Wenn Kinder sich an vergangene Leben erinnern…

von Frauke Banz

Haben Sie das schon einmal erlebt? Ihr Kind steht plötzlich vor Ihnen und sagt: „ Also weißt du, früher, als ich groß war, gab es noch gar keine Autos.“ Sie denken vielleicht zuerst an eine Phantasiegeschichte und hören nur mit einem halben Ohr hin…und dann erzählt Ihr Kind seltsame Details von Pferdefuhrwerken, einem Stallmeister und dem Haus, in dem es einmal wohnte. Es beschreibt eine Landschaft und benutzt Namen, die heute gar nicht mehr üblich sind. Spätestens da hören Sie genauer hin, stimmt´s? Vielleicht haben Sie ein ganz untrügliches Gefühl dafür, dass Ihr Kind etwas ausgesprochen hat, was wahr ist. Es ist in unserer Gesellschaft noch nicht normal, ganz selbstverständlich davon zu reden – es sei denn, Sie leben in einer hinduistisch oder buddhistisch geprägten Kultur. Ich spreche von der Erinnerung an frühere Leben. Man könnte auch sagen, dem Gewahrsein von Reinkarnation. Was bedeutet Reinkarnation? Das Wort hat seinen Ursprung im Lateinischen und setzt sich aus drei wesentlichen Silben zusammen: re – zurück, in – innerhalb, carne – Fleisch. Übersetzt also: zurück im Fleisch, zurück im Körper. Doch was ist zurück im Körper? Wir sprechen hier von der Seele, dem Hauch, dem Atem Gottes, der von einer nichtstofflichen Ebene zurückkehrt in einen neuen Körper.

Damals im Krieg…

Die Gründe der Wiederkehr der Seele und die Gesetze des Karmas lassen wir heute einmal außen vor und widmen uns ganz dem Phänomen, dass Kinder sich (oft) leichter an frühere Leben erinnern, als das Erwachsene tun. Meist im Alter von drei bis fünf Jahren sprechen Kinder ganz unbedarft von ihren früheren Leben. In einem Alltag, in dem viel erzählt wird, mag das vielleicht untergehen – dennoch kommt es weit häufiger vor, als man denkt. So hat mir mein Sohn zum Beispiel im Alter von vier Jahren während einer Fahrstuhlfahrt ganz unvermittelt und mit verändertem, ernstem Gesichtsausdruck und ihm bisher unbekanntem schlesischem Dialekt erzählt: „Damals, im Krieg, da haben mir hier vorne alle Zähne gefehlt!“ Sowohl die Aussage als auch die Energie, die das hatte, ließen keinen Zweifel zu. Auch meine Tochter erinnerte sich immer wieder an konkrete Inkarnationen in den frühen weiblichen Tempeln und spielte Einweihungen, Rituale und Segnungen nach – und das in einem Alter, in dem sie das Wissen um diese tausend Jahre zurückliegende Zeit noch gar nicht haben konnte.

Ich hörte von Begegnungen, in denen eine Tochter in ihrer eigenen Familie wiedergeboren wurde und mit fünf Jahren zu ihrer Mutter sagte: „Früher, als du mein Kind warst, warst du aber nicht so frech. Da hab ich dich nur angeguckt und du wusstest, was es geschlagen hat!“ Man kann sich vorstellen, wie erschrocken die Mutter war, denn diese typische Situation kannte nur sie und ihre vor Jahren verstorbene Mutter. Über die Jahre hinweg habe ich unzählige Geschichten von Erinnerungen von Kindern gehört. Und alle sind absolut authentisch, arglos und unpathetisch.

Einblendungen in andere Zeiten

In meiner eigenen Kindheit war mir der Satz, den ältere Menschen manchmal zu mir sagten „Ach Schätzchen, wenn du erstmal so alt bist wie ich…“ immer unverständlich. Weil ich wusste, ich war mindestens ebenso alt, und ich erinnerte mich sehr wohl, wie sich das anfühlt. Als ich aber merkte, dass die Menschen um mich herum glaubten, ich sei dieser kleine Kinderkörper, war ich sehr verwundert und blieb still. Immer wieder hatte ich konkrete Erinnerungen an frühere Leben. In der frühen Schulzeit nahmen sie ab, kamen aber umso stärker in der Pubertät wieder. Sie waren wie Einblendungen in andere Orte und Zeiten, zum Teil mit Geräuschen und Gerüchen und sogar entsprechenden Körperempfindungen dazu. Bis auf ein, zwei Ausnahmen wusste ich keine (meiner früheren) Namen, aber ich erlebte im Jetzt und innerhalb dieses Körpers unmissverständlich Eindrücke aus einer anderen Zeit. Ein Bekannter sagte dazu später mal lapidar: „Na, da war wohl deine Festplatte nicht gelöscht.“ Und ja, genauso fühlte es sich an. Aus dem Speicher der Zeit öffneten sich hier und da längst vergangene Dateien und strömten in mein Bewusstsein. Das war gar nicht so spannend und angenehm, wie es sich jetzt vielleicht anhört. Zum einen, weil ich nicht verstehen konnte, was da passiert, zum anderen, weil ich mit niemandem darüber sprechen konnte. Und ich war ja auch nicht auf der Suche nach diesen Informationen, sondern wurde davon überrascht.

Die Empfindungen der Kinder ernst nehmen

Das führt mich zu einem Punkt, den ich hier gern vermitteln möchte. Ja, Kinder erinnern sich zu unterschiedlichen Zeiten an frühere Leben. Das ist echt. Und ich finde es wundervoll, wenn diese Kinder Eltern vorfinden, die sie in ihren Erinnerungen und Empfindungen ernst nehmen. Eltern, die nachfragen und offen zuhören, was das Kind zu erzählen hat. Denn nur, weil wir als Erwachsene vielleicht gerade keinen Zugang zu diesem Wissen haben, heißt das nicht, dass die Erinnerungen erfunden sind. Hören Sie genau hin, wenn Ihr Kind von „früher“ erzählt. Nehmen Sie Anteil. Unterstützen und stärken Sie Ihr Kind, derartige Wahrnehmungen zu äußern. Sie tun ihm damit einen großen Gefallen. So lernt es, sich zu vertrauen und auch Dinge auszusprechen, die für unser Bewusstsein hier vielleicht noch ungewöhnlich sind.

Auf diese Weise sind unsere Kinder auch unsere Lehrer. Einen Punkt der Vorsicht möchte ich jedoch dennoch anfügen. Wer sich ein wenig mit der anthroposophischen Lehre beschäftigt hat, weiß, dass die Entwicklung eines Wesens, sobald es hier auf der Erde angekommen ist, in Stufen verläuft. Diese Evolutions- oder Inkarnationsstufen folgen einem Siebenjahresrhythmus. Das heißt, ein Mensch ist erst nach dreimal sieben Jahren vollständig inkarniert. Erst um das 21. Lebensjahr herum ist er ganz und gar hier in dieser Zeit und in diesem Körper angekommen. Beachten wir diesen Rhythmus, so ist es gut, das Kind in jedweder Hinsicht zunächst zu unterstützen, ganz HIER anzukommen. Also zu diesen Bedingungen, die es jetzt vorfindet. In dieser Familie, an diesem Ort, seinem Alter und dieser Zeit gemäß. Bohren Sie also nicht neugierig nach oder fördern gar ehrgeizig ein zeitreisendes Kind. Dieses Kind würde es sehr schwer haben, seine Vitalkörper ganz auszufüllen und dieses Leben kraft- und freudvoll zu erfahren. Es wäre hin und hergerissen zwischen den Ebenen der Zeit. Das kann zu Verwirrung, geschwächter Vitalität und später auch Realitätsflucht in all ihren Formen führen.

Ganz und gar hier sein

Wenn Ihr Kind Tendenzen hat, viel von „früher“ zu erzählen oder in Träumen konkrete Lebenssituationen aus anderen Inkarnationen wieder und wieder zu erleben – holen Sie es zurück! Sanft, aber bestimmt und immer wieder. Hierher! Sie könnten zum Beispiel sagen: „Ja, ich sehe, dass du dich an vieles erinnerst. Das, was du da erlebst, ist wirklich passiert. Das Leben ist viel größer, als manche Erwachsene wissen. Viele haben vergessen, woran du dich noch erinnerst. Deshalb ist es schön, dass du mir davon erzählst. Und genauso wichtig ist es, dass du jetzt ganz und gar hier bist, weil es hier so unendlich viel Gutes und Neues zu entdecken gibt. Hier genau mit dem Namen und dem Körper und der Familie, die du jetzt hast. Hier in dieser Zeit und hier an diesem Ort. All das hast du dir ausgesucht, damit deine Seele lernen, wachsen und sich des Lebens freuen kann. Sei also von ganzem Herzen hier und genieß es. Ich helfe dir dabei, so gut ich kann.“ So sind Sie Ihrem Kind ein guter Reisebegleiter zwischen der Zeit „früher, als ich groß war“ und der Zeit, in der es nun zu dem heranwächst, was wir später einmal „groß“ nennen.

Aktuelle Termine:
Die Kunst des Wahrnehmens – wie die Kommunikation mit deinem Kind gelingen kann
Vortrag am 28. Januar 2020 um 19 Uhr
Meditation für Erwachsene
jeden Montag von 19 Uhr bis 20 Uhr
Kindermeditation für Kinder von 5 bis 10 Jahren
jeden Dienstag von 17 Uhr bis 18 Uhr

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