Der Jahresbeginn ist immer ein Zeitpunkt für gute Vorsätze. Mehr Gelassenheit im Alltag, gesünder essen und noch viele andere Dinge stehen auf unseren inneren Listen. Warum sich also nicht einmal vornehmen, eine Zeit lang ganz ohne Nahrung auszukommen und dabei überschüssigen Ballast auf allen Ebenen loszuwerden? In Zusammenhang mit Naturerfahrungen wird Fasten zu einer intensiven Zeit, die nicht nur viel mehr ist als eine Diät, sondern auch noch neue Ebenen der Genussfähigkeit in uns öffnet.

Von  Susanne Hackel

Essen ist für mich Genuss. Verschiedene Aromen, die aufeinander treffen und meinen Gaumen kitzeln. Wenn meine Freunde am großen Küchentisch Platz nehmen, um gemeinsam zu speisen, liebe ich nicht nur das Essen, sondern auch die Unterhaltungen, die sich neben den leckeren Speisen entfalten. Ich besitze viele Kochbücher. Manche behaupten auch, ich würde sie sammeln. Dabei mag ich es, in ihnen zu blättern. Bilder von Essen entspannen mich. Andere rauchen – ich schaue mir Kochbücher an. Und natürlich liebe ich das Kochen, wobei ich gerne mit Aromen und Kräutern experimentiere, um dem Essen einen Pfiff zu verpassen. Die Wärme von Zimt, die herablassende Kühle der Minze, ein fruchtig-waldiger Wacholder-Moment oder das süße Fenchel-Aroma…sie alle sind meine Verbündeten beim Kochen.

Da ist es sicherlich nicht verwunderlich, dass ich meine erste eigene Fastenerfahrung noch sehr gut in Erinnerung habe. Natürlich hatte ich schon viel darüber gelesen, übte ich mich doch seit Jahren regelmäßig vor Ostern sechs Wochen in Zuckerabstinenz und hatte ich immer mal wieder den einen oder anderen Fastenversuch unternommen. Aber als Genussmensch liebe ich das Essen und die Geselligkeit dabei, den gemeinsamen Familien-Moment beim Abendessen. Alles Faktoren, die es mir nicht gerade leicht machten zu fasten – und wohl der Grund für mein früheres grandioses Scheitern beim Fasten waren.

Fasten ist Verzicht

Der Begriff Fasten umschreibt den Verzicht. Meistens geht es dabei um Nahrung. Man kann aber auch auf andere Dinge verzichten wie Sprechen, das Schneiden der Haare, soziale Kontakte oder Sexualität (Zölibat). Fasten ist eine uralte Tradition. Eng verbunden mit religiösen Ritualen fasten die Menschen zu bestimmten Jahreszeiten oder um sich auf besondere Momente oder Feste (zum Beispiel Ostern) vorzubereiten. Man kann auf Nahrung auch aus gesundheitlichen Gründen verzichten, beispielsweise um das Gewicht zu reduzieren oder um bei akuten Erkrankungen den Körper zu entlasten.

Wer schon einmal gefastet hat, kann bestätigen, wie sehr sich die Sinne beim Nahrungsverzicht schärfen und dass die Wahrnehmung auf allen Ebenen gefördert wird. Die Askese in ihren vielen Formen (siehe oben), auch eine Art des Fastens, dient der Erhöhung der Willenskraft. Fasten hat zudem Auswirkungen auf emotionaler Ebene. So lassen sich Trauer und schlimme Ereignisse durch Fasten schneller verarbeiten. Trotzdem habe ich mich oft gefragt, warum ganz normale Menschen ohne gesundheitliche oder andere Probleme fasten?

Nachdem ich in diesem Jahr sechs Wochen auf Zucker verzichtet und auch sieben Tage gefastet habe, glaube ich, dass durch den Verzicht Platz entsteht. Ein Raum der Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit für mich. Vielleicht auch für die Frage: Was brauche ich wirklich? Was braucht meine Seele? Was passiert, wenn ich nicht esse, nicht konsumiere und dabei mich und meinen Körper wahrnehme? Quasi ganz pur. Und als Hoffnung für die Zeit danach: Lässt der Verzicht vielleicht auch den Genuss nach der Zeit des Verzichtes wachsen und größer werden? Wenn ich ehrlich bin, war Fasten erstmal nicht schön. Die Stadt ist voll von Essen, das verführerisch riecht.

Während meiner sieben Fastentage habe ich oft Essen fotografiert, das ich gerne gegessen hätte. Die Fotos habe ich an meine Freunde verschickt, ich wollte sie teilhaben lassen. Und ich wollte, dass sie mich anfeuern – was sie tatsächlich gemacht haben. Das hat mich sehr unterstützt.

Höchstleistung des Körpers – Entlastung

Wenn der Körper ohne Nahrung bleibt, stellt er den Stoffwechsel um. Die Reserven verbrauchend, wird entrümpelt – alles, was alt und unnötig ist, fliegt raus. Alles, was den Körper und die Entgiftungsorgane Leber, Haut, Lunge und Darm dabei unterstützt, tut gut. Regelmäßige Einläufe sind genauso wichtig wie Bewegung an der frischen Luft und Leberwickel. Der Körper stellt sich um. Die Sinne werden geschärft, und beispielsweise sind Gerüche in dieser Zeit viel intensiver. Und ja, ich gebe es zu: Ich habe beim Fasten tagelang nur an Essen gedacht. Aber dann, an Tag 7, kam dieser magische Moment, an dem Essen, an dem körperliche Nahrung völlig egal war. Getragen von einem großen Gefühl der Unabhängigkeit und Freiheit bin ich durch diesen Tag geschwebt. Dieser Tag ist ein besonderer Tag gewesen. Ich habe mich wunderbar gefühlt. Als kleiner losgelöster Teil eines großen Universums. Unabhängig und doch dazu gehörend und unwahrscheinlich frei.

Der Unterschied zu einer Diät

Bei einer Diät geht es um Gewichtsreduktion. Dabei kann man Kalorien zählen, Trennkost betreiben, auf Kohlenhydrate verzichten – es gibt unendlich viele Möglichkeiten. Aber hierbei geht es immer nur um das rechnerische Verlieren der Pfunde. Beim Fasten geht es um viel mehr. Die Frage „Was will ich loslassen?“ berührt nicht nur die physische Ebene, sondern auch Seele und Geist. Die Sinne mit schönen Erlebnissen zu füttern, Impulse und Gedankenanstöße zu geben und zu erhalten – und dies am besten noch in einer Gruppe, die vieles mitträgt –, das macht Fasten so anders. Fasten zielt also nicht vordergründig auf die Neumodellierung von Bauch, Beinen und Po, sondern ist ein ganzheitlicher Ansatz, der die Verbindung von Körper, Geist und Seele unterstützt und ausbaut.

Während eine Diät meist in den Alltag integriert wird und oft missmutig und dünnhäutig macht, verlangt Fasten einen klar gewählten und auf diese Erfahrung abgestimmten äußeren Rahmen, der die innere Einkehr vereinfacht, intensiviert und bewusst erlebbar macht. Das kann zum Beispiel ein Kloster sein oder ein schöner Urlaubsort – in jedem Falle ein Ort, der fern des Alltags liegen sollte. Die damit einhergehenden Erfahrungen machen das Fasten leichter und freudvoller. Der Fastenarzt Otto Buchinger verbindet darum das Fasten unbedingt mit ausgedehnten täglichen Wanderungen in der Natur.

Naturerfahrung als Seelenfutter

Auch ich persönlich schätze beim Fasten besonders das Sein in der Natur. Hier ist alles, was die Seele braucht, schon da. Ein zartes Vogelkonzert berauscht die sensibilisierten Sinne, der Wind verwuschelt mir liebevoll das Haar oder bläst schlechte Gedanken weg. Eine taunasse Wiese lädt zum mutigen Barfußlaufen ein und lässt mich meinen Körper auf neue Weise erfahren. Beim Fasten unterwegs zu sein, zu Fuß und durch die Natur, trägt die Gedanken manchmal an ungewohnte Orte. So kam mir während eines Fastenspaziergangs die Idee für eine besondere Reise, eine Idee, der ich in diesem Moment ganz einfach Raum geben konnte, die ich aber, wäre sie mir im Alltag gekommen, sofort als völlig unmöglich wieder weggeschoben hätte. Ein anderes Mal lehne ich an einem Baum und lasse meinen gedanklichen Ballast einfach dort. Dafür bekomme ich im Tausch einen bunten Herbstblätterstrauß – auch eine Art von Nahrung; Seelenfutter, das so wichtig ist, wenn der Körper keine Kalorien mehr bekommt.

All diese Eindrücke nehme ich mit in die Zeit nach dem Fasten. Und auch wenn das äußere Essen scheinbar ganz normal wieder seinen Platz in meinem Leben eingenommen hat, bleiben als innerer Gewinn purer Genuss – ja, eine einfache Kartoffel kann eine wahrhafte Geschmacksexplosion hervorrufen – und ein lebendiges Körpergefühl, das durch den Verzicht viel intensiver ist als vor dem Fasten. Und bis heute begleiten mich die Erinnerungen aus dieser intensiven Zeit, die ihre Fußabdrücke liebevoll in meiner Seele hinterlassen hat.

Infos zum Intervallfasten unter https://dailyrituals.de/intervallfasten/

Fastenwoche (nach Buchinger) in Potsdam vom 13. bis 18. April 2018
Fastenwoche (nach Buchinger) in Kloster Lehnin vom 16. bis 21. Oktober 2018
Kräuterführung: Ach du grüne Neune – diese Kräuter vertreiben den Winter!
25. März, 11 Uhr, Volkspark Potsdam
Info & Anm. unter Tel.: 0331-585 17 36 oder
info@susannehackel.de
www.susannehackel.de

Mehr Infos:
Dr. med H. Lützner , „Wie neugeboren durch Fasten“, GU Verlag
https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Buchinger
https://de.wikipedia.org/wiki/Fasten

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