Ein wissenschaftlicher und integraler Blick auf die Corona-Krise und ihre großen, wellenartigen Bewegungen. Die evolutionäre Perspektive der Corona-Krise….

von Dr. Christian Brehmer

„Nichts in der Biologie macht Sinn außer im Licht der Evolution.“ Theodosius Dobzhansky

Unser Leben ist nur eine kurze Episode in der evolutionäre Perspektive. Alles begann einmal vor etwa 14 Milliarden Jahren mit dem Urknall. Und hat sich sukzessiv bis in die Gegenwart hinein entwickelt. Erst kleiner als der Kopf einer glühenden Stecknadel; dann mit der Expansion des Universums eine zunehmende Abkühlung und Entstehung der Materie. Darauf eine phantastische kosmische Evolution. Galaxien, Sterne und Planeten. Unsere Erde ward geboren. Hier, nicht minder phantastisch, eine chemische Evolution, die in der Entstehung des Lebens einmündet.

Die evolutionäre Perspektive –
vom Einzeller zum Vielzeller

Zunächst der Einzeller, dann die Vielzeller: Weichtiere, Fische, Amphibien, Reptilien und Säugetiere. Die biologische Evolution erblüht. Mit ihr entfaltet sich das organismische Bewusstsein. Nach dem Durchschreiten des Tier-Mensch-Übergangsfeldes, erscheint der anatomisch moderne Mensch auf der Bühne der Evolution. Der homo sapiens, der wissende Mensch, der sich als getrennt von der Umwelt erfährt. Die unschuldige Einheit des Tieres mit der Natur ist gebrochen. Dualität ist Bedingung der Möglichkeit von Angst. Anderseits ermöglicht das reflexive Bewusstsein ein Denken in Kausalzusammenhängen. Das ist der Beginn der mentalen Evolution.

Vom anatomisch modernen zum geistig modernen Menschen

Dann, ab einem Zeitpunkt vor etwa 50 000 Jahren, stoßen die Archäologen auf Artefakte, die darauf schließen lassen, dass der anatomisch moderne Mensch zum geistig modernen Mensch „mutiert“ ist. Der homo sapiens sapiens. Der Mensch, der nicht nur weiß, sondern auch weiß, dass er weiß. Eine weitere Stufe der Intensivierung des Bewusstseins. Das selbstreflexive Bewusstsein steht am Beginn der kulturellen Evolution, der Stufe, auf der wir uns gegenwärtig befinden.

Im dem viele Milliarden Jahre währenden Verlauf der Evolutionsgeschichte gab es immer wieder herbe Zäsuren, sogenannte Faunenschnitte. So zum Beispiel das Sauriersterben vor etwa 66 Millionen Jahren. Damals starben die Großreptilien aus und machten für die Ausbreitung der Säugetiere Platz. Auch wenn einzelne Populationen von Tierarten zu groß wurden, kam es häufig zu herben Dezimierungen. Ferner zwangen Naturkatastrophen und Klimaschwankungen die Lebewesen immer wieder erneut zu evolutionären Anpassungen. Als ob eine übergeordnete Intelligenz Regie führt, um die Evolution auf Kurs zu halten.

Diese verborgene Regie hat über Jahrmilliarden ein Lebewesen hervorgebracht, mit dem Bewusstsein seiner selbst und dem Potenzial zur Selbsttranszendenz. Albert Einstein nannte die Evolution „eine Intelligenz von solcher Erhabenheit, das verglichen damit das ganze systematische Denken und Handeln des Menschen ein höchst unbedeutender Abglanz ist.“ Diese Intelligenz, davon können wir ausgehen, wird auch dafür sorgen, dass die Sackgasse, in die sich der jüngste Spross der Evolution, der homo sapiens sapiens hineinmanövriert hat, durchbrochen wird.

Bedient sich diese Intelligenz etwa des Corona-Virus? Wir haben eine zutiefst gestörte Welt geschaffen: Was machen wir mit unserem Planeten, dem vom Weltraum aus gesehenen blauen Juwel? Wir zerstören, verschmutzen und plündern ihn. Wird der virale Hammerschlag uns zur Vernunft bringen? Und wie verhalten wir uns untereinander? Die Mehrheit der Weltbevölkerung ist verarmt, fast eine Milliarde hungert. Eine Minderheit lebt im Überfluss. Wird die Pandemie ein neues, gerechtes Wirtschaftssystem erzwingen? Statt zu teilen und zu schützen, beuten wir unsere Mitmenschen aus und liefern Waffen für Stellvertreterkriege. Millionen sind auf der Flucht.

Wird die Coronakrise unsere Herzen öffnen?

Unser gegenwärtiger, vom Ego geprägter, dualistischer Bewusstseinsmodus hat ausgedient. Wir stagnieren auf einer nicht mehr zeitgemäßen Stufe der Evolution. Und das u.a. aufgrund mangelhafter Nutzung unserer Fähigkeit zur Selbstreflexion. Denn in der Tiefe der Selbstreflexion wartet Erkenntnis und Mitgefühl. Losgelöst von all unseren mentalen und emotionalen Vorgängen, wie z. B. in der Meditation, erfahren wir die reine Reflexion, die Stille des transzendentalen Bewusstseins. (Dieser höchst angenehme Zustand der Wachentspannung, so hat die neurologische Forschung ergeben, ist durch EEG – Synchronisation im Gamma-Bereich gekennzeichnet.) Es ist eine Befindlichkeit, in der wir unsere Einheit mit der Natur und unseren Mitmenschen wiedergewinnen. Diesmal bewusst. Sie zu verletzen hiesse uns selbst zu verletzen. Und die Dualität als Bedingung der Möglichkeit von Angst ist passé.

Selbstreflexion und evolutionäre Perspektive

Die Auslotung der Selbstreflexion bis hin zur transzendentalen Selbsterfahrung durch Meditation, Achtsamkeitstraining oder andere spirituellen Techniken, ist eine weitere evolutionäre Intensivierung des Bewusstseins. Sie führen bei regelmäßiger Praxis zu einer verbesserten Lebensbewältigung und geistkörperlichen Fitness – die bislang unbewusste Evolution wird bewusst durch den Menschen weitergeführt. Wird dieser Ansatz Mainstream, so bahnt sich damit eine neue, supramentale Ebene der Evolution an. Nach der kosmischen, chemischen, biologischen, mentalen und kulturellen Evolution nun eine supramentale Evolution. Und mit ihr ein neues Denken. „Du kannst das Problem nicht lösen von der gleichen Ebene des Denkens, die das Problem geschaffen hat“, sagte Albert Einstein. Die Corona-Krise als evolutionäre Chance.

Dr. Christian Brehmer, Bakumer Str. 31a, D 49324 Melle, T. 05422/2635, Email:
brehmer.c@web.de, www.bewusstseins-evolution.de

Literatur: Christian Brehmer: “Woher? Wohin? Orientierung im Leben. Die Evolution des Bewusstseins als Ausweg aus der Krise“, Verlag ViaNova 2019

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