Abb.: (c) pixabayÄtherische Öle – natürlich gegen Depressionen 28. Juli 2020 Körper Ätherische Öle kennen viele als Raumdüfte zur Erschaffung einer angenehmen Atmosphäre. Doch steckt hinter ihnen weit mehr als nur ein angenehmer Geruch. Zahlreiche Studien belegen eine Wirkung auf die menschliche Psyche, wodurch ätherische Öle eine ideale ganzheitliche Ergänzung zur Therapie bei Depressionen darstellen. von Annika Mix Auch wenn der Sommer üblicherweise nicht die Zeit für Depressionen oder Stimmungstiefs ist, so ist doch der Sommer 2020 auch in dieser Hinsicht ein besonderer. Die Sorgen über die Corona-Pandemie, wirtschaftliche Nöte und soziale Isolierung dämpfen die entspannte Stimmung und lassen bei vielen Menschen ernst zu nehmende depressive Verstimmungen entstehen. Das elendige Stimmungstief Einer Bekannten von mir geht es da nicht anders. Susanne, Mitte Vierzig, verheiratet, Mutter von zwei Kindern und weit entfernt von sommerlicher Entspannung. Die letzten Wochen trafen sie schwer. Kurzarbeit des Mannes, Schulschließung und die Familie, die sich in der kleinen Wohnung auf der Pelle hockt. Der geplante Urlaub fällt auch aus. Mit dieser Situation kann sie schwer umgehen, denn sie ist bereits seit über 10 Jahren in Behandlung. Die Diagnose: Depression. Normalerweise geht es ihr im Sommer besser, aber dieser Sommer ist nunmal besondes. Es gibt immer wieder Dämpfer. Tage, an denen einfach nichts geht. Der Geist rattert und schlechte Gedanken spuken durch ihren Kopf, während der Körper wie gelähmt scheint und sie kaum Energie aufbringen kann, auch nur die kleinsten Aufgaben zu erledigen. Während solcher Phasen leidet nicht nur sie, sondern die ganze Familie. Weltweiter Zuwachs an Depressionen Bereits im Jahr 2017 stellte die WHO fest, dass immer mehr Menschen weltweit an Depressionen leiden. Dabei wirken aktuelle Ereignisse in der Regel nicht als Auslöser, durchaus aber als Verstärker der Symptome, deren Ursachen so vielseitig sind, wie die Patienten, die an ihnen leiden. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe spricht bereits von einer Volkskrankheit. In Deutschland erkrankt schätzungsweise jede vierte Frau und jeder achte Mann im Laufe des Lebens an einer Depression. Dabei handelt es sich um eine ernst zu nehmende Krankheit, die in ihren Folgen nicht unterschätzt werden sollte und immer therapeutisch behandelt werden muss. Eine möglichst frühe Diagnose trägt massiv dazu bei, die Folgen gering zu halten und den Betroffenen vielleicht sogar vollständig zu heilen. Je später die Diagnose erfolgt, desto festgefahrener ist die Depression. Auch sprechen verschiedene Patienten sehr unterschiedlich auf Therapiemaßnahmen an, so dass der Leidensweg mitunter sehr lang werden kann, bis eine Therapieform gefunden wird, die wirklich gut hilft. Bei Susanne kam die Diagnose spät. Schon während ihrer Jugend zeigten sich Anzeichen, aber niemand konnte sie richtig deuten. Heute schluckt sie jeden Tag Antidepressiva. „Damit geht es ganz gut“, sagt sie, und möchte die „chemische Keule“ nicht missen. Ein Leben ohne psychisch wirksame Medikamente und regelmäßiger Gesprächstherapie kann sie sich kaum mehr vorstellen. Doch eine wichtige Begleitung ihrer schulmedizinischen Behandlung fand sie in der Aromatherapie, die besonders an schweren Tagen etwas Licht ins Dunkel bringt. Die psychologische Macht der Aromatherapie Unter dem Begriff Aromatherapie werden alle Anwendungen zusammengefasst, bei denen ätherische Öle zu therapeutischen Zwecken herangezogen werden. Bei ätherischen Ölen handelt es sich um Stoffgemische aus zahlreichen verschiedenen flüchtigen Substanzen, die von Pflanzen hergestellt und in Blättern, Blüten, Rinde oder Wurzeln angereichert werden. Sie dienen der Pflanze zur Anlockung oder Abwehr bestimmter Insekten und zum Schutz vor Krankheiten durch Bakterien oder Pilzbefall. Über verschiedene Verfahren, wie Wasserdampfdestillation, Extraktion oder Auspressen können die winzigen Mengen aus den einzelnen Pflanzenteilen gewonnen und gesammelt werden. Ein Fläschchen eines ätherischen Öls enthält somit oft den Inhalt von mehreren hundert Pflanzen. Ein Konzentrat, das sich der Mensch schon seit hunderten von Jahren zu Nutze macht. So wurden ätherische Öle in allen Kulturen dieser Welt ein wichtiger Bestandteil der naturmedizinischen Entwicklung. Dabei sind sie in in ihrer Anwendung so vielseitig, wie die Pflanzen von denen sie stammen. Neben einer oberflächlichen Anwendung auf der Haut gegen Schmerzen, Hauterkrankungen oder Entzündungen, stellt heute vor allen Dingen die Aromatherapie einen Hauptanwendungsbereich ätherischer Öle dar. Auf der Seite ätherische-öle.com bekommen Sie eine ausführliche Übersicht über die Vielfalt und die Wirkungsweise der zahlreichen ätherischen Öle. Dabei muss es gar nicht übermäßig kompliziert zugehen. Viele Menschen verwenden ätherische Öle regelmäßig zu Hause, ohne dabei an den Begriff Aromatherapie zu denken. So ist zum Beispiel die Verwendung von Eukalyptusöl gegen Husten oder andere Erkältungsbeschwerden weit verbreitet. Es besteht zu einem Großteil aus 1,8-Cineol, einem pflanzlichen Wirkstoff, der nachweislich schleimlösend und entzündungshemmend in der Lunge wirkt und auch schulmedizinisch bei Asthma eingesetzt wird. Wie wirken ätherische Ölen bei Depressionen? Vorab muss deutlich klargestellt werden, dass eine Aromatherapie keinesfalls eine umfassende schulmedizinische Therapie bei einer Depression ersetzt, aber sie kann sie auf ganz wunderbare Weise natürlich ergänzen. Da die Ursachen von Depressionen bis heute nicht komplett verstanden sind und bei den Patienten mitunter stark variieren, erfolgt eine Therapie zumeist symptomatisch. Und genau hier können die ätherischen Öle greifen. Ätherische Öle gelangen über die Nase in den sogenannten Riechkolben, eine Ausstülpung des Gehirns, die allein dafür zuständig ist, Duftstoffe zu erkennen und die Information über dessen Anwesenheit weiterzuleiten. Ein wichtiges Zielgebiet dieser Weiterleitung ist das limbische System. Dabei handelt es sich um den Teil des Gehirns, der für sämtliche Emotionen zuständig ist. Diese direkte Verschaltung erklärt, warum Düfte generell Emotionen beeinflussen können. In verschiedene Studien konnte gezeigt werden, das ätherische Öle eine beruhigende Wirkung haben und dadurch Angstzustände und Schlafstörungen deutlich mildern können. Sie wirken entspannend und helfen, den aufgewühlten Geist in ruhigere Bahnen zu lenken. Eine große Schwäche dieser Studien ist die eingeschränkte Möglichkeit von Kontrollen. Denn natürlich riechen die Probanden, ob sie tatsächlich gerade ein Lavendelöl inhalieren oder nicht. Kritiker der Aromatherapie sehen hier den klaren Fall eines Placebo-Effekts. Dabei lohnt es sich aber, die Studienlage einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn es gibt Studien an Tieren, die genau diesen Placebo-Effekt widerlegen. Angstlösende Wirkung von Lavendel Eine Studie der University of Ulster, Nordirland, untersuchte den Effekt von Lavendelöl auf das Angstverhalten von Ratten und verglichen ihn mit dem Effekt eines angstlösenden Medikamentes Chlordiazepoxid. Die Forscher beobachteten das Verhalten der Tiere in einem sogenannten open field Test. Dabei wird eine einzelne Ratte auf eine große freie Fläche gesetzt und ihre Bewegung für eine bestimmte Zeit beobachtet. Die Tiere sind normalerweise etwas ängstlich und scheu und halten sich vorzugsweise am Rand der Fläche auf. Dieses natürliche Verhalten schützt sie vor Attacken durch Greifvögel oder andere Räuber. Wenn die Tiere ein angstlösendes Medikament bekommen, betreten sie deutlich häufiger die freie Fläche in der Mitte des Feldes und zeigen dadurch weniger Angst. Der gleiche Effekt konnte erzielt werden, wenn die Tiere zuvor dem Duft von ätherischem Lavendelöl ausgesetzt waren. Da die Wirkung abhängig von der Zeit und der Dosierung war, konnte sie eindeutig dem Lavendelöl zugeschrieben werden. Die Effekte waren zum Teil gleich stark, wie bei dem Chlordiazepoxid. Andere Studien konnten in ähnlicher Weise den Placeboeffekt durch Wirkungen bei Ratten und Mäusen widerlegen. Interessanterweise bleibt die angstlösende Wirkung von Lavendelöl selbst dann bestehen, wenn Versuchstiere oder Menschen nur über einen reduzierten oder sogar gar keinen Geruchssinn mehr verfügen. Dies lässt sich durch die große Bedeutung erklären, den vor allen Dingen Angst und angstauslösendes Verhalten in unserer Evolution hat. Biologie der Angst Besonders die Wirkungen auf Angst, hemmend oder verstärkend, sind tief in den Automatismen unseres Körpers verankert und laufen oftmals völlig unbewusst ab. Bereits im Jahr 2006 konnte eine eindrucksvolle Studie der Universität Houston, Texas, zeigen, dass Menschen in ihren Schweiß unterschiedliche Zusatzstoffe beifügen, je nachdem ob sie ängstlich oder fröhlich sind. Das war zunächst nichts neues, wissen wir doch von vielen Tieren, dass sie Angstschweiß riechen können. Das können aber auch Menschen. In einem zweiten Teil der Studie wurden Probanden den unterschiedlichen Schweißgerüchen ausgesetzt. Dabei zeigte sich, dass Angstschweiß die Konzentration und Aufmerksamkeit steigert, während Freudenschweiß den Geist beruhigt und entspannend wirkt. Objektiv rochen die Probanden keinen Unterschied und beschrieben alle Gerüche als eher unangenehm. Die Wirkung auf das limbische System lief völlig unbewusst ab und gilt als Überbleibsel der Überlebensstrategie aus langer Vorzeit. Denn in einer Gefahrensituation ist es von höchster Wichtigkeit, aufmerksam und konzentriert zu sein. Susanne kennt diese Studien wahrscheinlich nicht und verwendet Lavendelöl allein aufgrund ihrer positiven Erfahrungen. Gerade an schweren Tagen, an denen ihr üble Gedanken durch den Kopf spuken und sie vor lauter Sorgen am Abend nicht zur Ruhe kommt, trägt ein wohliges Lavendelbad zu einem entspannten Schlaf bei. Und der ist wichtig, denn auch für psychiatrische Erkrankungen gilt, dass guter Schlaf stets auch eine gute Medizin ist. Welche ätherischen Öle wirken unterstützend bei einer Depression? Studien konnten für zahlreiche ätherische Öle eine positive Wirkung auf die Stimmung und eine Lösung von Ängsten belegen. Hierzu gehören Lavendel, Rose, Bergamotte, Zitronengras, Ylang Ylang, Orange und Rosmarin. Erfahrungsberichte ohne wissenschaftliche Belege sprechen außerdem für Kamille, Muskatellersalbei, Basilikum oder Grapefruit. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass nicht alle Düfte bei allen Menschen gleich wirken. Gerade die emotionale Wirkung eines Geruchs hängt stark von den individuellen Erfahrungen mit genau diesem Geruch ab und welche Erinnerungen und Emotionen mit ihm verknüpft sind. Während der frische salzige Duft der Nordsee den Einen an wohlige Kindheitstage erinnert, in der die Familie eine unbeschwerte Zeit an der See verbracht hat, verbindet der Andere diesen Geruch mit einem schrecklichen Tag auf einem Segelschiff, der mehr Übelkeit als Freude mit sich brachte. Jeder kennt sicherlich Gerüche, die sofort Wohlbefinden oder eben auch Unbehagen auslösen können. So ist es auch bei Susanne. Sie schwört auf Lavendel, besonders auch deswegen, weil sie zur Zeit der Lavendelblüte ihren wohl schönsten Urlaub in der Provence mit ihrem heutigen Ehemann erlebte. Der Duft lässt zusätzlich all die positiven Emotionen aufkommen, die sie mit dieser Zeit in Verbindung bringt. Orangen mag Susanne dagegen gar nicht. „Mit dem Geruch kannst Du mich jagen“, verrät sie mir. „Als Kind musste ich ständig Orangen essen, weil sie so gut für mein Immunsystem sind, dabei hab ich sie nie gemocht.“ In einem solchen Fall überschattet die individuelle Aversion die positive Wirkung eines bestimmten ätherischen Öls. Letztlich wirkt also gerade in Bezug auf positive Emotionen derjenige Duft am besten, mit dem wir die stärksten positiven Erinnerungen und Gefühle verknüpft haben. Die Studien zeigen, welche Macht Duftstoffe auf die Psyche haben, aber welcher auf den Einzelnen die stärkste Macht besitzt, dass muss individuell herausgefunden werden. Weitere Quellen: Braden R.et al, The use of the essential oil lavandin to reduce preoperative anxiety in surgical patients, Journal of Perianesthesia Nursing, 2009 Dec;24(6):348-55 Darshpreet Kaur et al., Antidepressant-like effect of essential oil of Cymbopognon Flexuosus in a chronic unpredictable mild stress-induced Depression Model in mice. 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