von Anke Mrosla

Der Herbst bringt die Zeit der Ernte. Was wollen und werden wir in diesem Herbst an innerer und äußerer Ernte einbringen, wie werden wir Fülle und das Gefühl von genug Sein und genug Haben finden?

Versöhnung und Vergebung sind nicht dasselbe. Im Frühling diesen Jahres habe ich über das Thema Vergebung geschrieben. Jetzt im Herbst bin ich in meiner persönlichen Friedensforschung bei der Frage der Versöhnung angekommen. Vergebung ist etwas, das ich mit mir ausmachen kann und was nicht bedeutet, dass ich eine verletzte Beziehung fortsetze. In der Versöhnung geht es aber genau darum. Wenn ich mich um Versöhnung bemühe, kann ich in der Folge die Beziehung fortsetzen, in der die Verletzung oder Kränkung stattgefunden hat.

In diesem Sommer haben wir eine Bewegung zurück zu mehr Normalität in Bezug auf Corona erlebt. Wir haben uns wieder getroffen, gefeiert und miteinander Nähe und Verbundenheit geteilt. Die von der Bundesregierung neu aufgelegte Strategie für Herbst und Winter 22 spricht von Kann-Regeln. Es ist ein klares Signal, dass es nicht mehr zu radikalen Lockdown- Lösungen kommen soll. Das ist gut und richtig so. Was immer die Einzelnen in Bezug auf die Pandemie denken und fühlen, was immer auch trennend oder verletzend war für Menschen, die sich für Freunde und tief verbunden hielten und angesichts der Pandemie plötzlich vor scheinbar unüberwindlichen Gräben standen; jetzt ist vielleicht die richtige Zeit für Versöhnung in Familien und Freundeskreisen.

Beziehungen und Gemeinsamkeit pflegen

Wie wäre es also, wenn wir unseren Fokus neu ausrichten auf das, was uns verbindet, schon immer verbunden hat und wieder anknüpfen an die Nähe und Liebe, die wir für einander empfinden. Persönlich habe ich glücklicherweise in meinen allernächsten Beziehungen eher Verständnis und Einfühlung für die unterschiedlichen Sichtweisen der Menschen um mich herum erlebt. Im zweiten Kreis meiner Beziehungen, wo gute Freunde und langjährige Weggefährten ihren Platz haben im Beziehungsgeflecht, gab es aber diese Momente von Trennung und auch schmerzhafte Konsequenzen. Ich bin nicht dauerhaft bereit, mich damit zufrieden zu geben und die Menschen einfach loszulassen, mit denen ich mich so lange verbunden fühlte. Wie kann ich also zum Beginn dieser Erntezeit anknüpfen, wie die Hand ausstrecken und mitteilen, dass ich noch da bin auch wenn wir uns nicht einigen konnten oder können?

Meine erste Antwort dazu ist: ich will mein Interesse bewahren; ich will Dich fragen, was hast du bis jetzt erlebt; wie geht es dir mit der Haltung, die du eingenommen hast zur Pandemie, aber auch zum Krieg in der Ukraine, zur allgemeinen Kriegsangst und zur Unsicherheit in Bezug auf Klimawandel und den Entwicklungsbedarf in unserer Demokratie.

Ganz konkret erlebe ich gerade dieses Experiment der Verständigung unter Vielen in der Artabana-Bewegung. Artabana ist eine solidarische anderweitige Absicherung neben den gesetzlichen Krankenkassen und die Bewegung existiert seit über 30 Jahren. Mit Freunden habe ich 2002 eine Artabana-Gruppe gegründet und wir haben schon viele Krankheitsfälle, auch Krisen und Sterben überstanden. Die Pandemie und unsere Haltung zum Impfen, zur Regierung etc. hat auch in dieser langjährig verbundenen Gruppe zu starken Spannungen geführt. Und ich möchte mir die Zeit nehmen zuzuhören und dabei in mir den Urgrund von Vertrauen finden, wo sich Schuldgefühle oder Zuweisungen auflösen können und eine tiefere Sicht auf unsere Gemeinsamkeiten wieder fühlbar wird.

Auch in meiner Praxis höre ich oft Menschen über ihre Schuld- und Schamgefühle sprechen angesichts des eigenen Unvermögens Grenzen zu setzen, ebenso wie Brücken zu bauen. Diese Schwierigkeiten im sozialen Miteinander haben ihre Grundlage sehr häufig in den Mustern, die wir aus der Kindheit mitbringen. Miteinander in Kontakt zu bleiben, Menschen nicht abzuschreiben, sondern die Offenheit für den Dialog zu wahren scheint mir eine wertvolle Wachstumsgelegenheit zu sein, die sich für uns alle zur Zeit präsentiert.

Das bedeutet sowohl die Bereitschaft immer neu zu schauen, als auch den Mut auszugreifen, auch zu denen, die wir vielleicht mit unseren wertenden oder ängstlichen Äusserungen gekränkt haben. Kann ich meine Meinung relativieren, kann ich mich öffnen für eine tiefere Ebene von Menschlichkeit oder will ich lieber einsam auf dem kargen Felsen des „Rechthabens“ sitzen bleiben? Eine wichtige Voraussetzung für jede Bewegung an diesem Punkt ist das Gewahrsein, dass es keine alleinige Wahrheit gibt, dass jedes globale Geschehen heutzutage zu komplex ist, um auf ein einfaches richtig oder falsch herunter gebrochen zu werden.

Ein bisschen geistige Bescheidenheit könnte uns allen helfen die heilsame Erfahrung von Vergebung und dann vielleicht auch Versöhnung zu machen.

Bild im Text: © pexels

 

Weitere interessante Texte zu „Fülle“: www.ganzheitlich-gesund-potsdam.de/news

Über den Autor

Avatar of Anke Mrosla
Mehr Infos

Heilpraktikerin in eigener Praxis seit 2003 mit den Methoden Somatic Experiencing, Körperentpanzerung (PK), Übergangsriten, sowie Paar- und Sexualtherapie

In 2024 noch im ZEGG in Bad Belzig und bald auch in meinem eigenen Praxishaus, biete ich Frauenseminare zum Thema der Wechseljahre an. Das dahinterliegende Wissen kommt aus über 20 Jahren Arbeit mit Frauen im Rahmen meiner Tätigkeit als Trauma- und Sexualtherapeutin. Die moderne Frauenforschung und meine langjährigen Studien und eigene Erfahrungen mit Übergangszeremonien, vor allem in der schamanischen Tradition der Twisted Hairs fliessen mit ein.

In der Zeit meiner eigenen Wechseljahre entstand der Wunsch, diese entscheidende Phase im Leben aller Frauen tiefer zu verstehen. Bestärkt durch meine Erkenntnisse und berührende Forschungen im Kreis von Frauen habe ich in den letzten Jahre zwei Kurse entwickelt, um Frauen beim Durchsegeln des Wandels zu unterstützen. „Mit vollen Segeln durch die Wechseljahre“ initiiert Frauen in die Zeit des Wandels und „Die glühende Venus“ beleuchtet die Aspekte der sinnlich-erotischen Erfahrungswelt von Frauen in der zweiten Phase der Wechseljahre.

Die Frauenworkshops, die ich neben meiner trauma- und sexualtherapeutischen Praxis anbiete, dienen dem Austausch und sind exemplarischen Erfahrungsräumen zu den Themen der vier Phasen des Wechsels gewidmet.

Die nächsten Termine, der podcast zum Thema und Infos finden sich hier:

Link: https://www.zegg.de/de/wissen-medien/zegg-podcast/14-mit-vollen-segeln-durch-die-wechseljahre-mit-anke-mrosla

Link: https://www.lebenswege-initiationen.de/workshops.html



Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*