Die Jungen werden das Gefühl nicht los, die Alten hätten sie vergessen. Im Taumel von Konsum und Bequemlichkeiten hat die alte Garde übersehen, dass sich die Welt um sie herum gravierend verändert hat. Bei einem Satz „Die Lage ist ernst“ denkt man allenfalls an ihre Fondseinlagen oder zahlungsunwillige Mieter. Verlierer der letzten Bundestagswahl ist die junge Generation. Sie muss weiter auf zeitgemäße Veränderungen warten.

Welt und Gesellschaft aus der Sicht der jungen Generation

Die Generation unter 30 fühlt sich weder gehört noch gesehen. Die Verwirklichung ihrer Zukunftsvisionen wurde abermals vertagt. Koalitionspapiere haben anderes im Sinn. Es geht weiter wie gehabt: Stagnation als Basis politischen Handelns. Die Lebenswirklichkeit der Jungen ist für viele ältere Menschen so abstrakt wie moderne Malerei. Von den tieferen Gedanken ihrer Kinder und Enkel wissen sie wenig. In das Haus der Zukunft wollen sie nicht wirklich hineingehen. Wozu auch? Die Jungen werden immer weniger, die Alten immer mehr. Ist das wahltaktisches Kalkül oder ganz einfach ein Schmoren im Saft der eigenen Borniertheit? Ist es Angst vor Veränderung? Vor einem gesellschaftlichen Wandel?

Wenn man seine Kinder liebt, möchte man ihnen doch eine lebenswerte Zukunft hinterlassen. Wo bleibt also das Interesse an den Bedürfnissen, Wünschen, Hoffnungen und Ängsten der jungen Generation? Woher kommt diese Scheu vor jede echten Begegnung und Berührung? Was läuft da schief?

Junge Menschen nehmen vor allem wahr, dass die Erwachsenen wie vor Jahr und Tag meinen, sie wüssten schon genau, was für die Jungen gut ist. Wer soll das glauben angesichts der Weltlage und der zahllosen Krisen in allen Bereichen der Gesellschaft? Anstatt Zukunftsdiskurs und gesellschaftlicher Teilhabe sollen sie einem System dienen, an dem sich wenige, meist Ältere, bereichern. Millionen andere bleiben auf der Strecke. Selbst gut Ausgebildete, studierte Akademiker sind nicht davor gefeit, am Existenzminimum leben zu müssen. Vom Reichtum des Landes profitieren nur wenige. Der Rest müht sich, über die Runden zu kommen.

Der Nachwuchs hat keine Mehrheiten im Land der Alten

Wertvolle Inspirationen und Impulse, die der Nachwuchs parat hat, gehen dem Land verloren. Die Debatten der Politiker drehen sich zwar ständig um die Zukunft, aber sie konkret mitzugestalten ist jungen Menschen verwehrt – sofern sie nicht einer Partei beitreten. Doch wozu einen Weg antreten, der so offenkundig eine Sackgasse ist und in einer Katastrophe zu enden droht.

Für junge Menschen ist das Alte, das sich krampfhaft an der Macht hält, sinn- und wertentleert, ohne erstrebenswerte Ziele und im Grunde nur noch Schatten seiner selbst. Fast teilnahmslos warten sie, bis sich das System ausgetobt hat, und hoffen kann, dass dann noch etwas zu retten ist. Sie befürchten eher, dass die Welt im Chaos versinkt. So richtig glauben mag kaum jemand in der Generation der Nachwachsenden, dass sie das Ruder noch rumreißen können. Würde man ihnen doch jetzt mal ernsthaft zuhören. Sich ihren Modellen einer modernen Gesellschaftsform widmen und im Zusammenwirken der Generationen sinnvolle Zukunftsperspektiven entwickeln. Das wäre sensationell, wäre vom Feinsten. An solche Überraschungen wagt aber niemand mehr zu glauben. Viel zu sehr weigern sich die Alten zuzugeben, dass sie mit ihrer Weisheit am Ende sind.

Ohne die Impulse der Jugend vergreist und erstickt eine Gesellschaft. Ein 24-Jähriger sagte mir: „In der Schule lernen wir schnell, dass es besser ist, keine eigene Meinung zu haben und Gefühle nicht zu zeigen. Unterordnen und unauffällig sein ist das Beste. Übrig bleibt die Angst vor Nähe und Zärtlichkeit.“ Was soll aus solchen Menschen werden? Haben wir nichts anderes zu sein, als funktionierende Rädchen im System, Maschinen, die das hochgepriesene Wachstum produzieren? Das bringt ein Land nicht wirklich weiter.

„Wir sind die Generation der Pessimisten“

Junge Menschen sind aufgeklärter, als die Riege der „Alten“ gemeinhin denkt. Sie lassen sich nichts mehr vormachen und wissen genau, was abgeht, sind sämtlicher Illusionen über den Kapitalismus beraubt. Sie schauen dem Showdown schließlich jeden Tag zu und denken längst darüber nach, was danach kommt. Sofern es überhaupt ein „Danach“ gibt. Daran glauben nur noch die wenigsten von ihnen. Um es mal mit ihren Worten auszudrücken: „Ach, Zukunft. Hat doch alles keinen Sinn mehr. Wir haben aufgegeben und fiebern dem erlösenden ‚Armageddon‘ entgegen!“ Eine andere Stimme sagt: „Mit uns redet doch niemand. Niemand will uns zuhören. Von uns will sich keiner mehr wirklich auf ein System einlassen, das im Begriff ist unterzugehen.

Schon Jugendliche in der Pubertät ahnen, wie es um diese Welt bestellt ist und lassen sich nur schwer etwas vormachen. Während die Alten sich im Parteiengezänk verstricken, schauen die Jungen der Welt am Abgrund zu: Kriege, Flüchtlingsströme, Klimawandel, Umweltzerstörungen, vergiftete Nahrungsmittel, in Plastik erstickende Meere usw. Die Liste der Missstände und Bedrohungen wächst täglich. Allzu verständlich, wenn die virtuelle Welt oft angenehmer ist, man online lieber selbst wählt, in welcher Welt man sein will, anstatt sich das Drama da draußen reinzuziehen. Dafür haben sie nur ein Wort übrig: Langweilig! Sie hängen vor ihren Geräten, als säßen sie in einem großen Wartesaal. Warten, dass etwas wirklich Interessantes, Erfreuliches im äußeren Umfeld geschieht, die Erwachsenen mal etwas echt Krasses bringen, Menschsein zeigen. Dann sind viele junge Menschen sofort präsent, schnell zu begeistern und euphorisch bei der Sache. Für solche Augenblicke, vergessen sie gerne Handy, Tablet und Co. Aber solche Momente sind eher die Seltenheit. „Die Großen sind immer beschäftigt und gestresst, haben keine Zeit mehr, das Leben zu genießen, einfach mal nur Spaß zu haben und locker zu sein. Immer wollen sie nur Leistung!“, durchzieht es die Einschätzung junger Menschen den Älteren gegenüber wie ein roten Faden.

Die Resignation von jungen Menschen in den Zwanzigern ist fast erschütternd. „Wir sind die Generation der Pessimisten“, hörte ich von einem. Als ich fragte, wie er das meint, kam die unmissverständliche Antwort: „An was sollen wir noch glauben? Unsere Eltern haben uns gezeigt, dass Liebe nicht beständig ist und Ehen nicht halten. Unsere Gefühle behalten wir für uns und Nähe ist uns suspekt. Wir fragen uns in solchen Momenten, was dieser Mensch, der unsere Nähe sucht, von uns, von mir will. Was sollen wir noch glauben? Die Konzepte unserer Eltern sind gescheitert. Weder Karriere durch Bildung noch die sichere Rente sind uns garantiert. Alles ist Illusion geworden.

Die Alten sollten der jungen Generation zuhören

Aber es gibt auch resiliente junge Menschen. Sie – und das sind nicht wenige – lassen sich nicht entmutigen und ihrer Träume berauben. Sie schöpfen Hoffnung in pragmatischen Visionen und experimentieren eifrig und engagiert alternative Lebensweisen. Sie interessiert, wie sie geldfrei leben können, wie sie die wenigen Dinge, die sie in minimalistischen Lebensstilen und tiny houses brauchen, reparieren und wiederverwenden, wie sie wenig Abfall hinterlassen und so viel wie möglich selbst machen können. Sie wollen lernen, gestalten, mitbestimmen und bringen Wertschätzung, Toleranz und Empathie in ihr Umfeld ein. Ihnen ist der Planet wichtiger als Egotrips und Hierarchiegehabe. Auf Augenhöhe und in Konsens-Kreisen wollen sie sich bewähren. Wertvolles, kraftvolles Potential schlummert in diesen jungen Menschen. Ihre Gedanken sind klar und strukturiert. In Gesprächen und komplexen Sachverhalten kommen sie schnell auf den Punkt und dringen ohne Umwege zum Kern der Sache vor. Das ist einfach beeindruckend und beflügelt nicht selten den verkrusteten Geist.

„Wir müssen eine für uns lebenswerte Welt neu erfinden, unbekannte Wege gehen, Nischen in dieser Gesellschaft finden, um anders leben zu können, nämlich so wie wir das für richtig halten. Würde es irgendwo ein Lichtblick geben, würde alles in uns aufblühen, hätten wir wieder Lust auf das Leben. Was wir brauchen, ist ein Plan.“

An die Alten richtet sich deshalb der Ruf: Hören wir ihnen zu, schaffen wir ihnen Raum und unterstützen sie mit unseren Erfahrungen und Erkenntnissen wohlwollend in ihren zukunftsweisenden Projekten! Dann könnten wir tatsächlich noch etwas schaffen, alle zusammen, für dieses Land und die Welt überhaupt.

4 Responses

  1. Orlando
    Es gibt kein Alt oder Jung, kein Wir und kein Ihr

    Das ist eine ziemlich polarisierte Sicht der Situation. Ein Du und ein Ich, ein Wir und ein Ihr.
    Aber genau darin liegt die Wurzel des Problems.
    Aufhören zu Generalisieren und Polarisieren.
    Vergesst nicht, dass die „Alten“ diese Entwicklung veranlasst haben, damit sie ihren Kindern ein aus ihrer Sicht besseres Leben geben können.

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    • Raimar Ocken
      Es leben die Setzungen

      Aber ja, gibt es ein Alt und ein Jung usw. Das sind Setzungen, genau so wie warm und kalt, friedlich und gewalttätig usw. Unser globales Leben gestalten wir dual. Das ist notwendig, damit wir uns verständigen können. Das ist uralte Prägung. Kommt ein Jäger vor 5.000 Jahren von der Jagd nach Hause und berichtet seinen Stammesgenossen, dass er auf einen gefährlichen Säbelzahntiger gestoßen sei. Damit sie ihn verstehen können, benötigen sie eine gemeinsame Definition von „gefährlich“.
      Diese Übereinkünfte sind uns in gewisser Weise über die letzten Jahrhundert verloren gegangen. Nicht zufällig, sondern absichtlich. Aktuell heißt das zum Beispiel: Ist Covid-19 gefährlich? Wer hat dafür noch ein Verständnis, das mit Gefühlen in Verbindung steht: ein Begreifen? Die meisten Menschen begreifen (fühlen) nicht mehr, deshalb versuchen sie Probleme mittels messen, zählen und wägen zu lösen. Aber das geht nicht. Wir sind keine Maschinen.
      Was ist gesund, was ist krank – wie ist krank, wie ist gesund? – Daran arbeiten wir grade weltweit. Da müssen Junge und Alte zusammenarbeiten.

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  2. Raimar Ocken
    Die Spaltung besteht nicht zwischen Jung und Alt

    Als Grundproblem sehe ich, dass wir uns am Wendepunkt des exponentiellen Wachstumswahns befinden. Jetzt geht es darum, Neues zu erschaffen. Wir müssen uns selbst retten, die Regierung kann das nicht.
    Es gibt schon viele Fragmente dafür, die „nur“ noch zusammengebaut werden müssen. Wir brauchen ein ganzheitliches Weltbild, das nicht mechanistisch-analytisch-kapitalistisch definiert ist. Wir sind keine Maschinen. Mittels messen, zählen, wägen, wie es in der Schulmedizin üblich ist, kommen wir nicht mehr weiter (siehe SARS-CoV-2). Wir müssen ein ganzheitliches Verständnis umsetzen.
    Ich habe auf meiner Website einen Plan skizziert. Darüber können wir uns austauschen: http://wohlbefinden-in-berlin.de/plan.html .

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  3. Oliver
    Alt gegen Jung?

    Für mich, der in den 80er aufgewachsen ist, klingt das alles sehr vertraut – nur sind die Krisen vertauscht: statt Waldsterben Klimawandel, statt Tschernobyl Plastikmüll, statt drohendem Atomkrieg die Flüchtlingskrise, statt 16 Jahre merkelscher Stagnation 16 Jahre Kohl´sche Selbstzufriedenheit. Das Artensterben war damals allerdings auch schon Thema.

    Und ähnlich wie heute wollten viele meiner Generation eigentlich nur eins: Mindestens genauso üppig leben wie ihre Eltern. Die meisten wählten entsprechend – so wie viele Junge heute FDP wählen, nicht wenige CDU und eine ganze Menge sogar die AfD.

    Vielleicht verläuft die Spaltung ja nicht zwischen Alt und Jung sondern zwischen Menschen mit klarem Blick und Sehnsucht nach einem lebendigeren Leben einerseits und den Freundinnen und Freunden des Weiterso andererseits. Vielleicht sollten wir mit dem Generationen-Bashing aufhören und schauen, wie wir gemeinsam endlich in Bewegung kommen! Dem Himmel sei dank, gibt es in jeder Generation wieder Menschen, die genau das versuchen!

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