Es gibt die unterschiedlichsten Auffassungen darüber, welche Ernährungsform für uns Menschen perfekt ist. Eines jedoch haben sie fast alle gemeinsam: Sie empfehlen mehr Grünzeug. Doch chlorophyllhaltige Lebensmittel – obwohl sehr gesund – haben es für gewöhnlich sehr schwer auf unserem Speiseplan! Meist schmecken sie uns nicht gut genug, werden von Backwaren oder Süßigkeiten verdrängt oder schlicht vergessen. Ein Dilemma, gerade wenn man bedenkt, dass man täglich etwas davon essen sollte …

von Illian Sagenschneider

Postelein ist mein Lieblingsgrün. Und wie es sich für eine interessante botanische Persönlichkeit gehört, hat auch er eine Reihe von unterschiedlichsten Namen bekommen: Montia perfoliata heißt der Kleine auf Latein. Im deutschen Sprachraum nennt man ihn auch Winterportulak, Kubaspinat, Tellerkraut oder einfach Winterpostelein. Er gehört zur Familie der Quellkrautgewächse und ist somit kein echter Spinat oder Portulak. Postelein wächst wunderbar den Winter über bei sehr niedrigen Temperaturen im Gewächshaus. Von all den Salaten, Kräutern und dem grünen Gemüse, das man so in den Supermärkten antrifft, mag ich dieses kleine, feine Blättchen mit dem langen Stiel am liebsten! Und das hat weniger damit zu tun, wie es schmeckt, als vielmehr damit, wie es nicht schmeckt: Postelein ist nicht bitter, nicht herb, nicht scharf, nicht würzig, kurzum – er schmeckt nicht „grün“!

Der Geschmack seiner langgestielten, leicht dickfleischigen Blätter lässt sich ganz gut mit „mild, frisch und etwas nussig“ umschreiben. Dieser feine, fast schon neutrale, aber insgesamt angenehme – und vor allem nicht unangenehme – Geschmack macht diese Salatpflanze für mich zum perfekten „Grün für Anfänger“. Denn es ist ja recht schwierig, Leute für mehr Salat zu begeistern. Gerade Kinder stochern häufig endlos lang in ihrem Grünzeugs herum, und wenn es dann auch nur etwas bitter ist, wird es letztlich nicht gegessen. Mischt man aber Postelein in einen Smoothie mit etwas Obst, dann bleibt von ihm fast nur noch die grüne Farbe übrig, ansonsten dominiert der Geschmack der jeweils verwendeten Früchte.

„Grünzeug für Anfänger“

Das Problem ist ja oft: Gibt man Kindern (oder auch manchen Erwachsenen) beispielsweise einmal einen grünen Smoothie, der ihnen nicht schmeckt (weil er zu herb oder bitter ist), dann hat man in der Regel keine zweite Chance. Denn auch wenn der neue Smoothie völlig anders schmeckt – er sieht halt genauso grün aus wie der erste, den sie nicht mochten. Und wird deshalb nicht mehr angerührt. Ein Postelein-Frucht-Smoothie hingegen kommt fast immer gut an. Und mit ihm seine wertvollen Inhaltsstoffe. Kubaspinat ist nämlich eine wunderbare Vitamin-C-Quelle für den Winter, dazu kommen noch Magnesium, Calcium und Eisen. Und er hat weniger von dem unerwünschten Nitrat, das bei anderen Salaten häufig anzutreffen ist. Seine ursprüngliche Heimat ist übrigens der Westen Nordamerikas. Von hier aus nahmen Siedler ihn auch mit in die Karibik – daher „Kubaspinat“.

Die Indianer betrachteten ihn als Heilpflanze und nutzten diese gegen rheumatische Beschwerden und Augenerkrankungen. Ebenso wird Postelein in der traditionellen chinesischen Medizin regelmäßig angewendet. Leider wird Postelein im Laden eher selten angeboten. Er ist nicht lange lagerfähig und muss schnell verzehrt werden. Und nicht wenige Leute kennen ihn auch gar nicht oder wissen nicht so recht, was sie damit anfangen sollen …

Ich für meinen Teil nutze ihn sehr häufig, wann immer ich ihn auftreiben kann. Meist nerve ich die Biostände auf dem Markt, wann sie denn endlich wieder Postelein haben, und sobald ich eine Tüte davon erbeutet habe, wird ihr Inhalt noch am gleichen Tag ausgiebig verwendet.

Wenn die Saison von diesem Quellkraut – gewächs im Frühjahr ausläuft, nehme ich übrigens den echten Portulak als Alternative für den Sommer. Portulaca oleracea ist der Sommerportulak und gehört einer anderen Familie an, nämlich den Portulakgewächsen. Aufgrund der Namensgebung „Winterportulak“ für Postelein werden die beiden nicht selten durcheinandergeworfen. In einer Salatschüssel wäre das übrigens nicht schlimm, wobei die beiden schwer gleichzeitig zu kriegen sind. Aber aus den unterschied – lichen Familien resultieren auch unterschied – liche Inhaltsstoffe. Und hier hat der Sommerportulak ein paar ganz besondere innere Werte: Er enthält neben den reichlich vorhandenen Antioxidantien Alpha-Tocopherol, Ascorbinsäure (Vitamin C) und Beta-Carotin auch die wichtige Alpha-Linolensäure. Solche Omega- 3-Fettsäuren kommen nicht sonderlich häufig in unserem täglichen Speiseplan vor.

Mit Omega-3-Fetten verbinden wir zumeist Leinöl, Fisch oder Walnüsse. Aber auch grünes Blattgemüse kann uns eben solche wichtigen Fettsäuren liefern. Mit 400 mg Alpha-Linolensäure pro hundert Gramm Frischgewicht übertrifft der Sommerportulak den gewöhnlichen Kopfsalat um das 20-fache! Und die positiven Wirkungen der Omega-3-Fette sind unumstritten – sie sind wichtig für den Gehirnaufbau, die Flexibilität unserer Zellmembranen, sie beeinflussen Blutgerinnung und Entzündungsprozesse ebenso wie unsere geistigen Leistungen (siehe SEIN, Februar 2018: „Omega 3 – Gut für’s Gehirn“). Da Portulak ebenfalls selten angeboten wird, ziehe ich ihn mir meist selbst im Garten oder auf dem Balkon. Er wächst superschnell und kann schon nach gut drei Wochen geerntet werden.

Extraportion Chlorophyll

Nutzen kann man Postelein – also Winterportulak – und den echten Portulak auf die gleiche Weise. Zurzeit nehme ich ihn gerne als grünen Smoothie mit Granatapfel. Eine perfekte Kombination, denn der Granatapfel ist ja extrem reich an Antioxidantien. Hinzu kommen bei ihm wertvolle Fettsäuren (seltene Omega-5- Fette). Gleichzeitig hat dieser „Apfel“ ein besonders ausgewogenes Zuckerverhältnis – und nicht zu viel Fructose, wie bei überzüchtetem Obst. Weiterhin mache ich gern Postelein/Portulak- Gemüsesäfte. Eine Handvoll Salat, dazu etwas Zitrone, Ingwer, Fenchel oder Rote Beete ergeben einen prima Start in den Tag.

Des Weiteren ist er eine gute Ergänzung, wenn man Obst isst oder einen Obstsalat macht. Sein milder Geschmack stört den Fruchtgenuss nicht im Geringsten, und zugleich bekommen wir so eine Extraportion Chlorophyll mitgeliefert. Ein Blick auf die Schimpansen zeigt übrigens, dass sie gerne Mangos direkt zusammen mit den Blättern futtern. Unsere haarigen Verwandten versorgen sich so mit Mineralien und Blattgrün, wenn sie „Zucker“ essen. Bei uns werden Früchte leider fast immer ohne „Grün“ gegessen.

Salat als „Chipstüte“

Meine Lieblingsvariation von Postelein (und natürlich auch Portulak) kommt aber erst später am Tag zum Einsatz. Ich gucke nämlich sehr gerne zum Feierabend die verschiedensten Serien. Früher habe ich dabei immer Unmengen an Chipstüten vernichtet. Will man sich aber halbwegs gesund ernähren, sollte man das natürlich reduzieren oder besser ganz sein lassen. Und genau hier ist dieser kleine Salat mein neuer Freund geworden: Ein, zwei oder drei Handvoll Postelein (je nach Serienlänge), dazu hauchfein geschnittene Ringe einer Porreestange (je nach Schärfewunsch), darüber gebe ich ein gutes Olivenöl oder ein frisches Leinöl in Rohkostqualität (viel und reichlich). Zuletzt streue ich Würz-Hefeflocken, etwas Salz und eine Portion Bio-Gewürze darüber. Ich empfehle hier besonders die teuren kleinen Döschen aus dem Bioladen – diese sind unglaublich intensiv-würzig und es gibt sie in den verschiedensten Geschmacksrichtungen (Korsika-, Mykonos-, Toskana- oder Curry-Mischung).

Am Ende hat man einen tollen, würzig-knackigen Salat, der schön ölig und scharf ist – sprich: Ich habe all das, was mir sonst auch meine Chips geboten haben. Hat man sich einmal daran gewöhnt, dass die „neue Chipstüte“ etwas feuchter und frischer schmeckt, wird man sie lieben. Konditioniert man sich nun selbst ein paar Monate lang auf Serienkonsum plus Postelein-Lauch-Salat, stellt sich ein interessanter Effekt ein: Macht man nach einiger Zeit wieder eine Chipstüte auf, schmeckt sie dann erstaunlich trocken, pappig und oft zu salzig. Davon abgesehen enthält der „Grünzeug- Chipsersatz“ keine Getreidesorten, keine toxischen Advanced Glycation Endproducts (siehe SEIN März 2017, „Vermeidung von A.G.E.“) und auch keine gefährlichen, künstlichen Transfette.

Im Gegenteil: Mit dieser grünwürzigen Alternative versorgen wir unseren Körper so ganz nebenbei mit hochwertigen Fetten und starken Antioxidantien. (Wer es „süß-sauer“ haben möchte, kann auch einen ganzen Granatapfel mit in diesen Salat packen – ein unerwartet leckerer Effekt!) Aber natürlich hat die Sache auch einen Haken: Man muß ein paar Minuten vor dem Serienkonsum in der Küche verbringen und den ganzen Kram vorbereiten. Eine Chipstüte ist sicher schneller gekauft und aufgerissen. Allerdings kosten uns Transfette später mehr Zeit. Statistisch gesehen rauben sie uns nämlich einige Jahre Lebenszeit – und diese investiere ich lieber in weitere coole Serien …

Nächstes Wochenendseminar
„Abenteuer Ernährung“ am Sa./So. 18./19. Mai 2019, jeweils von 11 bis 17.30 Uhr
(Veranstaltungsort wird noch bekannt gegeben).
Vortrag am Fr, 3. Mai 2019 um 19.30 Uhr: „Antioxidantien – ‘Rostschutzmittel’ für den Körper“, Eintritt 5 €, Zahnarztpraxis Dr. Jasmina Riedel, Grolmanstraße 44, 10623 Berlin (Nähe Savignyplatz)
Vortrag am Mi, 8. Mai 2019 um 19.30 Uhr: „Die Magie der Kälte“, Eintritt 5 €, Zahnarzt Praxis Dr. Jasmina Riedel, s.o.

Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*