CSA – Community Supported Agriculture lautet das Stichwort einer neuen Form der Landwirtschaft, bei der die Grenzen zwischen Produktion und Konsum verschmelzen. Im Norden Berlins existiert seit einigen Jahren ein Bauernhof, der sich dem Prinzip kollektiver Selbstversorgung verschrieben hat: die Wilde Gärtnerei.

 

Versorgungsgemeinschaft Wilde Gärtnerei

Es ist das alte Muster der Aufklärung, für das Robinson Crusoe Pate steht: Ein Mensch, der mit bloßen Händen die Natur nach seinen Vorstellungen formt. Roberto Vena verkörpert es konsequent. Anfangs brachte er auf Flohmärkten selbst gepanschte Säfte und Chutneys unters Volk. Das Obst hat er „wild“ gesammelt – ein Prädikat, das unter seiner Ägide bald zur Parole für alternative und kollektive Agrarwirtschaft avancierte. Während seiner Selbst-Ausbildung, die immer noch andauert, besiedelte er 2008 ein verwahrlostes Grundstück in Rüdnitz bei Bernau, um es zum experimentellen Gemüsebaumischbetrieb zu verwandeln, der heute rund 200 Menschen ernährt: die „Wilde Gärtnerei“. Seit Anfang 2012 verläuft hier nicht nur der Anbau, sondern auch der Vertrieb unkonventionell: „Wilde Städter“ aus Berlin organisieren sich in Kiezgruppen und finanzieren den Hof über Beiträge, derzeit 75 Euro pro Monat. Dafür erhalten sie je nach Saison Saft, Obst, Hülsenfrüchte, Blatt- und Wurzelgemüse, Kartoffeln, Salat, Blumen und Wildkräuter, deren Eigenschaften Gourmets und Naturheilkundler gleichermaßen schätzen.

Noch braucht das Modell mehr Mitglieder, um profitabel genug zu wirtschaften, um autark zu überleben oder gar Rücklagen für strukturelle Investitionen zu schaffen. Mit dem Absatz auf Wochenmärkten reicht der Ertrag aus, die Existenz der Versorgergemeinschaft zu sichern, die noch jung und fragil ist. Vieles, was das gemeinsame Säen und Ernten betrifft, steht erst am Anfang. Für den Aufbau einer Viehwirtschaft fehlt Zeit, Ackerland und Manpower. Das erklärte Ziel: Weg vom Markt, hin zum CSA-Hof, der sich rein über Eigenleistungen trägt.

 

CSA: Mehr als Bio

Ideologische Grundlage ist Venas radikales Selbstversorgungskonzept, das alles, was unter „Bio“ firmiert, weit übertrifft. Der globalisierte Wirtschaftskreislauf wird boykottiert, wo es nur geht. Keine Subvention, kein Outsourcing. Um die Kontamination mit zivilisatorischem Müll zu vermeiden, kommt am Hof weder Spülmittel zum Einsatz noch findet das zentrale Wassersystem Anwendung. Kompetenzen werden autodidaktisch, Werk- und Fahrzeuge, Maschinen, Baustoffe und Bekleidung aus zweiter, dritter Hand erworben. „Wir schmeißen nichts weg. Alles, was geerntet wird, hat einen Zweck“, beteuert Vena. „Einen Teil essen die Menschen, ein Teil bleibt im Boden als Gründünger, ein Teil wird kompostiert oder als Tierfutter verwendet.“ Der gebürtige Italiener lebt mit Sanna und zwei Kindern in Wohnwägen, kocht mit Brunnenwasser und heizt mit Brennholz. Diesem rustikalen Lebensstil gilt es sich anzupassen, partizipiert man als Praktikant, Wwoofer oder Langzeitmitarbeiter am Hof. Vor der Natur sind alle gleich.

Unabhängig davon begünstigen geographische wie biographische Herkunftsunterschiede wechselseitiges Lernen auf allen Ebenen. Der Austausch von CSA-Mitgliedern und Hofangehörigen bringt weitere Synergieeffekte. Die Integration „Wilder Städter“ ist substantiell: Jeder Inhaber eines Ernteanteils leistet jährlich sechs Arbeitstage am Hof, wo neben der Pflanzenzucht beim Holzhacken, diversen Bau- und Handwerksjobs und bei der Kinderbegleitung Hilfe willkommen ist. Oft auch spontan, denn in einem Betrieb, der auf Technik und Chemie verzichtet und eine Vollversorgung mit Obst und Gemüse anstrebt, gibt es zig Unwägbarkeiten: Krautfäule und Kartoffelkäfer dezimieren den Ertrag. Das Wetter spielt nicht mit. Der Traktor springt nicht an. Und abends wartet der Bürokram. Zum Schriftverkehr mit Geschäftspartnern und Ämtern kommt die CSA-Korrespondenz, die beiderseits Zeit erfordert, um Lieferungen und Arbeitseinsätze zu koordinieren.

 

Mitmachen

Wer es satt hat, sich einer profitorientierten Industrie auszuliefern und seine Ernährung tatsächlich selbst in die Hand nehmen möchte, kann direkt unter 0176-45106216 oder 03338-916365 einen Probetag am Hof vereinbaren, zum Kennenlernen der Situation von Mensch, Tier und Pflanze. Und nicht zuletzt, um zu klären, ob die innere Motivation, wie Vena es nennt, ausreicht, sich mit der nötigen Hingabe einzubringen. „Das ist das Erfolgsrezept“, sagt er, einhergehend mit der Bereitschaft, Ernährungsgewohnheiten zu ändern. Diejenigen, die diesen Appetit auf Veränderung verspüren, sind herzlich eingeladen, die Auftaktversammlung der Wilden Gärtner und Städter zum neuen Wirtschaftsjahr am 16.03.2013 zu besuchen.

Webseite: http://wildegartnerei.blogspot.de

Email: sanna.joenpera@googlemail.com

 

 

6 Responses

  1. atzezappa

    hmm… ich werde da wohl tatsächlich mal hinfahren und mir selbst ein Bild machen. Ein so negativer Beitrag klingt mir doch sehr nach Affekt – sowas habe ich schon mal erlebt und dann war alles ganz anders…

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  2. BaLi

    Wir sind nun schon im 2. Jahr mit dabei und sind mit der Qualität und dem Lieferumfang sehr zufrieden. Mein Mann, ich und unsere kleine Tochter sind gerne ein Teil der Gemeinschaft Wilde Gärtnerei – und fühlen uns auch immer herzlich willkommen. Sei es bei den Ernteeinsätzen, den Versammlungen oder beim Gemüse-Entgegennehmen. Klar, bei so einem großen Projekt gibt es am Anfang immer wieder etwas zu optimieren… Aber auch das klappt sehr gut. Die Kommunikation untereinander funktioniert wunderbar und es wurden immer schnell Lösungen und neue Ideen gefunden. Wir finden es auch sehr schön, von Anfang an mit dabei zu sein. Dadurch haben wir die Möglichkeit viel mit gestalten zu können. Auf diesem Weg möchte ich Roberto, Sanna und allen Helfern herzlich danken für ihren enormen Einsatz und ihre große Vision!

    Den obige Kommentar finde ich mehr als schräg… aber in einer Sache stimme ich voll und ganz zu:

    Fahrt hin und macht Euch selbst ein Bild! Ich wünsche Euch viel Spaß dabei!

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  3. Anita

    oh, meine erfahrungen sind absolut anders als die von hannah und ich bin gern wieder im 2. wirtschaftsjahr dabei, weil ich sowohl auf dem hof als auch in meiner kiezgruppe am richardplatz weder struktur noch menschliche wärme vermisse. ganz im gegenteil.

    drum möchte ich mich anschließen und definitv allen raten, sich selbst ein bild vor ort von der wilden gärtnerei zumachen.

    viel freude,
    anita

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  4. Hannah

    Meine Wg hatte bis jetzt Obst und Gemüse der Wilden Gärtnerei bezogen, aber als ich zum Arbeitseinsatz antrat,konnte ich keine Solidarität und Gemeinschaft spüren. Ich wurde nicht einmal begrüßt.

    Chaotisch ist es,man sucht verzweifelt nach einer Struktur,die einem sagt,was zu tun ist.

    Verwahrlost trifft auf den Hof wohl immer noch zu. Überall altes teilweise verschimmeltes Holz,Schutt,alte Fahrräder, Badewannen,Kinderbetten etc.

    Eine Zusammenkunft trauriger Seelen.
    Ein gefühlvolles Miteinander ist anders.

    Es wurde eine alte Scheune angekauft, die ausgebaut werden soll. Diese hat eine ganz schlechte Aura und ich glaube, es sind schlimme Dinge dort passiert, denn anders wäre ein Kauf in Rüdnitz wohl nicht möglich gewesen, denn die Gemeinde Rüdnitz ist alles andere als erfreut über Roberto und die wilden Gärtner, die wieder Ratten ins Dorf gebracht haben sollen, wie mir der Nachbar erzählte.

    Ich war schockiert und werde mein Gemüse in Zukunft woanders her beziehen.

    Ich rate jedem,der sein Gemüse von denen bezieht,dorthin zu fahren und sich selber ein Bild zu machen!

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