Die Idee, im Winter auch im Eiswasser draußen baden zu gehen und Kältetraining zu betreiben, erscheint zwar extrem verrückt, ist aber auch sehr faszinierend.

von Ilian Sagenschneider

Nicht selten ist unser Alltag angefüllt mit zu viel Stress und zu wenig Erholung. Ein Termin jagt den nächsten und immer gibt es noch etwas zu tun. Auf Ruhephasen oder gar echte Erholung müssen wir und unserer Körper häufig bis zum Wochenende, ja, manchmal sogar bis zum nächsten Urlaub warten. Leider können die meisten von uns pro Jahr nur ein- oder zweimal verreisen, um ganz aus unserer üblichen Routine auszubrechen. Dann aber lernen wir ferne Länder kennen, exotisches Essen und erleben kleine und größere Abenteuer… nur um am Ende des Urlaubs festzustellen: Er hätte länger sein müssen!

Genau dieser Punkt brachte mich auf die Idee, etwas grundlegend zu verändern – nämlich kleine Urlaubselemente alle paar Tage regelmäßig in meinen Alltag einzubauen. Im Urlaub möchten wir doch im Grunde genommen das haben, was sonst im Alltag zu kurz kommt: einfach mal nichts tun, den Kopf frei kriegen, in der Sonne am Strand liegen, im Meer schwimmen, jeden Tag etwas Tolles essen oder etwas Aufregendes erleben. So in etwa funktioniert der Mix, der zu dem führt, was wir Erholung nennen. Und von genau dieser Mischung hätte ich auch gern ein wenig in meinem Arbeitsalltag. Denn Urlaub gibt es nur zweimal im Jahr, aber in der übrigen Zeit möchte ich mich ja auch wohl fühlen. Angefangen hat das Ganze mit dem Versuch, mehr Sonne abzubekommen. Im Sommer ist das relativ einfach: Kombiniert man nun Schwimmengehen an einem der schönen Berliner Seen mit Lunchpaket und Laptop, lassen sich so schon mal Freizeit und Arbeit gut miteinander verbinden. Denn Vitamin D bildet sich immer – ganz egal, ob man in der Sonne entspannt, am Computer arbeitet oder mit Kunden telefoniert.

Sonnenbaden oder Kältetraining

Natürlich war es letztes Jahr nicht jeden Tag sonnig oder warm genug zum Schwimmen. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich schon eine Weile mit den Ideen von Wim Hof, dem großen niederländischen Pionier des Kältetrainings, befasst. Der Gedanke, im Winter auch im Eiswasser draußen baden zu gehen, erschien mir zwar extrem verrückt, aber auch sehr faszinierend. Dass Kälte einen enormen Effekt auf Körper und Stoffwechsel haben kann, war mir ja bewusst (Siehe SEIN Februar, 2019: “Kälte statt Kaffee”).

Also habe ich letzten Sommer ganz sanft an den kühleren Tagen mit meinem Kältetraining im Wasser begonnen. Und das hatte stärkere Auswirkungen auf mich, meinen Alltag und mein Denken, als ich je geglaubt hätte. Wenn wir morgens aus dem Fenster sehen, beurteilen wir den Tag häufig nach dem Wetter: Sonnenschein bedeutet „guter Tag“, Regen oder Kälte bewerten wir als schlecht.

Interessanterweise hat sich das für mich mittlerweile komplett aufgelöst: Ein heller Tag ist gut, weil ich dann wieder Sonne tanken kann, ein kalter Tag hingegen ist auch gut – für mein Kältetraining am See. Und je kälter, desto besser und intensiver ist der Effekt! Mein Körper hat sich schnell an die Kälte angepasst. Nach anfänglicher Überwindung fiel es mir auch Ende September nicht mehr schwer, an den kälteren Tagen ins Wasser zu gehen. Man friert auch nur die ersten zwei Minuten, danach spürt man, wie die körpereigene Heizung anfängt, dich wunderbar warm zu halten. Kombiniert man diesen Moment mit tiefen Atemzügen, beginnt man sich richtig wohl zu fühlen und entspannt sich in der Kälte.

Und am Ende ist es doch egal, ob mich im Sommer das Seewasser wärmt oder im Winter mein eigenes, braunes Fettgewebe. Denn diese besonderen Fettzellen werden bei regelmäßigen Kälteimpulsen reichlich gebildet. Da sie mit einer Fülle von Mitochondrien ausgestattet sind, verbrennen sie massenhaft Zucker und wärmen uns von innen. Dabei wird übrigens auch überschüssiges, normales Fett abgebaut! Durch die Vermehrung dieser Kraftwerke können wir uns so quasi von einem Sechs-Zylinder- Stoffwechsel auf einen Zwölf-Zylinder-Antrieb „hochfrieren”. Ein Effekt, den wir sonst nur von intensivem Sport kennen.

Altbekanntes völlig neu erleben

Ebenso war der Effekt des Kältetrainings auf meine Stimmung ganz enorm: Nach jedem Eisbaden hatte ich im Anschluss mehrere Stunden richtig gute Laune. Der Endorphinschub, den unser Gehirn nach jedem Kälteimpuls auslöst, ist wie ein wunderbarer „Urlaubseffekt” im Alltag. Man fühlt sich danach locker, fröhlich und entspannt. Vielleicht ist es noch schöner, im Urlaub auf einem Kamel zu sitzen und durch die Wüste zu reiten. Aber ist es nicht auch abenteuerlich, mitten im Winter nackt im Weißensee zu schwimmen und direkt neben den verdutzten Schwänen durch das Wasser zu gleiten?!

Einmal habe ich sogar im Gegenlicht der Abendsonne eine Fledermaus, einen Meter von mir entfernt, über das Wasser fliegen sehen. Durch die Lederhaut ihrer Flügel schimmerte das Licht und hat mir dieses Tierchen gezeigt, wie ich es noch nie erlebt habe! Auch mein eigener Körper hat mich überrascht: Er war auf einmal in der Lage, mehr als zehn Minuten in dieser Kälte draußen zu schwimmen. Und verrückterweise hat es auch noch Spaß gemacht! Ich habe all diese vertrauten Dinge noch nie so aufregend erlebt wie in diesem Winter. Enten füttern im Park ist halt normal, aber mit ihnen gemeinsam schwimmen zu gehen ist ein echtes Erlebnis!

Abenteuer Stadtpark

Und natürlich wurde das Wasser von Tag zu Tag immer kälter… und ich gebe zu, irgendwann bin ich nur noch dreimal und dann nur noch zweimal die Woche rausgegangen. Aber im Februar durch die dünne, leicht gefrorene Eisdecke des Plötzensees zu schwimmen war schon ein magisches Erlebnis! Zu spüren, wie unter mir feinstes Wassereiskristall zersplittert und mein Körper trotzdem in der Lage ist, mich schön warm zu halten, ist schon sensationell. Und es ist keine Frage von „Dafür-muss-manaber- auch-Zeit-haben”. Denn im tiefsten Winter bleibt man selten länger als fünf Minuten im Wasser. Nur fünf Minuten – aber man bekommt den vollen Effekt: jede Menge Glückshormone und einen hellwachen, wunderbar durchbluteten Körper mit neuem, besserem Fettgewebe, das massig Zucker verbrennt. Dazu die enormen Vorteile einer verbesserten Blutversorgung. Gerade der Mangel an Mikronährstoffen infolge schlecht durchbluteter Gewebe wird immer mehr zum großen Thema in der Medizin. Und nach dem Eisbaden hat man einen wunderbar warmen und entspannten Körper. Sorgen und lästige Gedanken weichen einer leichten Fröhlichkeit, die man sonst im Alltag nur selten hat. Viele meiner Freunde haben diesen Winter bei meinem Experiment mitgemacht. Und die Stimmung danach ist immer eine völlig andere als die Stimmung davor. Dieser Sprung ins kalte Wasser macht einem buchstäblich in Sekunden den Kopf frei. Man ist sofort da. Im Hier und Jetzt. Und so kitschig es klingt: eins mit der Natur! Wer jemals im Dezember um Mitternacht bei einer malerischen Wolkenformation und Vollmond durch den Weißensee geschwommen ist, weiß, was ich meine…

Extra-Portion gute Laune

Macht man sich diese paar Minuten im kalten Wasser im Herbst und Winter zur Gewohnheit, verändert sich der gesamte Alltag. Jeder Tag bekommt eine kräftige Extra-Portion gute Laune, einen intensiven Moment in der Natur – und jede Minute im kalten Wasser lässt dich kraftvoller werden. Wenn man das Ganze dann noch mit tollem Essen und guten Freunden kombiniert, hat man einen sehr coolen „Urlaubsmoment”: ein frischer Gemüsesaft oder eine exotische, isotonische Trinkkokosnuss davor (Siehe SEIN Juni, 2019 „Tropisch unterwegs”) sorgen für einen perfekten Start in den Tag oder in den Feierabend. Die gute Durchblutung danach sorgt für eine optimale Nährstoffverteilung, und gemeinsam mit Freunden macht diese verrückte Sache doppelt so viel Spaß. Ich möchte diese kleine, kalte Erholungsinsel im Alltag nicht mehr missen. Auch die erstaunten Blicke der Spaziergänger sonntagnachmittags im Februar, wenn wir ins Wasser springen, sind unbezahlbar. Und verrückterweise ist dies der erste Winter, in dem ich mich nicht mehr soooo sehr auf den Sommer freue. Denn dann wird das Wasser ja leider wieder so warm…

Vortrag 1: „Omega-3-Fettsäuren – Ölwechsel für den Körper“ Do, 5. März 2020, 19 Uhr, Eintritt 10 €
Vortrag 2: „Der Granatapfel – Mythos und medizinische Wirkung“ Do, 26. März 2020, 19 Uhr, Eintritt 10 €
Vortrag 3: „Antioxidantien – Rostschutzmittel für den Körper“ Di, 31. März 2020, 19 Uhr, Eintritt 10 €
Wochenendseminar: „Abenteuer Ernährung” Sa/So, 4./5. April 2020 Jeweils 11 Uhr bis 17.30 Uhr Kosten 220 € inkl. tropischem Buffet
Ort: Im “Kunstraum” neben dem LOTTO Laden, Waldstraße 88, 13156 Berlin Pankow
Messevortrag auf der ROHVOLUTION Berlin „Die Magie der Kälte“ Sa, 21.März 2020, Raum II, 16 Uhr Sa, 22.März 2020, Raum III, 15 Uhr Messe Tagesticket 10 €, Vortrag 2 €
www.rohvolution-messe.de

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