Wer bin ich, und wenn ja…wie viele?“, ist nicht nur der Titel eines Bestsellers von Richard David Precht, sondern auch Grundlage eines neuen Denkens in der Psychotherapie und im Coaching. Nicht nur traumatisierte Menschen oder multiple Persönlichkeiten machen die Erfahrung des ambivalenten und widersprüchlichen Selbst, auch wir normal neurotisierten Menschen haben es mit Teilpersönlichkeiten wie dem inneren Kind, dem inneren Kritiker oder dem inneren Rebellen zu tun.

Von Oliver Bartsch

 

Menschen in unserer westlichen Kultur sind gewohnt, sich als eine zusammenhängende, ganze Persönlichkeit zu sehen, als ein „Ich“, das aus einer einheitlichen Perspektive heraus denkt, fühlt und handelt. Bei aufmerksamer Beobachtung wird aber deutlich, dass eine Person sich in unterschiedlichen Situationen völlig unterschiedlich verhalten kann, so als wären jeweils unterschiedliche Persönlichkeitsteile im Vordergrund. Eine Person kann sich zum Beispiel jeweils wie ein anderer Mensch fühlen, wenn sie innerhalb kurzer Zeit mit dem Vorstand spricht, der Sekretärin Anweisungen gibt und mit einer guten Freundin telefoniert.

Wie normal ist es, wenn sich unterschiedliche Teile oder Stimmen im eigenen Inneren zu Wort melden? Die Erkenntnis, das wir mehrere Seelen oder Stimmen in unserer Brust haben, gab es nicht erst seit den Psychotherapeuten und der Entdeckung des Unbewussten, auch in der Literatur und der Philosophie gab es diese Ideen, spätestens seit der Dichtung der Romantik, wenn Liebende in der Seele ganz zerrissen waren zwischen Standesbewusstsein und Gefühlen.

Wenn man mit Menschen den Ablauf ihrer Gedanken, Gefühle und Handlungen erforscht, berichten viele von unterschiedlichen Teilen oder Stimmen, die oft auch kontroverse Sichtweisen über kleine Alltags- oder größere Lebensfragen haben. Beobachten kann man das in vielen alltäglichen Situationen wie zum Beispiel nach dem Erhalt einer privaten Einladung zur Geburtstagsfeier des Chefs: „Ja, die ist wichtig für meine berufliche Karriere“, sagt der ehrgeizige Karrieremensch in dir: „Nein, meine Freizeit und Familie ist mir wichtiger“, sagt der Familienmensch in dir, und schon kämpfen zwei unterschiedliche Anteile um die Vorherrschaft, was innerlich eine Teamsitzung auslöst, die bei einem funktionierenden Selbst zu einer Entscheidung führt, mit der alle Teilpersönlichkeiten leben können. Dies hat in der Psychologie bereits Anfang des 20. Jahrhunderts dazu geführt, Modelle zu entwickeln, die – trotz der allgemeinen Sicht der Einheitlichkeit – der Vielschichtigkeit, Multidimensionalität und Multiplizität der menschlichen Psyche gerecht werden wollten.

Die Geschichte der Erforschung der Psyche

Mit seiner Beschreibung von Es, Ich und Über-Ich machte Sigmund Freud (1856-1939) den ersten Schritt zur Erforschung der Multiplizität der Psyche. Auch Freuds Schüler C. G. Jung (1875-1961) führte den Gedanken, dass wir viele Bewusstseinsformen in uns tragen, mit seiner Lehre von den Archetypen einen Schritt weiter. Jungs Zeitgenosse Roberto Assagioli (1888-1974) und sein Schüler Piero Ferrucci (geb. 1946) entwickelten mit ihrer Schule der Psychosynthese einen der ausgefeiltesten Ansätze dazu, die Psyche des Menschen als eine Ansammlung von verschiedenen, individuell sehr unterschiedlichen Teilpersönlichkeiten zu sehen. Weitere Ansätze folgten in den 70er Jahren mit der Transaktionsanalyse von Eric Berne (1910-1979) und dem „inneren Team“, das der Kommunikationspsychologe Friedmann Schulz von Thun (geb. 1944) 1998 in die Diskussion einbrachte.

In der heutigen Zeit gibt es eine Vielzahl von therapeutischen Schulen und Methoden, die sich gegenseitig befruchten und beeinflussen und die von der Grundannahme ausgehen, dass die menschliche Psyche aus voneinander abgegrenzten Teilpersönlichkeiten besteht, die jeweils eigene Motivationen, Denk- und Fühlweisen haben. Als bekannteste Psychotherapiemethoden, die explizit auf dem Modell der Teilpersönlichkeiten beruhen, dürften heute die Ego-State Therapie von John und Helen Watkins (entwickelt aus der Arbeit mit Traumapatienten 1980) und das Internal-Family-System (IFS) von Richard C. Schwartz sein (entwickelt aus der Arbeit der systemischen Familientherapie 1980). Eine Sonderstellung nimmt der deutsche Therapeut Artho S. Wittemann ein, der sich seit Ende der 80er Jahre intensiv mit Fragen der systemischen Selbstorganisation der Psyche beschäftigte und lange Zeit Schüler, dann Mitarbeiter von Dr. Hal und Dr. Sidra Stone, den Begründern der Voice-Dialogue-Methode war. Gemeinsam mit seiner Fau Veeta schlug er anschließend einen eigenen Weg ein, den er unter dem Begriff „IndividualSystemik“ zu einer umfassenden psychologischen Theorie und Praxis weiter entwickelte.

Traumapsychologie

Natürlich kann die Frage „Sind wir alle multipel?“ oder die Frage „Gibt es eine multiple Persönlichkeitsstörung?“ nicht abschließend mit ja oder nein beantwortet werden, denn die Psyche oder Seele ist nach wie vor eine Blackbox, die wir ungeachtet der Erfolge der Gehirnforschung nicht messen oder direkt beobachten können. Deshalb besitzt jede Therapieschule ein eigenes Modell der Psyche, die aber untereinander erstaunlich viele Gemeinsamkeiten aufweisen: Fast allen Modellen gemeinsam ist die Annahme, dass es unterschiedliche Grade der Bewusstheit über die verschiedenen Teilpersönlichkeiten und unterschiedliche Grade der Verbundenheit zwischen Teilpersönlichkeit und Selbst gibt. Ebenso einig ist man sich darüber, dass es einen Bereich in der Psyche gibt, der die Teilpersönlichkeit leitet oder lenkt, dass es einen Chef im Orchester der Vielstimmigkeit gibt, dessen letztes Wort Ordnung in die unterschiedlichen Bestrebungen einbringt. Roberto Assagioli hat den Begriff des „Höheren Selbst“ dafür geprägt, andere Begriffe dafür sind „Selbst“, „Organismische Selbstregulation“ oder „Innere Führung“.

Nun können Teilpersönlichkeiten entweder gut miteinander über ein entwickeltes Selbst verbunden sein oder unverbunden oder abgespalten vom Selbst sein. Im letzteren Fall spricht man von einer multiplen Persönlichkeitsstörung oder einer dissoziativen Identitätsstörung, die durch ein Trauma ausgelöst wurde. Je verbundener und bewusster die Teilpersönlichkeit miteinander agieren, desto authentischer agiert der Mensch, je unverbundener und unbewusster die Teilpersönlichkeit agieren, desto mehr haben wir es mit therapeutischen oder klinischen Fällen zu tun, wo dissoziierte Schattenanteile, Gedächtnislücken oder sogenannte Fugues entstehen können: Zeiten, an die der Klient sich nicht erinnern kann und Orte, wo der Klient nicht weiß, wie er da hingekommen ist, weil ein sogenannter „Alter“ (Alternativpersönlichkeit) die Regie übernommen hat. Wir haben es also mit fließenden Übergängen in der Verbundenheit und Dissoziation von Teilpersönlichkeit zu tun, je nachdem, wie lange und wie schwer traumatische Erlebnisse auf die Psyche eingewirkt haben.

Entstehung und Entwicklung von Teilpersönlichkeiten

Alle unsere Persönlichkeitsanteile entstehen mit dem Ziel, uns bei der Anpassung an körperliche, seelische und soziale Bedürfnisse zu helfen. Diese unterstützende Funktion bezeichnen wir als positive Absicht unserer Teile. Manchmal kann es schwer sein, die positive Absicht zu erkennen, wenn das, was wir wahrnehmen, etwas Destruktives ist. Wichtig ist, zu erkennen, dass alle Teilpersönlichkeiten entstanden sind in der ursprünglichen Absicht, uns zu unterstützen und zu helfen, auch wenn sie manchmal im Laufe der Zeit zur Behinderung oder Störung geworden sind.

Wie in größeren sozialen Systemen gibt es innerhalb der Persönlichkeit zwischen den verschiedenen Teilen Zusammenarbeit und Konkurrenz. In gewissem Sinn haben alle Teile die Tendenz, sich in der Gesamtpersönlichkeit einen besonderen Platz zu suchen. Dazu bilden sie Koalitionen und es entstehen Polarisierungen – verschärfte Gegensätze – mit anderen Teilen. Ziel der Therapien ist es, die verschiedenen Teilpersönlichkeiten zu integrieren und dem Selbst die Fähigkeit zurückzugeben, seine organismische Selbstregulation und Steuerungsfunktion auszuführen.

Psychosynthese

Als Entdecker der Multiplizität der Psyche und des „Höheren Selbst“ gilt der italienische Psychoanalytiker Roberto Assagioli und sein Schüler Piero Ferrucci, die mit der Psychosynthese eine detaillierte therapeutische Methode entwickelt haben, die als erste transpersonale Psychotherapie gelten kann. Sie haben den berühmten Satz „Jeder von uns ist eine Menschenmenge“ geprägt und gingen davon aus, dass „eine der trügerischsten Illusionen, denen wir uns hingeben können, die Überzeugung ist, dass wir ein unteilbares, einteiliges und unveränderbares Wesen sind.“ Teilpersönlichkeit sind in der Psychosynthese Eigenbilder und damit auch ein Ganzes, „bestehend aus Körperhaltung und Bewegung, Gebärden, seelischen Zuständen, Verhaltensweisen, Redensarten, Gewohnheiten und Meinungen.“

Auch die Idee des höheren Selbst ist in der Psychosynthese geboren: „Für die Psychosynthese ist das einzige unbestreitbar Sichere am menschlichen Phänomen das Selbst, der zentrale Bezugspunkt, den zu leugnen unmöglich und von dem sich zu entfernen gefährlich ist.“ Dieses Zentrum ist in der Lage, alle anderen Teile zu führen, zu koordinieren und zu regulieren. Das Selbst ist dabei der einzige Teil, der in sich gleich bleibt, im Gegensatz zu den anderen Teilen, die Veränderungsprozessen unterliegen.

In der Psychosynthese geht man davon aus, dass die Teilpersönlichkeiten in einem ständigen dynamischen Veränderungsprozess neu entstehen und vergehen. Das Selbst neigt nach Ansicht der Psychosynthetiker dazu, sich mit einer Teilpersönlichkeit zu identifizieren, so dass es Ziel der Therapie ist, zu einer De-Identifikation beizutragen. Dies kann dadurch entstehen, dass Teilpersönlichkeiten in geleiteten Phantasien, Trancearbeit und inneren Dialogen visualisiert werden und dadurch eine Distanz entsteht, die zu einer Integration führt.

Die Psychosynthese stellt auch eine Nähe zu der Archetypenlehre von C.G. Jung her, indem sie von Teilpersönlichkeiten als degradierte, verzerrte Gestalten der ursprünglich strahlenden Archetypen spricht: „So kann die hyperaktive Teilpersönlichkeit als Verzerrung des Archetyps Energie gesehen werden. Der notorische Verführer ist verwandt mit der Liebe in der reinsten Form und die Teilpersönlichkeit Starrkopf kann ein Ausdruck entstellten Willens sein.“

Ego-State Therapie

Die Ego-State Therapie wurde von dem amerikanischen Psychologen-Ehepaar Helen und John Watkins etwa 1980 aus der Hypnotherapie heraus entwickelt und findet Anwendung bei Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), bei Borderline, Angst- oder Sexualstörungen und dissoziativen Identitätsstörungen.

Die Pioniere der Hypnotherapie hatten bei ihrer langjährigen Arbeit mit multiplen Persönlichkeiten herausgefunden, dass es in jeder Person verschiedene Ich-Zustände (Ego-States) gibt, die durch mehr oder weniger durchlässige Grenzen voneinander getrennt sind. Ein Ich-Zustand wird definiert als eine Einheit von Verhaltensweisen und Erfahrungen, die durch einen gemeinsamen Faktor verbunden und von anderen solchen Entitäten durch mehr oder weniger durchlässige Grenzen getrennt sind. Der Grad der Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Ich-Zuständen (also wie gut sie untereinander kommunizieren) entscheidet zwischen Normalität, Neurose, Borderline-Störung oder dissoziativer Identitätsstörung.

Die Ego-State-Theorie geht davon aus, dass es in einem gesunden Menschen 5 bis 15 solcher Ich-Zustände gibt, die im Zuge der normalen Kindheitsentwicklung entstanden, klar bewusst sind und vom „Selbst“ gelenkt werden. Solche gesunden Ich-Zustände sind Anteile aus dem „Alltags-Team“, z. B. der „kompetente Fachmann“, der vor den Kollegen einen Fachvortrag halten kann, oder die „gute Gastgeberin“, die den Kaffee von rechts nachschenken kann, oder der „coole Typ“ in der Disco, oder der begeisterte „Radrennfahrer“. Das sind Ich-Zustände, über die der gesunde Mensch verfügt und je nach Bedarf zwischen ihnen umschalten kann.

Helen Watkins beobachtete, dass viele Menschen an unbewussten Konflikten leiden, die durch unintegrierte innere Ich-Zustände verursacht werden. So stecken beispielsweise hinter Problemen wie Über- oder Untergewicht, Suchtstörungen, Arbeitsstörungen oder Sexualstörungen Ich-Zustände, die eine Polarität miteinander bilden. Schließlich gibt es auch noch abgespaltene Ich-Zustände, die bei traumatischen plötzlichen oder lang anhaltenden Erfahrungen bewirken, dass der Teil, der diese Erfahrung gemacht hat, diese Energie speichert und vom Rest der Persönlichkeit abspaltet.

Abgespaltene Ich-Zustände erscheinen so, als hätten sie eine „eigene Persönlichkeit“, mit eigenen Gefühlen und Gedanken. Sie halten ihre Existenz für hilfreich und überlebenswichtig und sind potentiell auf lebenslanges Bestehen angelegt. Manche kennen sich gegenseitig und sind miteinander in Kontakt. Andere sind gänzlich abgespalten, sowohl untereinander als auch vom Kern-Selbst. Diese Ich-Zustände stehen dem bewussten Zugang nicht mehr zur Verfügung und können nur noch mittels Trance oder Hypnose zugänglich gemacht werden.

IFS (Internal Family Systems)

In der gleichen Zeit, in der Helen und John Watkins ihre Ego-State-Therapie entwickelten, hat der amerikanische Familientherapeut Richard Schwartz das Konzept der Multiplizität der Psyche und modernes systemisches Denken aus der Familientherapie zusammengeführt. Er nennt seine Methode IFS, was im englischen Internal Family Systems heißt und auf deutsch Inneres Familiensystem. In seinem Modell der Psyche tragen wir verschiedene Wesen oder Teilpersönlichkeiten in uns, sodass die üblichen Methoden des systemischen Familientherapeuten, sich einem System anzunähern, auch beim Individuum gelten: „Eine Teilpersönlichkeit ist nicht nur ein vorübergehender emotionaler Zustand oder ein gewohnheitsmäßiges Gedankenmuster. Vielmehr ist es ein einzelnes und autonomes Denksystem, dass seinen eigenen Emotionsbereich, Ausdrucksstil, seine eigenen Fähigkeiten, Wünsche und seine eigene Weltsicht hat.“

Ziel des IFS ist die Freisetzung von Ressourcen, die zuvor in polarisierten Beziehungen der Teile untereinander gebunden waren. Das innere Familiensystem ist dabei ein Spiegelbild von äußeren Systemen wie Familie oder Gesellschaft und reagiert auch nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten. So wie eine Gesellschaft oder eine Familie nicht ohne Führung sein kann, braucht auch das innere Familiensystem eine Führung in der Instanz des Selbst. Dieses Selbst unterscheidet sich von den Teilpersönlichkeit. Teilpersönlichkeit sind mittels imaginativer Prozesse sichtbar, das Selbst jedoch kann in sich nicht zerstört, abgespalten oder dissoziiert werden. Es kann aber von extremen Teilpersönlichkeit verdeckt und so seiner Führung beraubt werden.

In der Arbeit mit dem Klienten lernt der Therapeut dann die Beziehungen im Beziehungsgeflecht der Teilpersönlichkeiten kennen, er entdeckt Bündnisse, betrachtet Grenzen zwischen den Teilpersönlichkeit und erkennt, wie innere und äußere Ebenen sich gegenseitig beeinflussen. Richard Schwartz beobachtet, dass wir „gewöhnlich den ganzen Tag über von Teilpersönlichkeit zu Teilpersönlichkeit wechseln. Wegen der Geschwindigkeit und Flüssigkeit, die diese Prozesse für die meisten von uns haben, und der Tatsache, dass wir einen zu eingeschränkten Wortschatz besitzen, um zwischen diesen inneren Teilen zu unterscheiden, achten wir gewöhnlich nicht darauf, auf welche Art und Weise diese innere Gemeinschaft ihre Angelegenheiten verfolgt.“

Innere Systeme geraten in Ungleichgewicht, wenn es zu Polarisierungen kommt. Menschen übernehmen dabei oft die Beziehungen zu Teilpersönlichkeit, die ihnen die Eltern vorleben: „Werte und Interaktionsmuster in der Ursprungsfamilie eines Menschen formen dessen innere Beziehungen. Er wird manchen Teilpersönlichkeit mehr und anderen Teilpersönlichkeit weniger Ressourcen, Einfluss und Verantwortung überlassen.“

Schwartz differenziert die Teilpersönlichkeit in drei Formen:

  • Manager sind Teilpersönlichkeit, die sich im Alltag an vorderster Front aufhalten und sich schützend und strategisch verhalten. Sie neigen zur Umgebungskontrolle und wollen Sicherheiten aufrechterhalten. Ihre Funktion ist es, die verletzlichen, sensiblen Teilpersönlichkeit zu schützen. Sie weisen Charakteristika von Abwehrmechanismen auf. Innere Manager sind beispielsweise der „Multitasker“, der „To-do-Listen-Schreiber“ oder der „innere Kritiker“.
  • Verbannte sind Teilpersönlichkeit, die sehr sensible, verletzliche Merkmale aufweisen oder auch gesellschaftlich unerwünschte Merkmale wie Hass, Wut und Zorn. Sie werden von den Managern zum Schutz des Systems eingesperrt. Sie melden sich indirekt über Körpersymptome oder neurotische Störungen. Typische Verbannte sind das „innere Kind“, der „Träumer“ oder das „innere Tier“.
  • Feuerbekämpfer sind Teilpersönlichkeit, die dann einschreiten, wenn die Manager die Verbannten nicht mehr unter Kontrolle haben. Der Feuerbekämpfer kommt im Notfall, wenn das System bedroht ist davon, mit Schmerzen überflutet zu werden. Sie reagieren mit Flucht, Kampf, Erstarrung oder Abspaltung. Feuerbekämpfer ist beispielsweise der „innere Rebell“ oder der „innere Abspalter“. Feuerbekämpfer weisen dissoziative Merkmale auf und spielen auch bei extremen Suchtverhalten und Essstörungen eine Rolle.

IndividualSystemik

Die deutschen Therapeuten Artho S. Wittemann und Veeta I. Wittemann leiten seit 1994 gemeinsam das Institut für IndividualSystemik, erkunden die Welt der Inneren Personen und forschen nach Zusammenhängen und Strukturen in der Psyche. Sie gehen in ihrem Modell der Psyche von einer systemischen Selbstregulation aus und haben fünf innere Teilpersönlichkeit ausgemacht, die jeweils aus mehreren Schichten von Reaktionshaltungen bestehen, die ihre ursprüngliche Essenz schützen und verbergen. Die fünf inneren Teilpersönlichkeit bezeichnen sie als Kontinente, die sich über die fünf Sprachen der Psyche Körper, Emotion, Symbol, Wort und Energie mitteilen. Die inneren Personen stammen aus fünf archetypischen Räumen menschlicher Erfahrung: Aus dem weiblichen, männlichen, kindlichen, instinkthaften und spirituellen Raum.

Wenn alle fünf archetypischen Teilpersönlichkeit von ihren Reaktionshaltungen befreit werden und ihre göttliche Essenz leben können, befindet sich der Mensch wieder in der systemischen Selbstregulation und damit im authentischen Selbst.

Wahres Selbst

Allen Therapien, die mit Teilpersönlichkeits-Modellen arbeiten, ist die Integration von polarisierten oder abgespaltenen Teilpersönlichkeiten das wichtigste Anliegen. In allen Teilpersönlichkeits-Modellen taucht ein unzerstörbarer Kern auf, das Selbst, höheres oder authentisches Selbst oder systemische oder organismische Selbstregulation genannt wird. Um diese Entwicklungsstufe zum „Wahren Selbst“ zu erreichen, ist es jedoch zunächst einmal nötig, in der therapeutischen Schattenarbeit alle unbewussten, unverbundenen Teilpersönlichkeit, Masken oder Rollen bewusst zu machen und zu integrieren.


Literatur

Stefanie Stahl: Das Kind in dir muss Heimat finden – der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme, 288 Seiten, Kailash 2015, 14,99 €

Tom Holmes: Reisen in die Innenwelt – Der Selbsterfahrungsguide in Bildern, 160 Seiten, Kösel 2010, 14,80 €

Michaela Huber: Viele sein. Ein Handbuch. Komplextrauma und dissoziative Identität – verstehen, verändern, behandeln, 528 Seiten, Jungfermann 2011, 43 €

Jochen Peichl: Jedes Ich ist viele Teile: Die inneren Selbst-Anteile als Ressource nutzen, 160 Seiten, Kösel 2010, 16,99 €

Friedemann Schulz von Thun: Das innere Team in Aktion. Praktische Arbeit mit dem Modell, 224 Seiten, rororo 2004, 9,99 €

Richard C. Schwartz: IFS Das System der inneren Familie, Ein Weg zu mehr Selbstführung, 156 Seiten, BOD 2008, 13,80 €

Artho Stefan Wittemann: Warum wir erst anfangen, uns selbst zu verstehen – Die Architektur der Innenwelt, 380 Seiten Kamphausen 2009, 24,70 €

Veeta Wittemann: Die Geheimen Bewohner der Seele und wie sie unser Leben bestimmen, 240 Seiten, Orlanda 2011, 17,90 €

Eine Antwort

  1. gast-on

    Oder es gibt NUR das HS (höheres Selbst) und eine schier fast unendliche Menge an Programmen und Glaubenssätzen. Welche je nach Situation sich selbständig „ein- und ausschalten“.

    Dadurch entsteht diese Identifizierung des HS mit den sog. Persönlichkeiten.
    Aber im Grunde gibt es keine Ichs oder Persönlichkeiten.
    Nur das HS welches unterschiedliche „Rollen“ aufgrund dieser Programme „spielt“.

    Der Mensch muss/soll sich nur auf sein HS besinnen, dann wäre die Welt bald heil!
    🖒

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