Mit dem Ich per Du

Der Legende nach stand einst Weltenherrscher Shanka in ähnlicher Verfassung am Fenster seines Palastes. Als ihm ein armer Mann die Ankunft eines Buddha mitteilte, überließ er dem Armen sofort Krone und Reich und begab sich auf die Suche. Der Erleuchtete wusste, wie sehr sich Shanka nach ihm sehnte, und fuhr dem Umherirrenden entgegen. Er nahm ihn in seine Kutsche auf und lehrte ihn Dharma, die Lehre von der Wirklichkeit. In tiefer Dankbarkeit wollte Shanka ihm das Beste geben, was er hatte. Mit seinen Fingernägeln trennte er sich den Kopf ab und überreichte ihn dem Buddha mit den Worten: „Möge diese Gabe in Allwissenheit resultieren.“ Daraufhin wurde Shanka sofort im „Götterbereich der Freude“ wiedergeboren, wo er wartet, bis er als zukünftiger Buddha Maitreya, der Liebende, erscheint. Über den Weg des Buddha.

Der Weg des Buddha: Freiheit durch Allwissenheit

Drei Tatsachen drängen sich im Leben immer wieder auf: Alles ist vergänglich, unbefriedigend und wesenlos. Warum das so ist, erklärt die Lehre des Buddha. Das anspruchsvolle Ziel des buddhistischen Weges ist nichts Geringeres als die Erlangung eines unvergänglichen Zustandes der Freiheit durch Allwissenheit. Es wird kein einfacher Himmel von der Beschaffenheit eines Schlaraffenlandes verheißen, sondern Nirvana, „wo nicht der Bereich der Unendlichkeit des Raumes, des Bewusstseins, der Nichtirgendetwasheit, noch die Grenze zwischen Unterscheidung und Nichtunterscheidung (…) ist.“ Das soll das Glück sein. Es gewinnt an Attraktivität für den noch Unerleuchteten, „wenn er die Freudenrufe derer vernimmt, die es erfahren haben.“ Um selbst dahin zu gelangen, benötigt man einen Schatz an guten Taten, gutes Karma, und muss den Weg in rechter Weise gehen: „Vermeide jede böse Tat, vermehre guter Werke Saat, beständig läutere den Geist, das ist der Weg, den Buddha weist.“

Als hartnäckigster Klotz am Bein auf dem Weg zur Erleuchtung erweist sich der eingefleischte Egoismus. Er bewohnt die muffige Kammer des Schreckens, der Schlechtigkeit, kindischer Sehnsüchte und Illusionen im Oberstübchen des Ich, die dringend durchgelüftet gehört. Das Ich ist das Bewusstsein des eigenen Denkens, und solange das Denken von Illusionen beherrscht wird und das Bewusstsein das nicht erkennt, braucht man sich über sein Ich nicht zu wundern.

Ruheraum im Geist

Der Weg des Buddha

Wie läutert man den Geist von diesen Illusionen? Indem man seine Sinne auf Diät setzt und Gelüste und Abneigungen loslässt, um nicht länger als deren Marionette herumzuzappeln. Zusätzlich richtet man sein Leben an Ethik aus, um im Geist einen Ruheraum zu schaffen. Diesen ermöglicht die Meditation, mit der sich die Vorgänge im Geist betrachten lassen – was ähnlich kniffelig ist, als ob man versucht, sich mit den Fingernägeln den Kopf abzutrennen.

Den konventionellen Vergnügungen entsagend, stellt sich überweltliche Freude ein, und Meditation erweitert die Sicht. Der Blick erfasst deutlicher die eigene Situation wie die anderer Lebewesen und unser aller enge Verbundenheit. Liebe, Geduld und Mitgefühl, durch forciertes Training intensiviert, wobei unangenehme Zeitgenossen und Schicksalsschläge als ideales Trimmgerät dienen, durchbrechen die Beschränkungen der egoistischen Denkgewohnheiten und reißen allmählich die Hindernisse vor der direkten Einsicht in die Wirklichkeit nieder. Weisheit entsteht. Mit weisem Verständnis wächst die Liebe für andere, und gleichzeitig reift ein klares Selbstbewusstsein heran, das nicht mehr zu erschüttern ist. Zur Vollkommenheit gebracht, erzeugen Liebe und Weisheit am Ende des Weges den glücklichen Zustand der Allwissenheit eines Buddha, Nirvana. So die Theorie und Praxis.

Für welches lohnendere Ziel könnte man seine Kräfte einsetzen, um seinem Leben einen Sinn zu geben?

 

 

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