trinken statt. So liegt es nahe, dass ein gemäßigtes Fasten bei ihr Dinkel als Grundlage hat. Das Hildegard-Fasten kann je nach Schwierigkeitsstufe mit Dinkelkaffee und Dinkelsuppe, des Weiteren mit Habermusvarianten (grober Dinkelschrot, in Milch eingekocht), Dinkelbrei, Dinkelgrieß usw. begleitet werden. Ferner gehören klare Gemüsesuppe und Kräutertee dazu. Es wird das Dinkel-Obst-Gemüse-Fasten als leichteste Form, das Brotfasten und das ­Hildegard-Fasten ohne feste Nahrung unterschieden. Um den Geist zu beruhigen und zu reinigen, sollte dabei regelmäßig meditiert werden.

 

Aderlass – reines Blut

„Wenn die Gefäße des Menschen voll Blut sind, müssen sie durch einen Einschnitt vom schädlichen Schleim und Verdauungssaft gereinigt werden.“ Hildegard von Bingen gab praktische und präzise Anweisungen zur Durchführung des Aderlasses. „Ein richtig bemessener Aderlass beseitigt schädliche Säfte und heilt den Körper.“ Den passenden Augenblick dafür sah sie im März, genauer, wenn der Mond zweimal zu und zweimal abgenommen hat. Wie alle reinigenden Maßnahmen hat der Aderlass größeren Erfolg bei abnehmendem Mond. In ihren Aufzeichnungen hält sie zusätzlich Vorschläge zur richtigen Verhaltens- und Ernährungsweise während dieser Zeit bereit. Beispielsweise: „Käse soll man nach einem Aderlass meiden, weil er dann dem Blut Schleim zurückführt und kein richtiges, reines Blut bildet, sondern es mit krankhaftem Fett anreichert.“

 

Schröpfen gegen die Schmerzen

Das Schröpfen erfolgt mit Schröpfköpfen, bei Hildegard auch Schröpfhörnern. Es ist ein uraltes und weltweites Therapieverfahren, welches seinen Ursprung in der schamanischen Heilung hat und bei dem auf einem begrenzten Hautareal ein Unterdruck aufgebracht wird. Lokal entsteht durch das Saugen beim Schröpfen eine ödematöse Schwellung und in der Folge ein Hämatom durch die ausgetretene Flüssigkeit, die sich im umliegenden Gewebe verteilt. Blutiges Schröpfen führt lokal zu einem Blutverlust und soll dadurch eine Entschlackung vor Ort bewirken. „Er soll an der Körperstelle Blut entnehmen (durch Schröpfen), an der er Schmerzen hat.“ Sie setzt das trockene und blutige Schröpfen bei unterschiedlichen Indikationen ein, zum Beispiel bei abnehmender Sehstärke der Augen, Schmerzen, traurigem Herzen und gedrückter Stimmung, Gicht usw. „Das Schröpfen ist zu jeder Zeit gut und nützlich, damit die schädlichen Flüssigkeiten und schleimigen Säfte im Menschen verringert werden. Denn die schleimigen Säfte befinden sich zwischen der Haut und dem Fleisch, und sie schaden dem Menschen besonders.“

 

Heilpflanzen wider die ­Fehlsäfte

Viele ihrer Heilpflanzenanwendungen sollten den Körper reinigen und ihn unterstützen, Schleim, Fehlsäfte und Giftiges auszuscheiden. So nutzte sie die Brennnessel als Reinigungspflanze, da sie „den Magen (Darm) reinigt und ihm den Schleim nimmt.“ „Rettich wird nach der Ernte zwei bis drei Tage lang an einer feuchten Stelle unter der ­Erde vergraben, weil so seine „Grünfrische“ gedämpft wird und er, so gegessen, das Gehirn reinigt und die Schadsäfte der Eingeweide mindert. Über einen heißen Stein getrocknet, zu Pulver verarbeitet, mit hellem oder geglühtem (Stein-)Salz und Fenchelsamen vermengt und mit Brot gegessen, reinigt er innerlich die Stinkgase“, lässt sich den Übersetzungen entnehmen. Schließlich stellt sie mit dem Rettichpulver und Honig eine Abkochung in Wein her, die sie bei starker Verschleimung em­pfiehlt.

Mit ihrer Ganzheitlichkeit und ihrem Anspruch auf Genuss, der nicht mit Maßlosigkeit zu verwechseln ist, passt die Hildegard-Lehre besser als je zuvor in die heutige Zeit. Die Entschlackung des Körpers und der Seele spielt in der Naturheilkunde eine entscheidende Rolle: Als Prophylaxe, zur Linderung und Heilung sowie zur Erhaltung des Wohlergehens.


Abb: © Wikimedia Commons

Dr. Kristin Peters ist Phytotherapeutin und Wissenschaftlerin mit eigenem Unternehmen „Papaver“. Sie bietet Ausbildungen in Pflanzenheilkunde an, hält Vorträge und führt Kräuterwanderungen, Frauenheilkreise und Workshops zu Heilpflanzen, Räucherheilkunde und Aromatherapie sowie Meditation durch. Sie ist auch ehrenamtliche Sterbe- und Trauerbegleiterin.

Zitate aus: Manfred Pawlik, Von den Ursachen und der Behandlung von Krankheiten nach der Heiligen Hildegard von Bingen (1990)

 

„Du hast in dir den Himmel und die Erde“
Hildegard-von-Bingen-Festival in Berlin vom 11.-13.5.2012 mit Vorträgen, einem Livekonzert, das Hildegards musikalisches Werk vorstellt, und Workshops zur Kräuterheilkunde, Ernährungslehre und Pflege nach Hildegard.

Weitere Infos bei
Dr. Kristin Peters unter Tel.: 030-53 21 99 89 oder post@kristin-peters.de,
www.kristin-peters.de

oder bei
Nicola Cordes unter
Tel.: 030-64 09 25 95
info@naturheilpraxis-lebensweise.de, www.Naturheilpraxis-Lebensweise.de

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