Abb: © tomertu - Fotolia.comEs war einmal – Die Poesie der Märchen 28. November 2018 Wissen & Weisheit Wie schnell können uns ein paar Worte in andere Welten entführen … – und nichts ist besser dazu geeignet als die Poesie der Märchen, die uns auf ihre Weise das Urwissen der Menschheit nahebringen… von Kati Pfau Ganz besonders in der Zeit ab November öffnet sich ein uraltes geheimes Tor in unseren Herzen. Im postmodernen Zeitalter, in dem uns mehr und mehr bewusst wird, wie schmerzlich wir uns von so vielem abgespalten haben, strecken wir noch zaghaft, aber sehnsuchtsvoll unsere Fühler nach anderen Wirklichkeiten aus. Und nichts anderes sind Märchen seit alters her. In Geschichten und Märchen machen wir Weltenreisen, Zeitsprünge, tauschen die Rollen und verwandeln uns unentwegt mit Leichtigkeit. Wir verlassen unsere alltägliche Jetzt-Ebene. Nicht umsonst verwenden verschiedene psychotherapeutische und spirituelle Praktiken das erzählerische Element. Im Kopf werden Bilder erzeugt, um die Beteiligten auf eine andere Bewusstseinsebene zu führen. Die uralte Technik der Geschichtenerzähler. Wer sich auf Märchen einlässt, betritt die älteste Bibliothek der Menschheit. Seit Urzeiten werden Geschichten erzählt, und es zeigt sich, dass von dorther ein uraltes Wissen weitergegeben wird: das Wissen vom gelingenden Leben. Auch wenn sich Kulturen und Werte über die vielen tausend Jahre geändert haben, scheinen sich doch einige Weisheiten über die Zeit zu Sternen am Nachthimmel verdichtet zu haben. Märchenhaft vielfältig Märchen sind herrlich vielfältig interpretierbar. Sie geben Raum für verschiedene Verstehensweisen und tagesabhängige Stimmungen. So kann „Aschenputtel“ in jungen Jahren zu Träumen von Kleidern aus Gold und Silber inspirieren, in mittleren Jahren kann es an die Geringschätzung und Missachtung anderer für die eigene Arbeit erinnern und im Alter an die unerschütterlich gerechten Gesetze des Lebens gemahnen. Tausende von Jahren menschlicher Entwicklung haben Schicht um Schicht neue Kulturen und andere Werte hervorgebracht. Doch bei aller Veränderlichkeit bleiben ein paar Eckpunkte: Geburt, Erwachsenwerden, sich und den oder die andere finden, Geben und Nehmen, den eigenen Weg finden, Wissen weitergeben, Tod. Dies sind die Bedingungen, mit denen wir uns mit unserer Entscheidung zur Inkarnation als Mensch einverstanden erklärt haben. Aber wie halten wir das aus? Wie gehen wir unseren Weg? Was brauchen wir, damit unsere jetzige Inkarnation gelingt? Und da ist die Spiritualität im Märchen zu finden, denn genau darauf gibt es hier Antworten. Die Märchen erzählen von Mut, Aufrichtigkeit, Durchhaltevermögen, Treue, Klugheit, ja auch Schläue, Vertrauen, Arglosigkeit. Viele sagen dazu: „Ja, das sind ja nur Märchen.“ Vielleicht tun wir das viel zu schnell ab. Viele Menschen nutzen lieber Fantasy (die Märchen der Erwachsenen) und märchenhafte Bilder aus überdimensionierten Hollywood-Filmen zur Flucht aus dem Hier und Jetzt. Auch das kann durchaus guttun. Wäre es aber nicht auch eine sinnvolle Entlastung für die Seele, den alten, verzauberten Märchenpfaden zu folgen? Der lebenspraktische Wert Manchmal sehe ich das kaum unterdrückte, abschätzige Lächeln, wenn ich erzähle, dass ich eine Märchenfee bin. „Ach so, für Kinder“, wird das ganz schnell abgetan. Inzwischen lächle ich zurück. Aber über diese Reaktion. Denn ich habe oft sehr konkret in meinem Leben erfahren, wie hilfreich die Weisheit aus den alten Geschichten ist. „Schneewittchen“ half mir, meine Mutter zu verstehen. „Allerleirauh“ zeigte mir den Ausweg aus dem Dunstkreis eines viel zu dominanten Vaters. „Das Mädchen ohne Hände“ brachte mir ein tiefes Verständnis meines künstlerischen Weges, „Sterntaler“ lehrte mich die Weisheit des Gebens. Und „Der Meisterdieb“ brachte mir augenzwinkernd bei, dass keine irdische Macht Anspruch auf die Alleinseligmachung hat. Und das sind nur die Grimm’schen Märchen. Auf der ganzen Erde gibt es zauberschöne und tiefweise Märchen und Geschichten. Dort finden wir uns alle wieder, ganz gleich, wer wir sind. Es lohnt sich, ein Märchen nicht einfach runterzulesen, sondern sich ihm mit meditativer Absicht zu nähern. Wenn wir unser Herz öffnen, werden wir beschenkt mit uraltem Wissen aus der Tiefe der Zeit, das oft die Kraft der Heilung in sich trägt. „Erhabener König“, spricht die Amme Südlimene in der Rahmenhandlung der Märchensammlung „Märchen für Tausendundeinen Tag“, „lasst mich meine Kunst versuchen, die Prinzessin fröhlich zu stimmen.“ Der König fragte: „Worin besteht denn deine Kunst?“ Die Amme erwiderte: „Ich kann Märchen erzählen. Viele schöne und interessante Geschichten von Zauberern, Feen, guten und bösen Geistern, von Armut und Reichtum, von Liebe und Hass und von vielen anderen Dingen.“ „Wie viele Märchen kennst du denn?“, wollte der König wissen. „So viele, dass es genau für tausendundeinen Tag reicht“, erklärte die Amme. „Und meinst du, dass du mit deinen Märchen meine Tochter wieder gesund machen wirst?“, fragte ungläubig der König. Die Amme erwiderte: „Du musst wissen, Märchen vertreiben die Langeweile, die Unlust und die Verzagtheit, sie besänftigen die Ruhelosen, ermuntern die Kraftlosen und außerdem sind tausendundein Tag eine lange Zeit. Unterdessen kann die Prinzessin ihren Kummer vergessen oder, wer kann es wissen, ein wunderbar lächelnder Jüngling eine Botschaft senden…“ Der Spielmann Es war einmal vor langer Zeit ein Spielmann, der zog mit seiner Geige von Ort zu Ort und erfreute die Menschen auf den Plätzen und Straßen mit seiner Musik. In seinem Hut landeten genug Münzen, dass er nicht hungern und frieren musste. Doch einmal war eine fürchterliche Dürre und Teuerung gewesen, so dass die Leute selbst kaum genug zu essen hatten. Sie hörten zwar immer noch gern dem Spielmann zu, hatten aber keine Münzen mehr für ihn übrig. Im Winter, es war gerade Heiligabend, da zog er auf der Straße dahin, fror und hungerte entsetzlich und wusste nicht ein noch aus. Es dämmerte schon und der Spielmann betete, er möge wenigsten ein trockenes Dach für die Nacht finden. Da sah er am Waldrand ein einsames Haus, groß und schön, und aus allen Fenstern leuchtete es warm. Voller Freude lief er dorthin, um ein Nachtlager zu erbitten. Da öffnete sich die Tür von ganz allein und er hörte liebliche Frauenstimmen sagen: „Tritt nur ein, Spielmann, wir haben dich schon erwartet.“ Der Spielmann trat ein und Wärme und Licht umfing ihn. Es duftete herrlich nach Lebkuchen, Zimt und Braten. In einer großen Stube standen drei Frauen um eine reichlich gedeckte Tafel, wie sie der Spielmann sein Lebtag nicht gesehen hatte. Da gab es alles, was das Herz nur begehrte: Schinken und gebratene Hähnchen, feinen Käse und frische Äpfel, Kuchen, Gebäck und Wein. Kerzen leuchteten an den Wänden und auf dem festlichen Tisch. Die drei Frauen aber, hochgewachsen und wunderschön, sahen alle gleich aus. Freundlich luden sie ihn ein, Platz zu nehmen. Sie speisten zusammen, lachten und erzählten sich Geschichten. Als der Spielmann satt war, begann eine der Frauen, mit hoher, klarer Stimme zu singen. Bald stimmten die beiden anderen Frauen mit ein und es war ein so süßer, himmlischer Gesang, dass das Herz des Spielmanns vor lauter Seligkeit zu strahlen begann. Da griff er nach seiner Geige und begleitete die herrlichen Stimmen. Eine wundersame Macht ergriff ihn und er spielte so schön wie noch nie. Seltsam anmutige Melodien glitten von seinen Saiten und lichtvoll durchflutete ihn seine eigene verzauberte Musik. Am nächsten Morgen erwachte er in einem weichen, großen Bett. Die drei Frauen waren nicht zu finden, aber auf dem großen Tisch in der Stube war ein reichliches Frühstück für ihn gedeckt. Der Spielmann setzte sich und aß. Dann nahm er seine Geige, bedankte sich laut und ging seiner Wege. Das Weihnachtswunder Nach einer Weile kam er zu einer kleinen Stadt. Der Torwächter begrüßte ihn und fragte, wohin er wolle. Der Spielmann zeigte auf seine Geige und meinte, er wolle den Menschen ein wenig Musik machen. „Nun ja, es ist Weihnachtsmorgen“, antwortete der Wächter. „Da wird wohl keiner auf der Straße stehen und dir zuhören. Eben sind alle zur Weihnachtsmesse in der Kirche. Aber versuch nur dein Glück.“ Der Spielmann dankte und begab sich zum Marktplatz. In diesem Moment traten die Leute aus der Kirche. Es juckte den Spielmann seltsam in den Fingern. Auch wenn er wusste, dass es sich nicht gehörte, konnte er einfach nicht anders, holte seine Geige heraus und begann zu spielen. Doch was war das? Aus seiner Geige kam nicht die Musik, die er sonst gespielt hatte. Nein, es waren die zauberhaft schönen Klänge der Nacht. Er brauchte nur die Augen zu schließen und seine Finger fließen zu lassen. Es war, als würde es von ganz allein geschehen. Und sein Herz jauchzte und strahlte, dass es ihm die Tränen in die Augen trieb vor lauter Glück. Als die Musik verklang, bemerkte er, dass die Leute nicht nach Hause gegangen, sondern alle bei ihm stehen geblieben waren. Mit offenen Mündern und staunenden Blicken sahen sie ihn an. Dann griffen sie in ihre Geldbörsen und warfen Münzen in seinen Hut, dass es nur so rasselte. Und der Bürgermeister lud den Spielmann zum Weihnachtsessen zu sich ein. Beim Herrn Bürgermeister ließ es sich der Spielmann gut schmecken. Dann aber wollte er wieder seines Weges ziehen. „Ich danke Euch, Herr Bürgermeister“, sprach der Spielmann. „Doch eine Frage hätte ich noch.“ „Was ist es denn?“, fragte der Bürgermeister. „Sagt mir doch bitte, wem gehört das große schöne Haus dort am Waldrand, keine drei Meilen vor der Stadt?“ Der Bürgermeister kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Drei Meilen vor der Stadt? Da steht kein Haus. Da gibt es nur eine verfallene Scheune“, antwortete er. Und weil der Spielmann klug war, schwieg er dazu. Doch die Neugier trieb ihn noch einmal zurück. Und siehe da, tatsächlich standen dort am Waldrand nur die Reste einer uralten Scheune. Da kniete der Spielmann nieder und dankte aus ganzem Herzen für dieses Weihnachts – wunder der drei Feen. Der Spielmann zog weiter. Die himmlische Musik aber blieb bei ihm sein Leben lang und seine Mütze blieb nie leer. Und so lebte er glücklich und zufrieden bis an sein Ende. Termine Märchenfee Pfauenfeder zur Adventszeit: „Sternenlicht und Himmelklang – Weihnachtsmärchen“ 8.12.2018, 15 bis 18 Uhr – Adventsmarkt Honighof Baranowski, 15806 Zossen 9.12.2018, 14 bis 18 Uhr – Weddingmarkt, Leopoldplatz, 13353 Berlin 16.12.2018, 14 bis 18 Uhr – Märchenweihnachtsmarkt Luckenwalde, Marktplatz, 14943 Luckenwalde Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar Antwort abbrechenDeine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.KommentarName* E-Mail* Meinen Namen, meine E-Mail-Adresse und meine Website in diesem Browser für die nächste Kommentierung speichern. Überschrift E-Mail-Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren.Auch möglich: Abo ohne Kommentar. Durch Deinen Klick auf "SENDEN" bestätigst Du Dein Einverständnis mit unseren aktuellen Kommentarregeln.