Ueber die Wesen des sogenannten niederen Volksaberglaubens, die Zwerge, Elfen und Kobolde wurde schon in der Vergangenheit manch erbitterte Diskussion geführt. Insbesondere isländische Elfen boten den Fachleuten auf dem Kontinent immer wieder Anlaß zum Streitgespräch.

 

von Wolfgang Müller

Die Erschaffung der Elfen wird in einem bekannten isländischen Märchen geschildert:
Eines Tages besuchte der Allmächtige kurzfristig Adam und Eva. Stolz zeigten sie ihm ihre Kinder. Er fand sie sehr erfolgversprechend und fragte, ob sie nicht noch weitere hätten. Eva sagte nein. Es war aber so, daß sie einige Kinder noch nicht gewaschen hatte und sich deshalb schämte. Der Allmächtige wußte das natürlich und sagte: “Was vor mir verborgen wird, soll auch den Menschen verborgen sein.” Diese Kinder wurden jetzt unsichtbar für die Menschen und wohnen in Bergen, Hügeln, Felsen und Steinen. Von ihnen stammen die Elfen ab. Die Menschen aber kommen von den gewaschenen Kindern.
 
Daß das unabhängige Island weder Fürsten, Grafen und Könige kannte, wohl aber reichlich Kunde über Elfen- und Zwergenkönige vermittelte, – ja bis in die heutige Zeit besonders reiche Vorkommen an Elfen und Zwergen aufweist, ist hinlänglich bekannt.
1995 wurde in Reykjavík die erste und bislang einzige Elfenschule der Welt gegründet. In einem unauffälligen Bürogebäude an der Vegmuli 2 können sich Einheimische und Besucher über die vornehmlich in Steinen oder Flüssen hausenden, meist unsichtbaren Naturwesen sachkundig informieren. Neben Elfen- und Zwergenkunde steht auf dem Stundenplan auch eine Sightseeing-Tour zu fünf ausgewählten Elfen- und Zwergenwohnstätten in und um die Hauptstadt. Direktor der Schule ist der Historiker Dr. Magnús Skarphedinsson (48): “Das Bildungsangebot richtet sich vor allem an Besucher aus anderen Ländern, die etwas über die verschiedenen Beziehungen zwischen Menschen- und Elfenwelt wissen wollen.”
 
Auf die Frage, ob er denn selbst schon einmal einer Elfe begegnet sei, antwortet der Historiker wie folgt: “Ich habe leider noch nie eine Elfe gesehen. Aber daß viele Menschen diese Wesen nicht sehen können, bedeutet noch lange nicht, daß sie nicht existieren.” Dr. Magnús Skarphedinsson sammelt Erfahrungsberichte von Isländern, die vorgeben, Kontakte mit den Geisterwesen gehabt zu haben: “Mir liegen die Protokolle von ungefähr 70 Personen vor, die in den letzten Jahren mit Elfen, Zwergen und Huldufólks kommuniziert haben”, so der Historiker, “dabei ist es mitunter sogar zu sexuellen Kontakten gekommen.” Das sei aber eher die Ausnahme. Und was müsse man sich unter den speziell isländischen Huldufólks vorstellen? Huldufólks sind Mischwesen aus Elf und Mensch, die einerseits besonders zurückhaltend auftreten, andererseits sehr farbenprächtige, auffällige Kostüme und Trachten tragen.”

Oft führt Dr. Magnús Skarphedinsson Besucher seiner Schule zu einem nahegelegen Elfenstein auf einem Parkplatz im Nordosten Reykjavíks. Der sesselartig geformte Basaltblock sollte einst einem Parkplatz weichen. “Nebenan befand sich eine Hühnerfarm. Noch bevor die Arbeiten hier begannen, fingen die Hühner auf einmal an, weniger Eier zu legen. In der ersten Woche sank die Eierproduktion um die Hälfte und ging dann schließlich innerhalb von nur 3 Wochen auf Null zurück.”
Magnús Skarphedinsson setzt sich behutsam auf das Dach des Elfenhauses und fährt fort: “Nun – heimische Medien wurden zu Rate gezogen und was einige vermuteten, entpuppte sich schon bald als Tatsache: Der Stein war Wohnort einer ganzen Elfensippe, deren Mitglieder den Medien im Traum bereits zahlreiche Vorwarnungen gesandt hatten.”
Die Elfenwelt selbst müsse man sich als eine Art Parallelwelt neben unserer Welt vorstellen. Während die Elfen die Möglichkeit hätten, in unserer Welt zu erscheinen, sei umgekehrt der Weg in die Elfenwelt nur wenigen Menschen möglich. Darüber lägen interessante Protokolle vor, sagt Magnús Skarphedinsson: “Menschen, die für längere Zeit spurlos verschwanden und dann plötzlich wieder auftauchten, haben darüber berichtet. Sie schildern das Elfenreich als eine eher einfache, volkstümliche Welt, ohne Elektrizität und Autos.”

Dreizehn Elfentypen hat Magnús Skarphedinsson bisher ausgemacht, nur fünf weniger als die Klavierlehrerin Erla Stefánsdottir, die Elfenbeauftragte des Reykjaviker Bauamtes. Im Auftrag der Stadtverwaltungen und von Privatpersonen zeichnet das Medium sogenannte Elfenkarten. Das sind Landkarten, auf denen die Wohnorte, Gehöfte und die Strahlungskraft der Geisterwesen verzeichnet werden. In ihrem Wohnzimmer leuchten zahlreiche bunte Tuschzeichnungen und Aquarelle, die die Elfen- und Zwergenaura auch für unmedial Veranlagte sichtbar macht. “Ich arbeite sehr gern mit Landschaftsarchitekten. Elfen und Zwerge reagieren nämlich äußerst mißmutig auf die Zerstörung ihrer Behausungen”, so Erla. Ein verantwortungsbewußter Landschaftsplaner könne diese Mißstimmungen jedoch vermeiden, indem er Steine und Felsen, die von den Wesen bewohnt würden, nicht verrücke, sondern harmonisch in seine Planung mit einbeziehe: “Zwerge haben natürlich überhaupt nichts dagegen, wenn vor ihrem Heim ein schöner Garten angelegt wird.”

Schlagzeilen in der isländischen Presse machen denn auch die Fälle elfischer Aggression, die sich durch unerklärliche Schwächeanfälle der Bauarbeiter oder rätselhafte Materialermüdung an den Baggerschaufeln manifestieren. Die Elfenbeauftragte kennt die Fälle nur zu gut:
“Eines der bekanntesten Vorkommnisse dieser Art geschah 1972 in Kópavogur, einem Vorort von Reykjavík. Statt die Straße um den Álfholl, den Elfenhügel zu leiten, der bekanntermaßen Wohnort einer Kolonie von Lichtfeen war, ging man daran, die Steine mit Gewalt abzubrechen“ Der Kraftakt mißlang. Zweimal brach die Baggerschaufel. “Und so eine Baggerschaufel ist ja nicht gerade billig”, setzt Erla trotzig hinzu. Schließlich führte man die Straße in einem gewagten Schlenker um den Hügel und benannte sie Álfhólsvegur, Elfenhügelweg.Obgleich Erla viele ihrer Karten im Auftrag der Bau- und Tourismusbehörden erstellt, ist sie dem Rationalismus der Institzutionen und Behörden gegenüber skeptisch geblieben. „Bei wichtigen Bauvorhaben werden die Medien oft gar nicht konsultiert.” Doch gebe es auch positive Entwicklungen. So habe der Vorstand der Gemeinde Grundarfjördur an der dortigen Hauptstraße den Elfen eine eigene Hausnummer überlassen, die 84. “Vielleicht kommt da doch noch etwas in Bewegung. Aber möglicherweise hat das ja mehr mit dem gestiegenen Interesse an isländischen Elfen seitens der ausländischen Touristen zu tun.”

So verschickt das isländische Fremdenverkehrsamt in Neu-Isenburg auf Anfrage kostenlos Erla’s Elfenkarte von Hafnarfjördur. Der Bürgermeister des Ortes, Ingvar Viktorsson rühmt in einem darauf gedruckten Grußwort das “gute Miteinander der ‘Hidden People’ mit den sichtbaren Einwohnern”.

“So ist es,” lächelt Erla und fügt hinzu: “Dort leben Menschen und Elfen besonders harmonisch zusammen. Und bei den Lavafeldern um die Badeanstalt von Hafnarfjördur gibt es ausgesprochen schöne Elfen- und Zwergenhäuser, da sollten Sie unbedingt mal vorbeischauen!”

Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*