1983 entdeckte Rahmana Dziubany einen Kraftort in Indien, der ihr bis zum heutigen Tage Rückzugsort, Inspiration und Zuhause ist und an dem Einsiedler sich der Liebe zu den Menschen widmen: Shantivanam – der Wald des Friedens und Ananda Ashram. Seit zehn Jahren reist sie jährlich – von ihrem eigenen Seminarhaus Ananda im brandenburgischen Golzow aus – in diese abgeschiedene Welt. Das Schöne: Wer will, kann sie begleiten. Im Einverständnis mit den Eremitinnen vor Ort, die ihren Platz nie verlassen, darf sie als Einzige Menschen mit in diese besondere Umgebung nehmen. Mit den Einnahmen aus diesen Reisen trägt Rahmana zum Erhalt des Platzes als Wohlfahrtszentrum der Region bei.

Von Rahmana Dziubany

Ananda – Glückseligkeit: Dieses wohlklingende Wort mit den herzöffnenden Vokalen kommt aus dem Sanskrit zu uns und bedeutet tiefe, langanhaltende reine Freude, die einfach da ist und Teil unserer wahren Natur, unabhängig von äußeren Dingen und Bedingungen. Wir kennen alle glückliche Momente oder sogar Zeiten, wir sprechen es vielleicht sogar aus: „Ja, ich bin glücklich.” Glückseligkeit jedoch ist die höchste Form von Glücklichsein. Sie ist nachhaltig, unvergänglich und macht uns ganz aus. Dann sind wir im Kontakt mit unserem Selbst, der Quelle, Gott oder wie immer es für dich heißt. Wenn unser Sehnen und Wünschen im Einklang mit dem Göttlichen Plan steht, wenn wir unserer Bestimmung, unserem Ruf folgen, dann gibt das Universum uns auch die nötige Unterstützung dazu und dann treten wir in diese Erfahrung. „Hineini“*, sagten die alten Propheten und Prophetinnen im Angesicht Gottes: „Hier bin ich, ich bin bereit. Mach mich zu deinem Gefäß oder Instrument.“ Und: „Sei mir gnädig – lass mein Sehnen und meine Träume und deine eins sein.“ Dann werden wir zur Sonne, bringen durch unsere Taten Gottes Licht in die Welt, gespeist von Liebe und Ananda.

Persönliche Wunder

Kennst du das? Dass dir Dinge geschehen, die sich nicht erklären lassen? Manche nennen es Schicksal oder Fügung oder Gnade. Oder Wunder – unfassbar, unlogisch, überraschend –, die unserem Leben eine neue Tiefe oder Ausrichtung geben können, die uns innehalten und staunen lassen. Für mich ist das immer der Moment, in dem die Wand zwischen den Welten dünn wird und ich mich von göttlicher Hand gelenkt fühle. So wie damals als junge Frau mit 23 Jahren, die sich ihren Traum erfüllen wollte, nach Indien zu reisen, und dann geführt wurde – zum Ashram des großen Mystikers und Benediktinervaters Bede Griffiths und dem Nachbarashram von Schwester Mary Louisa, die wir Amma nennen (nicht zu verwechseln mit der berühmten Amma aus Kerala, die für ihre Umarmungen bekannt ist). „Longing until you belong“ pflegte Amma zu sagen. Man sehnt sich nur so lange, bis man angekommen ist – zu Hause.

Das erste Wunder: Das I-Ging-Orakel in der Nacht zwischen den Jahren 1983-84 sagt mir Verluste voraus, um auf den Weg zu kommen. Und in genau dieser Nacht brennt mein Haus nieder mit allem, was ich bis dato angehäuft hatte, so dass ich befreit war von altem Ballast. Ein weiteres Wunder: 30 Jahre später spricht mich ein Kollege an: „Da ist ein indischer Lehrer, der sucht dich. Er heißt Kiara Windrider.“ Er gibt mir seine Email-Adresse mit den Worten: „Probier es einfach mal, aber er antwortet selten, weil er weltweit herumreist.“ Hmmm? Ich kenne keinen Kiara Windrider, aber schreibe ihm und erhalte postwendend eine Antwort. Es stellt sich heraus, dass Kiara ein alter Freund aus Ashramzeiten ist, den ich seit 30 Jahren suche und der wie ich Schüler von Bede Griffiths war. Gemeinsam machen wir uns einige Zeit später auf die Reise zu unseren spirituellen Wurzeln…

Bede Griffiths und die Hochzeit von Ost und West

Bede Griffiths (1906 – 1993) gilt als der bekannteste christliche Mystiker des 20. Jahrhunderts, der dem Ruf seines Herzens folgend den ersten christlich-hinduistischen Ashram Indiens gründete. Er ist bekannt für seinen Dialog mit den Religionen und galt als einer der Hauptvertreter seiner Zeit für universelles Gedankengut. Er ist ein Freund des Dalai Lama, war Lehrvater für Rupert Sheldrake, der sein großes Werk „Das schöpferische Universum“ in einer kleinen Hütte am heiligen Fluss Cauvery in Bedes Ashram schrieb. Dieser Ashram ist bis heute ein beliebter internationaler Treffpunkt für Pilger, Künstler, Wissenschaftler, geistig Suchende, Theologen, Mönche und Nonnen, Sadhus und die Menschen der umliegenden Dörfer. Nach vielen Jahren zurück im Ashram besuchen wir einen Gottesdienst. Hier vereinigen sich die Klänge der Hindu-Mystik – wie das Gayatrimantra und Bhajans – mit den Psalmen und Gebeten des Christentums.

Wir feiern das Abendmahl genauso wie das Lichterarati mit einer kreisenden offenen Flamme, mit deren Licht wir uns segnen und reinigen. Dreimal am Tag versammeln wir uns zu den Gesängen und Ritualen im Tempel. Hier vereinigen sich die Weltabgewandtheit des Hinduismus durch Versenkung in Meditation und Gebet zur Überwindung des Irdischen mit dem christlichen Geist der Fürsorge, des bedingungslosen Mitgefühls und des Dienstes am Nächsten. Durch das Eintauchen in das Sat – die Berührung mit dem großen unendlichen Bewusstseinsstroms, der uns alle durchfließt –, und die Erfahrung der darin enthaltenen Glückseligkeit entsteht ein Liebesfluss, der sich in der Haltung dem Leben und den Menschen gegenüber zeigt sowie in unzähligen Taten des Mitgefühls.

„Amma“ – Sister Mary Louisa Coutinha

Sister Mary Louisa (1933-2017) wurde von uns allen nur Amma genannt – Mama. Sie war ein unentdecktes Juwel, das sich erst am Ende ihres Lebens der Welt offenbart und gezeigt hat. Sie wusste schon als junge Frau, dass sie nicht in einer Ehe einem Mann dienen wollte, sondern nur Gott, der Welt und den Menschen. Für sie war der Weg in das gottgeweihte klösterliche Leben ein Schritt in ihre Freiheit und Autonomie als Frau. Die Begegnung mit Bede Griffiths war für sie von solch großer Bedeutung, dass sie ihre beschützten Klostermauern hinter sich ließ, um in seiner Nähe zu sein. „Wenn man seinen Propheten trifft, verlässt man ihn nicht“, sagte sie mir einmal. Und da es für sie als Frau nicht möglich war, im Männerkloster zu leben, erschuf sie sich mit ihren eigenen Händen eine kleine Hütte aus Lehm und Palmblättern in einem Stück Dschungel nahebei, legte ihren Nonnenhabit ab und trug fortan nur die einfachen erd- und orangefarbenen ungesäumten Stoffe der Sannyasins.

Das Wasser holte sie sich aus dem nahen Fluss, sie ernährte sich von der Früchten der Erde und den Spenden der Menschen und kümmerte sich als ausgebildete Krankenschwester um die Bedürftigen der naheliegenden Weiler und des Dorfes Thannirpalli. Als eines Nachts der nahe Fluss über die Ufer trat, ihre Hütte mit sich nahm und sie beinahe ums Leben kam, garantierte ihr Bede Grifftiths gegen den Widerstand aller Kirchenhierarchien und Mönche seinen persönlichen Schutz und ließ ihr ein Haus erbauen – der Grundstein für ihren späteren Anandaashram. Als engagierte liebevolle Pflegerin der kranken Touristen vermachten ihr einige von ihnen größere Summen Geld, mit denen sie das Stück Land erwarb und den Dschungel mit der Hilfe von Menschen aus dem nahen Ort urbar machte. Sie wählte die Dalits, die Unberührbaren, die trotz offizieller rechtlicher Anerkennung im Dorfleben Indiens bis zum heutigen Tag die Geächteten geblieben sind.

Sie verrichten die niedrigsten Dienste, wie zum Beispiel Latrinenreinigung, und es ist ihnen untersagt, auf den offiziellen Wegen zu gehen, um mit ihren Füßen nicht die Erde zu beschmutzen. Nur wenn die Sonne zur Mittagszeit ihren Höchststand erreicht hat, sieht man sie auf den Hauptwegen, da nach dem Volksglauben die Sonne ihre unreinen Energien verbrennt. Die Dalits waren über drei Generationen hinweg Ammas „Kinder“ und machten den Ashram zu einem blühenden Garten voller Pfauen, Schmetterlinge und allerlei Getier, mit 20-30 Meter hohen Kokospalmen, deren Ertrag dem Erhalt des Platzes und der Unterstützung der Dalits diente, mit Kühen, deren Milch zurück ins Dorf „floss“, genau wie die jungen Kälbchen, die regelmäßig an die armen Familien im Dorf weitergegeben wurden. Ammas Wirken für die Menschen war unermüdlich und für viele gar nicht sichtbar. Sie arbeitete im Stillen und wir erfuhren es nur, wenn wir in den Dörfern unterwegs waren und die Menschen uns erzählten und zeigten, wo sie Häuser bauen ließ, Felder kaufte, Arznei besorgte und vieles mehr.

Ammas Platz war ein Wohlfahrtszentrum im Stillen, ein Retreatplatz für alle, die ihre Rückbindung an die göttliche Quelle suchten, ein Ort zum Ausruhen unter ihren liebenden Händen. Es heißt auch, Mutter Theresa sei bei ihr zur Ruhe gekommen. Ein geheimer unentdeckter Platz, ohne Website und Publicity – ein Juwel im Verborgenen.

Und wieder ein Wunder

Als die indische Regierung am Rande dieses Paradieses eine Schnellstraße bauen ließ, kam es zu mehreren Todesfällen, auch auf Ammas Land, zu ökologischer Zerstörung und Bedrohung ihres Lebenswerks. Amma brach das Herz, sie überlebte nur knapp einen schweren Herzinfarkt. Als ich schließlich nach 30 Jahren Pause mit meinem Freund Kiara Windrider vor ihr stand, erkannte sie uns sofort wieder und war überglücklich. Wir waren zurück: zu Hause an der Quelle der Glückseligkeit. Wir konnten den weiten Geist Vater Bedes, der Jahre zuvor auf seine letzte Reise gegangen war, überall und in uns spüren. Amma bat mich um Hilfe, für ihr Land, ihre Liebe, ihr Lebenswerk. Eine Mauer musste her, um ihr Land und die Menschen auf ihm zu schützen – vor Unfällen und Erosion während des Monsuns, der die Wassermassen ungebremst von der erhöhten Straße auf ihr Land fließen ließ. 20.000 Euro brauchte es, die ich schnell sammeln sollte für eine Mauer im Süden Indiens für eine Frau, über die ich nichts erzählen, und einen Ort, der im Geheimen gehalten werden sollte.

Mir war nicht klar, wie ich in Deutschland, genauer von Golzow aus, diese Summe auftreiben sollte. Zum Glück zeigte Amma Einsicht bezüglich dieses Problems, erlaubte mir Einblick in ihre Welt, gab mir Bilder, erzählte Geschichten von Menschen, denen sie half, damit ich darüber berichten konnte, sie öffnete ihren Platz für die „äußere“ Welt und erlaubte mir, mit Menschen zu ihr zu reisen. Das war die Geburtsstunde von „Pink Lotus Reisen“, die jedes Jahr unter meiner Leitung Menschen an diesen Ort der Liebe führen, um ihn mit den Reisegeldern zu unterstützen. „Mein Leben lang blieb ich im Verborgenen, nun bin ich bereit, mich zu zeigen“, sagte sie mir. Ihre Auflage war: für das Sammeln der Spenden keine Internetpräsenz, es sollte nur meine persönlichen Erzählungen über sie geben. Daran hielt ich mich, fuhr nach Hause und erzählte, zeigte ihre Bilder, teilte ihre Geschichten der grenzenlose Liebe und Fürsorge. Nach kurzer Zeit erhielt ich eine erste anonyme Großspende und einige Monate später gab es ausreichend Kapital für eine deutsche Mauer als Liebesgeschenk an eine indische Nonne.

Die Anandawelt in Golzow

Seit 2002 lebe ich in Golzow im ehemaligen Pfarrhaus. Es steht gegenüber der Kirche mit dem höchsten Kirchturm Brandenburgs an der alten Handelsstraße der Mönche des nahegelegenen Klosters Chorin. Meine regionale Bildungsarbeit über die Bildungswerkstatt Berlin- Brandenburg hat hier genauso ein Zuhause gefunden wie meine Arbeit als Ausbilderin für die Tänze des Universellen Friedens, für die hier einer der Haupt-Schulungs- und Retreatplätze Europas ist. Als vor einigen Jahren die Idee aufkam, das Projekt hier zu erweitern zu einem Gästebetrieb und Seminarhaus, und wir auf Namenssuche waren, war schnell klar, welcher Geist hier weht: A – N – A – N – D – A! Von hier aus schlagen wir die Brücke von West nach Ost, über die wir jedes Jahr gehen. Hier spiegelt sich der Geist wider, den wir in „Ananda Ost“ finden. Es ist eine große Freude, die Hüterin eines Platzes zu sein, der mehr und mehr Segen und Liebe ansammelt durch die vielen verschiedenen wundervollen Dozenten, die hierher kommen mit ihren Gruppen. Und dafür bin ich sehr dankbar.

Fazit

Amma ist auf ihre letzte große Reise gegangen – welch schmerzlicher Verlust. Und doch lebt ihr Geist weiter. Wenn früher alle, die auf ihr Land kamen, zuerst zu ihr gingen, um begrüßt und gesegnet zu werden, besuchen die Menschen jetzt ihre Grabstätte am Eingang des Ashrams, bevor sie sich an ihr Tagwerk machen. Viele Erzählungen berichten von wundersamen Ereignissen, die Amma zugeschrieben werden und uns wissen lassen, dass sie weiter da ist. Durch die lange Pflegebedürftigkeit Ammas musste der Gästebetrieb eingestellt werden und der Ashram kam in eine bedenkliche Notlage. Viele Dalitfreunde mussten entlassen werden, in Armut und Hunger. Wir versuchen mit allen Mitteln, sie zurückzuholen oder zu unterstützen. Seit 2019 ist der Ashram auch für Gäste wieder geöffnet und Pink Lotus rollt erneut gen Osten. Die Reise 2020 ist ausgebucht, es gibt aber eine Warteliste. Doch wer dieses Mal nicht mitkommt: Jedes Jahr aufs Neue fahren wir Anfang Januar mit zwölf Menschen in Ammas Welt. Wir haben einen gemeinnützigen Verein gegründet – Blessananda e.V – und sind die einzige kontinuierliche Geldquelle, die den Platz am Leben erhält.

Eines unserer Projekte ist die Unterstützung der angegliederten Bless School – einer Schule im Niemandsland für die Dalitkinder oder die vielen Kinder der landlosen Landarbeiter, die über ein weites Gebiet verteilt in Palmhütten, Lehmverschlägen oder einfachen Häusern leben. Mit unserem Schulbus sammeln wir sie ein und bringen sie zu einer Schule, die ihnen eine Chance auf eine bessere Zukunft bietet. In einer Region Indiens mit einer Kindersterblichkeit von 75 Prozent ist ein Ort wie diese Schule für alle Kinder – vor allem die Kinder der entrechteten Dalits und auch für die Mädchen – überlebensnotwendig. Mit unserer Direkthilfe von nur zehn Euro im Monat schenken wir diesen Kindern und ihren Familien eine Zukunft. Wer teilhaben will an der Anandawelt, ist herzlich eingeladen! Du kannst dich über die Webseite vom Haus Ananda über unsere Termine und Aktivitäten informieren, dich zum monatlichen Newsletter anmelden und über den Verein Infos erhalten, wenn du uns mit der Direkthilfe durch eine Patenschaft oder Einzelspende unterstützen möchtest. Allen Lesern wünsche ich Orte wie diesen, wo der Himmel die Erde berührt und die Wand zwischen den Welten dünn wird. Ich wünsche Euch persönliche Wunder, die Erfahrung der göttlichen Gnade und den Kontakt mit Ananda, der immerwährenden Glückseligkeit.

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