Die Behandlung von Schmerzen zählt bis heute zu den wichtigsten Anwendungsgebieten der Hypnose. Durch Hypnotherapie kann man den Schmerz im Gehirn durch mentale Bilder und Super-Konzentration blockieren.

Von Kristin Graf

Die Behandlung von Schmerzen zählt bis heute zu den wichtigsten Anwendungsgebieten der Hypnotherapie. Und obwohl der Eindruck entstehen kann, dass Hypnose eine neuartige Erscheinung ist, weil sie erst seit relativ kurzer Zeit in der modernen Schulmedizin Anwendung findet, ist ihre Wirkung auf das menschliche Schmerzempfinden schon erstaunlich lange bekannt. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts galt Hypnose als eines der wenigen wirklich wirksamen Schmerzmittel. Dieses Wissen geriet mit Einführung des Äthers 1846 und des Chloroforms 1847 allerdings schnell in Vergessenheit und findet erst seit wenigen Jahren seinen Weg zurück in die Krankenhäuser.

Doch dieser Prozess schreitet nur langsam voran und Hypnose findet häufig nur da Beachtung, wo klassische Narkosemittel versagen oder nicht angewendet werden können (beispielsweise wegen einer Unverträglichkeit oder in der Schwangerschaft). Auch im Zweiten Weltkrieg erinnerte man sich an diese alte Methode der Schmerzregulierung, wenn Narkosemittel fehlten, und so wurden durch Militärärzte schwerste Operationen mit ihrer Hilfe ausgeführt.

Neueste Erkenntnisse der Hirnforschung

Doch was genau geschieht im Gehirn, wenn durch Hypnose Einfluss auf das Schmerzempfinden des Patienten genommen wird? Erstaunlicherweise kommt der Schmerzimpuls zwar im Gehirn an, aber er wird nicht so verarbeitet, wie es im Wachzustand der Fall wäre. Das heißt, der Patient spürt etwas, und je nach Tiefe des hypnotischen Zustands nimmt er entweder gar nicht wahr, dass dies ein Schmerz ist, oder er registriert einen Schmerz, leidet aber nicht darunter. Er gewinnt also eine Distanz zu der Körperempfindung. Der Reiz wird von den höheren Hirnregionen nicht mehr als Schmerz festgestellt, und das Nervensystem aktiviert stattdessen verstärkt andere Regionen des Großhirns.

Der Harvard-Psychologe Kosslyn sagt hierzu, der Geist falle in „eine Art ‚Super-Konzentration‘, in der die mentalen Bilder so stark werden können, dass sie die tatsächliche Wahrnehmung blockieren.“

Hypnose bei Operationen

Ich verwende für dieses Phänomen der „Super- Konzentration“ gerne das Bild von vielen tausend kleinen Lämpchen, die normalerweise bildhaft gesprochen im Gehirn leuchten. Unter Hypnose erlöschen alle Lämpchen bis auf eines, das dann besonders hell strahlt. Das Schmerzzentrum kann also in einem tiefen hypnotischen Trancezustand wie ein Lämpchen komplett ausgeschaltet werden. Da hierfür aber eine besonders tiefe Trance notwendig ist, ist das Risiko, dass der Patient doch leidet, für Ärzte heute zu hoch. Deswegen wird üblicherweise bei Operationen mit Hypnose zusätzlich lokal betäubt. Die Dosis beträgt aber nur ein Prozent einer Vollnarkose, wodurch erheblich weniger Nebenwirkungen auftreten. Außerdem haben Patienten, die in Trance operiert werden, nachweislich weniger Komplikationen, bekommen weniger Entzündungen und erholen sich anschließend schneller.

Zudem verdoppelt Hypnose die Erfolgsrate bei künstlichen Befruchtungen, lindert Symptome des Ohrenpfeifens Tinnitus und dämpft selbst allergische Reaktionen. Die Effekte sind nachweislich größer als die eines Placebos.

Verliere ich unter Hypnose meine Willenskraft?

Viele Menschen schrecken vor Hypnose zurück, weil die so genannte „Showhypnose“ dem Ruf dieser faszinierenden Therapieform erheblichen Schaden beigebracht hat. Denn nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist die Willenlosigkeit unter Hypnose ein Vorurteil. Wenn also Menschen in einer Show dazu gebracht werden, merkwürdige Dinge zu tun, dann tun sie dies nur, weil sie es auch im Wachzustand tun würden, weil sie es wollen oder weil sie durch Druck und Gruppenzwang dazu gebracht werden. Mit seriöser Hypnotherapie hat das wenig zu tun. Im Gegenteil, es fördert eine skeptische, ängstliche Haltung, die unberechtigt ist, denn Hypnose ist kein Hexenwerk. Im hypnotischen Zustand der so genannten Trance befindet sich nämlich jeder Mensch mehrmals am Tag ganz automatisch.

Besonders gut kann man sich das vorstellen, wenn wir an unseren Bewusstseinszustand kurz nach dem Aufwachen oder kurz vor dem Einschlafen denken. Wenn wir uns in dieser „Zwischenwelt“ aufhalten, in der innere Bilder durch unser Bewusstsein wandern und unsere Gedanken nicht mehr oder noch nicht linear verlaufen. Dies geschieht, weil unsere Gehirnwellen langsamer schwingen, es sind also nicht nur die schnellen Beta-Wellen unseres Wachbewusstseins aktiv, sondern auch Alphaund Theta-Wellen. Wenn ausschließlich Alpha- und Thetawellen schwingen, dann schlafen wir. Sind es mehr Alpha-Wellen, träumen wir, wenn größtenteils Theta-Wellen aktiv sind, befinden wir uns im Tiefschlaf. Besonders interessant ist der Zustand, wenn all diese Wellenfrequenzen gleichzeitig schwingen, denn dann sind wir noch aktiv mit unserem Bewusstsein anwesend und können dennoch Einfluss auf unser Unbewusstes nehmen.

Hier ist es möglich, von außen unser mächtiges Unbewusstes beeinflussen zu lassen oder es in der Selbsthypnose selbst zu beeinflussen. Viele Heilmethoden arbeiten mit diesem speziellen Bewusstseins zustand. Auch beim Mentaltraining findet er Anwendung, wenn wir zum Beispiel bestimmte Ziele im Leben erreichen oder negative Gefühle transformieren wollen. Wir kennen diesen Zustand auch von Meditationen oder können ihn beim Yoga erfahren. Es ist diese besondere Form der Innenschau, der Einkehr, des Sich-Verbunden-Fühlens. Er ist für den Körper sehr wohltuend und erholsam.

Chronische Schmerzen und was man dagegen tun kann

Auch bei chronischen Schmerzen findet die Technik, sich in einen Trancezustand zu versetzen, Anwendung. Bereits 1893 wurde beispielsweise erstmals die Anwendung von Hypnose bei Migräne beschrieben. Ganz praktisch verläuft eine Sitzung häufig so, dass der Hypnotherapeut den Patienten nach einem intensiven Vorgespräch dazu einlädt, in einen angenehmen Zustand der Ruhe zu sinken. Sich vollkommen zu entspannen, die Augen zu schließen und sich auf den eigenen Atem zu konzentrieren. Je nach Verfahren wird der Patient zu Beginn auch gebeten, beispielsweise einen Punkt im Raum zu fixieren und erst danach die Augen zu schließen. Meist beginnt nun eine Art Traumreise, und der Schmerzpatient begibt sich mental an einen Ort, an dem er sich vollkommen wohl fühlen kann.

Es gibt nun ganz unterschiedliche Möglichkeiten, wie man hier das Schmerzempfinden beeinflusst. Je nach Therapeut und Patient wird ein passendes Bild vorgegeben, das nun visualisiert wird. Das kann beispielsweise eine Pfanne sein, die auf eine heiße Herdplatte gestellt wird. Danach legt der Patient in seiner Vorstellung ein Stück kalte Butter darauf und sieht zu, wie sie zu schmelzen beginnt. Während dieses Prozesses kann er gebeten werden, sich vorzustellen, wie der eigene Schmerz in dieses Stück Butter hineinfließt und mit ihr schmilzt. Er kann auch zu Beginn „mein Schmerz“ auf die Butter schreiben, der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

Es gibt viele mögliche Bilder, die verwendet werden können. Auch ein brodelnder Vulkan, der langsam erkaltet, kann helfen oder es wird im Geist eine Art „Regler“ installiert, mit dem der Schmerz heruntergeregelt werden kann. Für manche Menschen ist es passender, sich vorzustellen, dass sich der Schmerz im Körper zusammenzieht, bis er eine feste Kugel wird, die dann wiederum schmilzt und durch den Körper in die Erde fließt. Bei chronischen Schmerzen können solche oder ähnliche Vorstellungen im Zustand der Trance den Schmerz lindern oder sogar komplett auflösen. Oftmals kehren die Schmerzen irgendwann zurück, aber je öfter mit Hypnose gearbeitet wird, desto leichter reagiert der Körper darauf.

Dieser Effekt wird auch bei Selbsthypnose beobachtet, was den Patienten die Möglichkeit gibt, unabhängig und flexibel sich selbst zu helfen. Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Schmerztherapie mit Hypnose ist allerdings die eigene Bereitschaft, sich darauf einzulassen und mit sich zu arbeiten. Kein Hypnotiseur kann Schmerzen nehmen, aber er kann lenken und führen und zeigen, wie es möglich ist, sich selbst zu helfen. So kann der Betroffene aus der passiven Opferrolle herausgehen und wieder selbstbestimmt( er) und aktiv(er) sein Wohlbefinden beeinflussen.

Geburt und Hypnose

Aus diesem Grund wird Hypnose auch bei der Geburtsvorbereitung immer attraktiver. Die schwangeren Frauen erheben sich aus der passiven Rolle, geben die Verantwortung für ihre Geburt nicht mehr an Hebammen und Ärzte ab, sondern nehmen sie ganz zu sich, verbinden sich mit sich selbst, mit ihrem Baby und ihrer weiblichen Kraft. Und genau an diesem Punkt kann sich alles umdrehen und eine Geburt zu einem unglaublich schönen und stärkenden Erlebnis werden. Ich selbst durfte erfahren, wie Schmerzen unter Selbsthypnose im Geburtsprozess vollkommen ausblieben. Während der Schwangerschaft einen sicheren Weg in die Selbsthypnose zu lernen und zu üben ist unglaublich wertvoll für das bevorstehende Wunder der Geburt. Und nicht nur hierfür, denn dieses Wissen darf natürlich auch in anderen zukünftigen Lebenssituationen angewendet werden, nicht nur zur Schmerzregulierung.

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