Tochter und Mutter – sage mir, wie dein Verhältnis zu deiner Mutter ist und ich sage dir, wie deine Beziehung zu allen anderen Frauen in deinem Leben ist…

von Gesine Gammert

So ungefähr würde ich den Einfluss deiner Mutter auf dich und deine Beziehungen beschreiben. Die Tochter und Mutter – Beziehung ist nun mal unsere allererste Erfahrung. Selbst wenn diese vielleicht nicht besonders innig oder schön war, kannst du hier wahre Ursachen, jedoch auch heilsame Lösungen für viele Probleme im Leben finden. Versprochen!

Mutter ist unsere erste Liebe

Wenn du in Gedanken deine Frauenbekanntschaften durchgehst, wie würdest du die Beziehung zu ihnen beschreiben? Hast du richtig enge Freundinnen? Oder – falls du selbstständig bist – wie fühlen sich die Beziehungen zu deinen Business-Partnerinnen an oder zu deinen Kundinnen? Erinnern sie dich an eine andere, ganz bestimmte Beziehung? Vielleicht an die Beziehung „Tochter und Mutter“? Worauf ich hinaus möchte: Deine allererste Beziehung ist die zu deiner Mutter. Von ihr lernst du, wie Beziehung geht. Du lernst ihre Art von Beziehung.

Die Mutter ist unsere erste Liebe, unsere erste Erfahrung mit einer Frau, mit einer Bezugs- und Bindungsperson. Diese Beziehung prägt alle weiteren, vor allem die zu Frauen. Denn die Mutter ist unser erstes weibliches Vorbild, unser erster, intensiver Kontakt mit einer Frau. Das kann wundervoll und liebevoll sein, aber auch nicht so schön.

Von der Mutter sind wir in den ersten Jahren komplett abhängig. Sie nährt und schützt uns und sie bestimmt über uns. Und sie prägt unsere Selbstwahrnehmung, die Beziehung zu uns selbst. Wie reagiert sie auf mich? Nimmt sie mich überhaupt wahr, als die, die ich bin? Und so fange ich mal von vorne an, beim Ei – ähh – Ursprung 🙂

Tochter und Mutter – die ersten Jahre prägen am meisten

Bereits im Bauch beginnt sie – die Beziehung zwischen Tochter und Mutter. Wir nisten uns bei unseren Müttern ein und wachsen in ihrem Körper heran. Ernähren uns von ihr, fühlen sie unmittelbar. Was bedeutet, dass wir jede Schwingungen, jede ihrer Emotionen mitbekommen.

Wir spüren: Sind wir ein Wunschkind, sind wir vielleicht gar nicht willkommen, überlegt sie gar, uns abzutreiben, ist sie mit dem Vater glücklich usw.? All das bekommen wir bereits früh mit. Warum bin ich mir an dieser Stelle so sicher? Weil ich immer wieder Emotionen bei Klientinnen löse, die sie während der Schwangerschaft von ihren Müttern übernommen oder selbst gefühlt haben, so beispielsweise Unruhe oder Wut. Der Grund dafür war oftmals sogar nachweisbar. Gab es Streit zwischen den Eltern während der Schwangerschaft, oder trug die werdende Mutter eine unbewusste Wut auf ihre eigenen Eltern in sich? Emotionen und Erfahrungen dieser Art bleiben in unserem System gespeichert und machen sich meist erst später bemerkbar.

Mutter und Tochter – die Geburt

Wie wird sie geboren – unter Stress oder in vertrauter, entspannter Atmosphäre? Wie wird das Kind von der Welt empfangen und darf es gleich wieder zur warmen Mama und sich erst einmal an die neue Umgebung gewöhnen, in der es so anders ist als im geschützten, warmen Bauch?

Es kann eine traumatische Trennungserfahrung für das Kind sein, wenn es von der Mutter direkt nach der Geburt oder generell zu früh und zu lange getrennt wird. Diese Erfahrung ist meist schwer wieder gutzumachen. Sie zeigt sich in späteren Problemen, auf jemanden zuzugehen, jemandem wirklich zu vertrauen. Da wird echte Nähe schwierig, zu Freundinnen und auch zu Geschäftspartnerinnen.

In den ersten Jahren ist die kleine Tochter total abhängig, sie wird nun liebevoll umsorgt von der Mutter – wenn alles gut läuft. Hier möchte ich mal die Frage einstreuen: Sind wir eigentlich schon „fertig“, wenn wir auf die Welt kommen? Gibt es da einen Plan, nach dem wir aufwachsen und leben? Diese Idee gibt es, ja. Ich glaube zumindest, dass wir mit einer bestimmten Absicht, einem bestimmten Zweck hierher kommen. Und dieser kann sicher von den Menschen unterstützt werden, zu denen wir kommen. Unsere Familie ist die Richtige für uns. Hier lernen wir all das, was uns später einmal dient. Doch dies hier nur am Rande: Ich selbst bin Tochter und Mutter – Expertin geworden, weil ich sehr viel aus der Beziehung zu meiner eigenen Mutter gelernt habe und dies nun an andere weitergeben kann. Und auch als Geschwisterkind kann ich aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen: als kleine und als große Schwester.

Die Mutter ist „nicht“ an allem schuld

Warum ich die Frage oben gestellt habe: Auf die Beziehung zwischen Tochter und Mutter können Dinge Einfluss haben, die nicht unmittelbar mit der Mutter zu tun haben. Das ist eine Information, die mir sehr wichtig ist: die Mutter ist nicht an allem „schuld“. Hier ein Beispiel: Der Vater war bereits einmal verheiratet. Die erste Frau des Vaters wird aber nicht so respektiert von der Mutter, der zweiten Frau. Das kann dazu führen, dass die eigene Tochter die erste Frau vertritt, ihr den Respekt erweist und einen Platz im System gibt, den ihre Mutter verweigert.

Dadurch können Konkurrenzgefühle zwischen Tochter und Mutter entstehen. Da dies meist unterbewusst geschieht, können sie diese Gefühle nicht zuordnen.

Mit der Mutter in Konkurrenz zu stehen bzw. die Mutter als Konkurrentin zu erleben, kann zu einem belastenden Gefühlsmix werden. (Schneewittchen lässt grüßen.) Es verunsichert die Tochter sehr, wenn die Mutter – anstatt ihre Tochter zu unterstützen und von Herzen zu lieben – abwertende Bemerkungen macht oder die Tochter immer wieder mit sich und anderen vergleicht. Auch später wird das Thema Konkurrenz eine wichtige Rolle im Leben der Tochter spielen, privat sowie im Berufsleben. Dass das nicht förderlich ist, liegt nahe. Was kann an dieser Stelle helfen? Nichts ist in Stein gemeißelt. Entscheide dich neu dafür, andere Frauen einfach zu unterstützen, dich über ihre Erfolge zu freuen und lerne genauso Unterstützung von anderen anzunehmen.

Tochter und Mutter

Unsere Mütter haben erfahrungsgemäß unverarbeitete Themen mit ihren eigenen Müttern. Da sind die dominanten Mütter, die rechthaberischen, narzisstischen und/oder überfürsorglichen Mütter. Je nachdem, wie er-wachsen sie als Mutter wirklich sind (und das sind die wenigsten), verhalten sie sich entsprechend gegenüber ihren eigenen Töchtern.

Manche Mutter möchte selbst bemuttert werden. Deren Tochter wird dann zur Mutter ihrer eigenen Mutter und übernimmt viel zu früh Verantwortung, die sie in Wirklichkeit gar nicht tragen kann. Sie überfordert sich und verliert auch ein wenig die Achtung vor der eigenen Mutter – denn die kann ja offensichtlich nicht für sich selbst sorgen, so die Annahme. Auch dieses Verhalten setzt sich später mit anderen Menschen, insbesondere anderen Frauen fort. Die Tochter fühlt sich dann meist etwas über den anderen stehend und ist gleichzeitig einsam.

Ein Kind urteilt nicht, es macht einfach. Denn es hat ja auch keinen Vergleich. All diese Umstände, all diese Beziehungsmuster werden als normal empfunden und später mit allen anderen weitergeführt. Man zieht erfahrungsgemäß entsprechende Menschen an, die genau zu diesem Beziehungsmuster passen. Dies geht solange, bis die Tochter beginnt, all das zu hinterfragen. Entweder, weil sie emotional erschöpft ist oder weil sie davon genervt ist, dass sie immer wieder die gleiche Art Menschen anzieht, die ihr nicht gut tun.

Als Kleinkind nehmen wir alles für bare Münze, was Mama sagt oder tut – ob gut oder schlecht. Wir nehmen es in uns auf wie ein Schwamm. Wenn Mama das sagt, ist es wohl wahr – da kann sie uns einfach alles erzählen 😉

Wer spricht da in meinem Kopf?

Wenn du mal überlegst: Wie oft hörst du noch heute Mamas Stimme in deinem Kopf? Wie oft antwortet sie innerlich auf deine Fragen: Soll ich dies tun oder soll ich es nicht? Darf ich oder darf ich nicht? Das ist sehr interessant, obwohl du bereits erwachsen bist und vielleicht selbst Kinder hast, stellst du dir noch immer diese Fragen. Da ist diese Präsenz von „Mamas Meinung“ über Verbote und Gebote in deinem Kopf, genau so wie ihre Stimme in deiner Kindheit. Es ist diese Stimme, die dich auch heute noch von dir selbst abhält. Die Stimme, nach der du noch immer lebst.

Natürlich haben wir auch viele gute Tips, viel „gut gemeintes“ von ihr erhalten, und wir entwickeln uns so oder so immer weiter. Ganz egal, was sie uns mit auf den Lebensweg gegeben hat. Jede Tochter geht systemisch gesehen immer einen großen Schritt weiter als ihre eigene Mutter. Doch du kannst noch viel viel weiter gehen, wenn du dich traust. Da ist noch soviel mehr möglich! Wenn da nicht die bremsende Stimme deiner Mutter in dir wäre, oder?

Jede Tochter entwickelt ihren eigenen Willen

Irgendwann hat die kleine Tochter ihren eigenen Willen. Je nach Temperament und Charakter darf sich ihre Mutter nun mit dem Willen ihrer Tochter auseinandersetzen. Nun kommt es darauf an, wie mit dem Willen der jungen Tochter umgegangen wird: Erfährt er Akzeptanz, wird er ernst genommen? Lernt die Tochter zu argumentieren oder wird sie immer wieder übergangen, sogar belächelt? An dieser Stelle entsteht entweder ein gesundes Selbstvertrauen oder eben nicht: Bin ich richtig, wie ich bin? Haben meine Bedürfnisse eine Bedeutung? Kann ich meine eigene Meinung haben und diese vertreten?

So viele Töchter lernen vor allem, sich zu verbiegen, sich anzupassen, sich auf andere einzustellen. Auch weil ihre Mütter sie dementsprechend erziehen. Viele Frauen sind so programmiert – und es wird noch eine Weile dauern, bis auch das in den kollektiven Köpfen losgelassen wird. Bis eine Gleichbehandlung herrscht, auch in den Familien. Auch wenn es reale Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen gibt, so sollte dennoch niemandem etwas anerzogen oder aufgezwungen werden.

Wie die Tochter, so die Mutter

Wie viele Töchter haben als Erwachsene Schwierigkeiten, ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu äußern? Oftmals wissen diese gar nicht, was ihre eigenen Bedürfnisse sind. Nach dem Dasein als Tochter, die tut, was die Mutter verlangt, kommt das Dasein als Partnerin, Ehefrau und Mutter, die alles der Familie unterordnet. Und hier beginnt das Spiel von vorne.

In ihren anderen Beziehungen tut sie ebenfalls alles, um dazuzugehören. Um beliebt zu sein, um zu gefallen, um wahrgenommen oder auch gelobt zu werden. Denn von ihrer Mutter hat sie gelernt, dass sie das alles nur bekommt, wenn sie tut, was von ihr verlangt wird, wenn sie sich anpasst. Oder? Wie ist es bei dir? Erkennst du dich hier wieder?

Der eigene Wille ist ein starkes Werkzeug. Auch die eigenen Bedürfnisse dringen eines Tages wieder ins Bewusstsein, sie lassen sich nicht ewig unterdrücken. Spätestens dann, wenn die eigenen Kinder aus dem Haus sind oder wenn die eigene Tochter erkrankt, beispielsweise an einem Burnout oder einer Depression, werden wir damit konfrontiert.

Eine etwas traurige Nachricht ist: Mütter geben in aller Regel ihr Bestes, doch ist das oft zu eng, zu ängstlich, zu konform. Auch wenn eine Frau sich immer freier entwickeln darf, sind noch zu viele Grenzen in ihrem Kopf: wieviel Geld darf eine Frau verdienen, wie groß darf sie sich zeigen oder wie erfolgreich darf sie sein? Wie sehr wird dieser Erfolg verurteilt oder abgewertet – von anderen Frauen? Und warum geschieht das? Weil wir es genau so gelernt haben.

Was genau denkst du über reiche Menschen? Oder über Frauen, die gern ihren Körper zeigen und ihre Meinung sagen, ohne anderen dabei gefallen zu wollen? Wie oft unterdrückst du deine eigene Meinung aus Angst, dich unbeliebt zu machen? Je mehr Raum du dir selber gibst, desto mehr gestehst du ihn anderen Frauen ebenfalls zu.

Die ungeborenen Geschwister

Die Beziehung zwischen Tochter und Mutter wird noch durch andere Dinge beeinflusst, die als Ursache oftmals noch nicht ausreichend wahrgenommen werden. Neben dem, was beide Eltern aus ihrer Herkunftsfamilie mit einbringen, spielen beispielsweise noch ungeborene Geschwister eine Rolle: Fehlgeburten, Abtreibungen und verstorbene Zwillinge – sowohl der Eltern als auch der Kinder. Eine Mutter, die ein Geschwister verloren hat, kann nicht 100% für ihre eigene Tochter da sein. Sie ist emotional nicht in der Lage dazu, auch wenn sie gut für sie sorgt und sich unendlich viel Mühe gibt.

Vor allem die Wirkung eines Zwillings hat enorm Gewicht. Die Verbindung unter Zwillingen ist mit die stärkste, die es gibt. Viele Zwillinge gehen (oftmals unerkannt) ab, weil sie schwächer sind als ihr Geschwister. Beim überlebenden Geschwister hinterlässt das eine große Lücke. Sie spüren eine unerklärliche Sehnsucht nach einem Seelenpartner, manche kaufen sogar doppelt ein, als würden sie für ihren Zwilling „mitleben“. Diese Kinder sind vom Wesen oftmals sehr still und schüchtern, ganz so, als würden sie nicht sichtbar sein wollen. Aus Loyalität zu dem verstorbenen Geschwister. Doch auch dies lässt sich therapeutisch gut auffangen und begleiten.

Weiter oben habe ich bereits gefragt, was ein Mädchen darf. Wenn da ein Bruder ist bzw. ein Sohn, dann gibt es ziemlich sicher Unterschiede in der Erziehung. Ein Grund ist, dass die Tochter der Mutter automatisch näher ist, sie ist quasi ihr Ebenbild – weil sie beide demselben Geschlecht angehören. Sie sind sich gleichzeitig näher und darum ist es auch schwieriger, der Tochter/dem Mädchen mehr Freiheit zu erlauben. In der Tochterrolle „Die Zweite-Rolle-Tochter“ beschreibe ich ausführlicher, was ein großer Bruder für eine zweitgeborene Tochter bedeuten kann.

Ist deine Chefin wie deine Mutter?

Und jetzt frage ich noch einmal: Wie sind deine Beziehungen zu anderen Frauen? Kann es sein, dass sie dich an deine Mutter erinnern?

Vielleicht hast du eine Chefin, die genauso hysterisch ist, wie du es von deiner Mutter schon gewohnt bist?
Wenn deine Mutter dir nicht zugehört hast, ist es möglich, dass du immer wieder dieses Gefühl haben wirst, nicht gehört zu werden.

Als Selbstständige: Ziehst du Kundinnen an, die deiner Mutter ähneln? Willst du sie ebenfalls retten? Oder unbedingt von dir überzeugen?

Du siehst, deiner Mutter entkommst du zunächst nicht so einfach. Du wirst dich wohl mit ihr auseinandersetzen müssen. Die meisten Töchter machen den Fehler, ihre Mutter auszugrenzen, einfach weil es so anstrengend, so emotional ist, sich mit der Mutter-Tochter-Beziehung auseinanderzusetzen. Doch das funktioniert nicht auf Dauer.

Also zum Abschluss noch eine gute Nachricht: Die Beziehung zu deiner Mutter ist deine größte Schatzkammer! Wenn du hier aufräumst, wirst du dich endlich selbst befreien und in deine wahre Größe kommen können. Auf geht’s, Tochter!

Autorin: Gesine Gammert

Nächster Workshop: 12. – 14.4.21

FREIHEIT FÜR TÖCHTER WORKSHOP

 

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