Das Immunsystem ist auf die Darmgesundheit ebenso angewiesen wie umgekehrt die Darmgesundheit von einem einwandfrei arbeitenden Immunsystem profitiert. Dies ist unter anderem durch die Tatsache zu erklären, dass nahezu 80 Prozent aller Immunzellen im Dünndarm beheimatet sind und intakte Mikroorganismen des Dickdarms maßgeblich zu Gesundheit und Wohlbefinden beitragen. Grund genug, dem Immunorgan Darm und seinen Funktionen noch einen weiteren Artikel zu widmen (erster Teil in SEIN Nr. 02/03 2021).

Medizinische Informationen über den Darm können uns wirklich zum Staunen bringen, denn dieses Organ leistet im Körper eines Menschen viel mehr als die bloße Verdauung von Nahrung. Ein Großteil der Immunzellen (70 bis 80 Prozent) sind im Darm beheimatet. Darum beeinflusst auch die sogenannte Darmflora im großen Maße das Immunsystem und spielt für die körpereigenen Abwehrkräfte eine entscheidende Rolle. Was in Naturheilkunde und Ganzheitsmedizin schon lange bekannt ist, haben Italienische Forscher 2013 im Fachjournal European Review for Medical and Pharmacological Sciences wissenschaftlich verankert: Es gäbe nun immer mehr „wissenschaftliche Beweise“ dafür, dass unser Darmbefinden enorme Auswirkungen auf unser Immunsystem habe. Sie erklärten dies mit folgenden Fachinformationen: „Unser Darm ist sehr komplex aufgebaut und hat nährende, schützende, stoffwechselanregende und immunologische Funktionen. Sie stehen mit dem zellulären und dem humoralen Immunsystem* in einem permanenten und regen Austausch. Verbirgt sich irgendwo in dieser stetigen Kommunikation ein noch so kleiner Fehler, können chronisch-entzündliche Erkrankungen oder Autoimmunerkrankungen entstehen.“

Darmflora, Immunsystem und körperliche Wechselbeziehungen

Unser Dünndarm spaltet Kohlenhydrate, Einweiße und Fette aus dem Nahrungsbrei und trennt dabei das Trübe vom Reinen. Die dabei entstehenden Moleküle werden über die Dünndarmwand ins Blut resorbiert. In der Bindegewebsschicht der Dünndarmschleimhaut sitzend befinden sich zwei Drittel unserer Immunzellen, die in regem Austausch miteinander stehen. Sie kommunizieren über entsprechende Botenstoffe und bilden Antikörper, die über das Blut- und Lymphsystem unser angeborenes und erworbenes Immunsystem aktivieren und bestrebt sind, dessen reibungslosese Funktionieren sicherzustellen. Auf diese Weise ist das Darm-assoziierte Immunsystem mit allen anderen Schleimhäuten wie zum Beispiel der Nasen-, Mund- oder Bronchialschleimhaut immunologisch vernetzt. So kann das im Darm bereits Erlernte von den Immunzellen auch in anderen Schleimhäuten eingesetzt werden. Die Gesamtheit aller Darmbakterien – die Mikroorganismen – werden als Darmflora bezeichnet. Etwa 100 Billionen Mikroorganismen befinden sich im menschlichen Dickdarm und in geringer Menge auch im Enddarm. Sie haben unterschiedliche Funktionen und Fähigkeiten und helfen unter anderem dabei, aus den hier ankommenden unverdaulichen Nahrungsresten noch etwas Verwertbares herauszuholen, und unterstützen auf diese Weise den Verdauungsprozess. Manche dieser Mikroorganismen sind für den Transport wichtiger Vitamine und Mineralstoffe durch die Darmwände hindurch in den großen Blutkreislauf verantwortlich, andere Darmbakterien können toxische Substanzen neutralisieren, um nur einige wichtige Aspekte des Dickdarms zu nennen. Dünn- und Dickdarm sind somit wichtige Teamplayer unseres Immunsystems.

Unser Darm

• Länge: 6 bis 8 Meter
• Oberfläche: zirka 400 Quadratmeter
• Besiedlung der Darmschleimhaut mit 100 Billionen Bakterien (zehnmal so viel wie die Zahl unserer Körperzellen insgesamt)
• Besiedlung mit 500 bis 1.500 verschiedenen Bakterienarten
• etwa 70 bis 80 % der Immunzellen befinden sich im Darm
• Zuständig für die Bildung des Botenstoffes Serotonin (für Wohlbefinden und Beruhigung notwendig, aber auch für Muskelbewegungen im Darm sowie für die Verdauung)
• Zuständig für die Bildung von Vitaminen und Nährstoffen
• Steuerung von wichtigen Stoffwechselprozessen
• Enthält 100 Millionen Nervenzellen

Die Auswirkungen ungesunder Lebensstile

Eine ungesunde Lebensführung (zucker-/ kohlehydrat-/ fettreiche Nahrungsmittel, jede Art von Fastfood, Fertiggerichte, schnelles Essen und Runterschlingen), Alkoholkonsum, Zigaretten, chronischer Stress, Medikamenten-, insbesondere Antibiotikaeinnahme, Schlafmangel, Bewegungsmangel, Kurzatmigkeit/Fehlatmung, ungesunde Umweltbedingungen und weitere Faktoren können unsere Darmgesundheit insoweit beeinflussen, dass die natürliche Darmsymbiose aus dem Gleichgewicht gerät. Diese Situation wird in Fachkreisen als Dysbiose oder Dysbakterie bezeichnet. Von dieser ungünstig veränderten Darmsituation profitieren vor allem pathogene Mikroben, sogenannte schädliche Organismen. In einem dysfunktionalen Darmmilieu können sie sich blitzschnell vermehren und an den empfindlichen Schleimhäuten des Verdauungstraktes Schäden hervorrufen. Magenschleimhautentzündungen sowie Entzündungen der Darmschleimhaut sind oftmals die Folge. Ist es unserem Körper über einen längeren Zeitraum nicht möglich, das Gleichgewicht der Mikroorganismen wieder herzustellen, können die Entzündungsprozesse chronifizieren und weitere Krankheiten bedingen, die als Gastritis, Colitis Ulcerosa, Morbus Crohn, chronische Entzündung der Dickdarmschleimhaut oder chronische Entzündung der Schleimhaut im gesamten Verdauungstrakt zum Ausdruck kommen können.

Psychische Erkrankungen und Darmgesundheit

Eine stark gestörte Darmflora kann auch gravierende Auswirkungen auf andere Bereiche unseres Körpers haben. In medizinischen Fachkreisen werden immer mehr Zusammenhänge diskutiert zwischen einer gestörten Darmflora, einem geschwächten Immunsystem sowie Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose, Hashimoto und Diabetes, Hauterkrankungen jeder Art, Pilzinfektionen sowie diverse Allergien, um nur einige zu nennen. Aus naturheilkundlicher und ganzheitsmedizinischer Sicht wird sogar davon ausgegangen, dass eine Dysbiose/Dysbakterie generell an der Entstehung von Krankheiten beteiligt ist. Darum ist es wichtig, immer auch den Darm als Wirkfaktor bei Erkrankungen in Betracht zu ziehen und ihn in angemessener Weise zu unterstützen. Auch bei vielen psychischen Erkrankungen finden wir oftmals eine gestörte Darmflora und ein geschwächtes Immunsystem vor. Dies zeigt deutlich, wie eng alles miteinander verwoben ist (Immunsystem, Nervensystem, sämtliche Organe und die menschliche Psyche) und dass unser Körper mit Hilfe von Symptomen uns gerne immer wieder zu neuen, gesünderen Verhaltensweisen auffordert.

Serotonin – ein Hormon für Beruhigung und Wohlbefinden

Der Botenstoff Serotonin wird im Zentralnervensystem vor allem in den sogenannten Raphekernen des Hirnstamms gebildet. Als Neurotransmitter – das ist ein nervaler Botenstoff, der entweder erregend an der postsynaptischen Membran wirkt und so ein Aktionspotenzial auf weitere Synapsen auslöst oder hemmend auf diese wirkt – regelt Serotonin die Körpertemperatur, den Schlaf und einige Bereiche des Gefühlserlebens. Der Botenstoff Serotonin wird jedoch vorrangig und zu großen Teilen in den enterochromaffinen Zellen (spezialisierte Zellen des Verdauungstraktes, die Botenstoffe produzieren) der Darmschleimhaut im Dünndarm gebildet. Die Thrombozyten, unsere Blutplättchen, transportieren das Serotonin im Körper.

Dieser wichtige Botenstoff wirkt sich auf unser Wohlbefinden aus, wirkt beruhigend, fördert einen gesunden Schlaf und stimuliert die Gedächtnisleistung. Noch ein weiterer Grund, sich einer langfristigen Darmgesundheit zuzuwenden.

Darmgesundheit, Immunsystem und ausgewogene Ernährung

Unsere Verdauung beginnt bereits im Mund, heißt es. Das Kauen und Einspeicheln von Nahrung ist der erste Schritt in die „Verdauung“. Was lassen wir in unseren Körper hinein, wie nehmen wir es auf und wie gehen wir damit um? Nicht selten sagt die Art, welche Nahrung und wie wir diese in uns aufnehmen und verdauen, etwas darüber aus, wie wir die Ereignisse im Leben in uns aufnehmen. Wie wir sie in uns verstoffwechseln und anschließend wieder verdauen und loslassen. Was gehört zu mir und was nicht? Was dient mir und was nicht? Was macht mich gesund und was schadet mir? Welche Zufuhr stärkt mich, welche schwächt mich? Von etwa zwanzig Stunden bis hin zu mehreren Tagen kann ein Verdauungsprozess unter höchstem körperlichen Energieeinsatz andauern. Wenn wir bedenken, dass Verdauung und Immunsystem stets in Verbindung stehen und sehr eng zusammenarbeiten, lohnt es sich, auch die Ernährung aufmerksamer und bewusster zu gestalten. Beginnend bei regelmäßigen Mahlzeiten, vernünftigen Portionen, langsamem Essen, gründlichem Kauen. Detaillierte Infos im untenstehenden Kasten.

Darmgesundheit – so geht´s

• Eine ausgewogene Ernährung mit Ballaststoffen, Schonkost, frischem saisonalen Bioobst und Gemüse
• Nährstoffreiche, vitaminreiche und abwechslungsreiche Kost
• Warme, gut verdauliche Speisen in den kalten Jahreszeiten und leichte, gut verdauliche Speisen in den heißen Monaten
• Verzicht auf Industriezucker
• Auf Transfette – Chips, Margarine, Fertigprodukte, Süßigkeiten und frittiertes Essen – möglichst verzichten
• Gesunde Fette in Maßen essen oder bei bereits nachgewiesenen dysfunktionalen Darmsymptomen meiden: Butter, Sahne, Wurst, Käse und Fleisch
• Gut: einfach ungesättigte Fettsäuren wie beispielsweise in Avocados, Nüssen, Samen, Raps- und Olivenöl (diese Fettsäuren kann der Körper auch selbst herstellen).
• Sehr unterstützend: mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie beispielsweise in Walnüssen, Kaltwasser-Fischarten, pflanzlichen Ölen wie Walnuss-/ Lein-/Distelöl
• Eine ausreichende Flüssigkeitsmenge von mindestens 2-3 Litern Wasser oder Tee täglich wird empfohlen
• Ausreichend körperliche Bewegung im Freien, aber auch Indoor-Körperübungen, wenn die Zeit manchmal nicht für einen Spaziergang reicht.
• Rhythmische Atemübungen und allgemein verbundenes, tiefes Atmen sorgen für ein ausgewogenes Milieu in unseren Zellen.
• Der Darm liebt Rhythmus! Insbesondere, wenn wir unseren eigenen biologischen Rhythmus entdecken und diesem folgen.
• Psychischen Stress reduzieren oder – wenn möglich – meiden.
• Der Darm wird auch als Bauchhirn bezeichnet, worin Sinnesreize verarbeitet werden (was gerne als Sitz unser Intuition angesehen wird). In unüberschaubaren Zeiten wie diesen kann ein gutes Bauchgefühl sehr dienlich sein.

Quellen: Rogers MA et al. The influence of non-steroidal anti-inflammatory drugs on the gut microbiome., Clin Microbiol Infect. Februar 2016.
Dr. Rosina Sonnenschmidt, Verdauungsorgane – der Weg zur Mitte, Schriftenreihe Organ – Konflikt – Heilung

*der Teil der Immunantwort des Körpers, der durch die nicht-zellulären Bestandteile von Körperflüssigkeiten vermittelt wird (aus: Wikipedia)

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