Traditionell war Yoga früher eine reine Männer-Domäne. Erst durch Lehrer wie Swami Sivananda wurde Yoga einer breiteren Bevölkerungsschicht zugänglich – kasten- und geschlechtsübergreifend. Yoga für Kinder ist daher eine relativ neue Entwicklung der letzten Jahre, abseits der yogischen Strenge. Denn auch schon Kinder können viel Nutzen aus Yoga ziehen: Die Motorik und die Beweglichkeit wird gefördert, Yoga kann dabei helfen, die Konzentrationsfähigkeit zu steigern und das Innen und Außen in Balance zu bringen. Birge Funke berichtet für SEIN aus ihrer Praxis über die besonderen Rahmenbedingungen und Bedürfnisse beim spielerischen Yoga-Unterricht für Kinder.

Kinder-Yoga wird spielerisch angegangen und soll den Kids Spaß machen, aber natürlich hat Yoga auch andere Effekte. Es kann beispielsweise dazu beitragen, Aggressionen abzubauen und das Sozialverhalten und die Fähigkeit, Dinge achtsamer wahrzunehmen, zu fördern.

Aus der Praxis: Kinder lieben Rituale

Wiederkehrende Abläufe geben Kindern Sicherheit. Innerhalb dieses Rahmens kann man natürlich dann viele Varianten einbauen: Ein festes Intro – eingeleitet durch eine kurze Rederunde, in der jeder loswerden kann, was gerade besonders auf dem Herzen liegt – hilft zum Beispiel, die Konzentration in den darauffolgenden Übungen zu erhöhen. Eine immer wiederkehrende Entspannung am Ende der Stunde übt darin das Erlernte auch allein besser anwenden zu können. In der Stunde selbst ist Authentizität gefragt und nicht reines Unterrichten nach Buch.

Kinder sind sehr individuell und erspüren viel schneller als Erwachsene, ob man hinter einem bestimmten Thema inhaltlich auch wirklich steht, und sie zeigen dies auch deutlich – im schlimmsten Fall steigen sie halt sprichwörtlich aus.

Kinderyoga vs. Erwachsenen-Yoga

Der große Unterschied zwischen Kinder- und Erwachsenen-Yoga liegt darin, dass Kinder noch keine der klassischen Atemübungen und Meditationen erlernen. Außerdem wird das Yoga natürlich spielerisch praktiziert. Hierfür gibt es zahlreiche Spiele und Geschichten, die Kinderyogalehrer/innen nutzen können, um ein buntes Programm anzubieten, das auch nach einigen Monaten nicht langweilig wird. Wer sich nicht nur auf die eigene Fantasie verlassen will, findet im Internet und in mittlerweile zahlreichen Büchern zu dem Thema Anregungen.

Achtung: auch Kinder werden größer…

Für jüngere Kids ist die rationale Ebene des Yoga noch nicht von so großer Bedeutung (wann sich das verändert, ist sehr individuell). Sie begreifen eher über das Tun und Erleben. Kinder, die schon lange zum Yoga kommen, sind in der Regel wirklich daran interessiert, mehr zu erfahren und Neues auszuprobieren. Gerade mit Beginn der Pubertät möchten sie als kleine Erwachsene ernst genommen werden und kommen dann auch schon mit konkreten Fragen oder Problemen in den Unterricht. Das ist ein großer Vertrauensbeweis für Lehrer/innen, die es bis dahin wahrscheinlich sehr gut gemacht haben!

Rückenschmerzen und Einschlafstörungen sind zum Beispiel solche Themen, und diese sollten ernsthaft angenommen werden. Für ein elfjähriges Kind mit zwei, drei Jahren Yogaerfahrung ist es auch irgendwann uncool, bei „Katze“ immer noch „Miau“ sagen zu sollen. Auch diese Entwicklung sollte man erkennen und den Unterricht entsprechend anpassen.

Hauptsache Atmen

Wie erwähnt, ist es nicht ratsam, mit Kindern die klassischen Atemübungen wie Wechselatmung und Kapahalabhati (Schnellatmung) zu üben. Was Kinderyogalehrer/ innen den Kindern aber vermitteln können, ist ein gutes Atembewusstsein. Man kann beispielsweise nach einer anstrengenden Übung mal nachspüren lassen: „Schau mal, wie dein Atem jetzt kommt und geht – wie schnell ist er, wie tief, wo kannst du ihn denn überhaupt spüren?“, und dann die gleichen Fragen nochmal in einem ruhigen, entspannten Moment stellen. Es kann auch schön sein, sich für seinen Atem zu bedanken – immerhin arbeitet er unser ganzes Leben einfach so für uns ohne je etwas zurückzufordern… dazu allerdings müssen wir ihn erst einmal wahrnehmen.

Üben ohne Druck

Kinder stehen heute schon früh unter dem Druck, eine „gute“ Leistung erbringen zu müssen. Der Kinderyoga-Unterricht sollte Raum und Zeit geben, sich individuell zu entfalten. Ein „gut“ oder „schlecht“ gibt es nicht wirklich, wer engagiert mitmacht, ist sofort auch „gut“, auch wenn vielleicht noch nicht alles korrekt ist oder super aussieht. Als gute/r Kinderyogalehrer/in sieht man die Fortschritte der einzelnen Kids und kann sie loben, das macht die Kinder sehr stolz und motiviert sie, weiterzumachen. Im Unterricht für Kinder hat man auch mal die Möglichkeit, eine „lazy“ Stunde einzulegen – wenn es schon in der Schule so anstrengend war, dann können wir beim Yoga eben auch mal länger über ein schönes Thema reden und ein wohltuendes Entspannungsspiel machen.

Manchmal ist Fußball das bessere Yoga

„Bitte machen Sie aus meinem Kind ein ‚OMKind‘!“ So stellen sich das einige Eltern von unruhigen, zappeligen Kindern vor, und Yoga soll es bitte richten – also: das Kind ruhigstellen. Manchmal ist aber auch Fußball oder Streetdance das bessere Yoga für ein Kind. Einige brauchen einfach die lange körperliche Verausgabung, die bei anderen Sportarten im Vordergrund steht. Es bringt nichts, einem Kind Yoga aufzuzwingen, nur weil es schick ist oder die Eltern damit selber so gute Erfahrungen gemacht haben. Besser man erzwingt nichts, dann haben sie zumindest später im Leben noch die Chance, Yoga ohne Druck kennenzulernen.

Das Recht auf guten Unterricht

Auch Kinder haben das Recht auf einen qualitativ hochwertigen Unterricht. Mittlerweile gibt es viele Anbieter für Kinderyogalehrerausund -fortbildungen, viele sind auch wirklich gut und fundiert. Leider versprechen einige aber immer noch, nach nur einem oder zwei Wochenendseminaren aus einem „Hobby-Yogi“ oder einem Erzieher ohne Yogaerfahrung einen guten Kinderyogalehrer machen zu können. Das kann funktionieren, ist aber sicher eher eine Ausnahme. Denn auch Kinder können sich – wenn auch in der Regel nicht so schnell und weniger heftig – bei falsch ausgeführten Asanas verletzen.

Wenn Knie jahrelang in den Yoga-Haltungen nicht richtig stehen, dann kann das auch bei Kindern zu Schmerzen und Schäden führen. Die Muskulatur kleiner Kinder ist außerdem oft noch nicht gut genug entwickelt, um schwierige Übungen wie den Kopfstand sicher und korrekt auszuführen. Ausgebildete Yogalehrer/ innen können gut an vier Wochenenden, inklusive praktischer Übungen an echten Kindern (keinen Puppen oder Erwachsenen!), ihre Ausbildung erweitern. Andere, ohne Vorkenntnisse, sollten deutlich mehr Zeit einplanen. Die Sicherheit der Kinder geht schließlich vor.

Yoga-Philosphie für Kids

Hinzu kommt, dass Kinder nicht nur Interesse an den körperlichen Übungen, sondern durchaus auch an der Philosophie des Yoga haben. Sie lieben es – angepasst an das jeweilige Alter – darüber zu diskutieren und mehr darüber zu erfahren. Bei den kurzen Wochenendseminaren für Kinderyogalehrer/innen fehlt leider oft die Zeit, um zum Beispiel tieferes Wissen über die Yamas und Niyamas (die „10 Gebote“ des Yogas) zu vermitteln. Rat für angehende Kinderyogalehrer Es ist etwas völlig anderes, Kinder zu unterrichten. Nicht jedem – sonst sehr gutem und engagiertem – Yogalehrer liegt das. Hier sollte man einfach ehrlich mit sich selbst sein. Es gibt Lehrer/innen, die darin aufgehen, kleine Kinder zu unterrichten, andere können besser mit etwas älteren Kids oder Teenies. Es auszuprobieren ist auf jeden Fall ratsam – manches Talent entdeckt man auch bei sich selbst erst in der Praxis.

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