Abb.: © fizkes-stock.adobe.comWechseljahre – Wandlungszeit 27. Januar 2021 Selbsterfahrung Wir leben in einer Zeit großer kollektiver Veränderungen, denen wir uns nicht entziehen können. Doch grundsätzlich sind uns solche Prozesse nicht unbekannt. Jeder macht sie ganz individuell auf die eine oder andere Weise durch. Anja Engelsing zeigt anhand der weiblichen Wechseljahre, wie sich manchmal von heute auf morgen das Leben ändert und wir uns auf vollkommen neue Gegebenheiten einstellen müssen. Schaffen wir es, diese Zeiten als Teil einer natürlichen Transformation zu sehen, ihre Impulse zu verstehen und uns ihnen zu überlassen, gehen wir gestärkt daraus hervor. Nichts ist mehr, wie es war: Nachts zehn bis zwanzig Mal klatschnass im eigenen Schweiß aufwachen, tagsüber Stimmungs-Achterbahn, plötzliche Höllenhitze und dann gnadenloses Schwitzen, nicht zu reden von unerklärlicher Gewichtszunahme, vor allem rund um den Bauch, nicht zu reden auch davon, dass Haut und Schleimhaut austicken, Nahrungsmittelunverträglichkeiten erheblich zunehmen, dass die Vaginalschleimhaut sehr unangenehm trocken und weniger gleitfähig werden kann, Blasenentzündungen wieder häufiger vorkommen und auch Gelenkschmerzen aller Art, und dass viele Frauen in dieser Lebensphase der Wechseljahre eine heftige Schlafstörung entwickeln…… Das klingt wie ein Albtraum, und so erlebt auch ein Teil der Frauen die Zeit der Wechseljahre, irgendwann rund um 50, wenn die Periodenblutungen endgültig aufhören. Ungefähr ein Drittel der Frauen hat massive Probleme, ein Drittel mäßige, aushaltbare Beschwerden, und es gibt auch die Glücklichen, die gar nichts merken, bei denen nur irgendwann die Menstruation sang- und klanglos aufhört. Der Zeitpunkt unserer Menopause, des Aufhörens der Monatsblutungen – und damit unserer Fruchtbarkeit – ist biologisch terminiert. Es steht in unseren Genen geschrieben, und wenn wir abschätzen wollen, wann uns dieses Schicksal ereilen wird, fragen wir am besten unsere Mütter, Großmütter oder unsere älteren Schwestern. 95 Prozent aller Frauen hören zwischen 45 und 55 auf zu menstruieren, wenige früher, wenige später. Alles ist ja eigentlich gut. Es ist eine Lebensphase, die zu uns gehört, so wie die Pubertät. Und ähnlich bedeutungsvoll. Männer altern ebenso wie wir, und ein 60-jähriger Mann hat auch bei weitem nicht mehr den Testosteron-Spiegel wie ein 20-jähriger. Nur geht das alles bei Männern eben langsam und kontinuierlich vor sich, sie können sich lange noch der Illusion hingeben, dass alles ist, wie es war. Das können wir Frauen nicht. Wir erleben hormonell gesehen eine doppelte Verwandlung: Unsere innere Regulation wird von zyklisch auf konstant und von hohem Hormon-Niveau auf niedriges umgestellt. Das ist eine immense Herausforderung für Körper, Seele und Geist. Es ist, wie wenn man auf eine Festplatte ein neues Betriebssystem einspielt. Wenn es blöd läuft, geht da vorübergehend oft gar nichts mehr. Es ist einfach heftig. Wechseljahre – Wer´s wissen will, fragt Oma (oder: weibliche Weisheit) Interessant ist, dass von allen Säugetieren nur wir Menschenfrauen und die Orka- Wale eine Menopause erleben, also eine Lebenszeit haben, in der wir nicht mehr für die Fruchtbarkeit und Fortpflanzung zur Verfügung stehen. Es gibt interessante Untersuchungen, die zeigen, dass möglicherweise genau durch diese nicht mehr für die Fortpflanzung zur Verfügung stehenden Weibchen die Orkas einen immensen Überlebensvorteil gegenüber anderen Artgenossen haben: Diese älteren Weibchen kennen nämlich die richtig guten Fanggebiete, und während Mama und Papa Orka sich mit der Beschaffung des alltäglichen Futters für die Youngsters beschäftigen, führen die reifen Orka-Ladys den Fisch-Schwarm schon weise in die nächsten richtig guten Fanggebiete. Für uns gilt das Gleiche, daran habe ich keinen Zweifel. Wenn wir Frauen nicht mehr für die Fortpflanzung zur Verfügung stehen, werden wir frei für das, was Ingrid Riedel geistige Mutterschaft nennt. Wir werden frei, unser im Leben erworbenes tiefes Wissen um die Natur und Eigentlichkeit der Dinge durch uns leben zu lassen, wie auch immer sich das für eine jede von uns konkret darstellt. Wechseljahre – Hilfe aus der Natur Gegen die meisten Beschwerden ist ein Kraut gewachsen. Es gibt eine ganze Palette an möglichen Pflanzen-Mitteln, die gegen die Wechseljahre helfen. Traubensilberkerze, Soja, Rotklee, Sibirischer Rhababer, Granatapfel…… Diese gibt es in Fertigpräparaten in Apotheken und Drogerien zu kaufen, und es gibt auch wunderbare Wechseljahres-Tees, die diese Wirkstoffe enthalten, und vielleicht noch zusätzlich Pflanzen, die für gutes Schlafen helfen, wie Passionsblume, Hopfen, Baldrian, Melisse. Ein Top-Tipp gegen das starke Schwitzen ist Lindenblütentee, am besten als Kaltauszug, man kann ihn selbst herstellen, indem man Lindenblütenblätter in kaltem Wasser über Nacht stehen lässt und dann am nächsten Morgen abseiht. Oder Salbeitee. Ich arbeite auch viel mit Urtinkturen, Pflanzenessenzen in alkoholischer Lösung, da genügen oft wenige Tropfen, weil die so hochwirksam sind. Auch Akupunktur, Traditionelle Chinesische Medizin und Ayurveda helfen sehr gut bei Wechseljahresbeschwerden. Und ganz wichtig ist es auch, sich regelmäßig an der frischen Luft zu bewegen und den Kreislauf in Schwung zu halten. Das hilft ja auch erstaunlich gut gegen Menstruationsschmerzen und eben gegen hormonell bedingte Beschwerden aller Art. Was wallt denn da eigentlich in mir? Interessant ist es, sich damit zu beschäftigen, was da eigentlich in den Wechseljahren wirklich in uns passiert. Warum kommen diese Hitzewallungen, und was bedeuten sie? Medizinisch ist diese Frage leicht beantwortet: Das Temperaturregulationszentrum im Hypothalamus im Zwischenhirn hat reichlich Hormon-Rezeptoren, wird also hormonell mitgesteuert. Warum aber haben dann viele Frauen Hitzewallungen und andere nicht? Warum vergeht manchen Frauen bis auf Weiteres in dieser Lebensphase jede Lust auf Sex mit dem bisherigen Partner – und für andere ändert sich wenig oder nichts? Unsere Körpersymptome sprechen vielleicht eine Wahrheit, die wir auf der bewussten Ebene nicht hören können oder wollen. Darüber nachzudenken lohnt sich, vor allem dann, wenn selbst gute naturheilkundliche Therapien nicht oder nur vorübergehend Linderung der Beschwerden bringen. Plötzlich aufwallende Hitze entsteht aus einem noch unfertigen Prozess der Neuordnung unseres inneren Feuers. Die tantrischen Traditionen des tibetischen Buddhismus wissen viel von diesem inneren Feuer und arbeiten damit, zum Beispiel in der Meditation der inneren Hitze, Tummo. Wir können lernen, mit unseren intensiven Emotionen dieses innere Feuer zu nähren und spirituell zu nutzen, das lehren die buddhistischen Traditionen. Wie also, wenn die unliebsamen Hitzewallungen uns dazu einladen möchten, unsere intensiven, aber gewohnheitsmäßig verdrängten Gefühle wahrzunehmen und deutlicher im Körper spüren zu lernen? Und zwar gerade die unliebsamen Gefühle, die ein braves Mädchen besser nicht fühlen sollte, so wie die meisten von uns es eingetrichtert bekommen haben. Veränderung des sexuellen Erlebens Unser sexuelles Erleben und Wünschen ändert sich mit dem Älterwerden, so wie das der Männer sich auch ändert. Mit dem Wegfall der zyklischen Regulation ändert sich unsere Sexualität vorübergehend sehr deutlich, weil der gewohnte „Lust-Peak“ rund um den Eisprung wegfällt. Die weibliche Sexualität ist in der fruchtbaren Lebensphase sehr stark auf eben unsere Fruchtbarkeit hin ausgerichtet. Es ist verständlich, dass wir uns neu orientieren und kennenlernen müssen, wenn diese Regulation in der Zeit der Wechseljahre wegfällt, wir nicht mehr verhüten müssen, nicht mehr mit Schrecken oder Freude auf die nächste Monatsblutung warten müssen usw. „Vorübergehend nicht erreichbar“ ist für viele von uns sehr normal in den Wechseljahren. Wenn der Spaß am Sex mit dem bisherigen Partner aber so gar nicht zurückkommen will, lohnt es sich auch hier, tiefer hinzugucken. Oft hat sich ja rund um die Wechseljahre der Frau auch der bisherige Beziehungsauftrag „wir wollen miteinander unseren Kindern gute Eltern sein“ erledigt, weil die Kids erwachsen geworden sind und aus dem Haus gehen. Die fehlende Lust könnte dann darauf hinweisen, dass in der Beziehung mehr fehlt als nur die Lust. Integrieren des in uns Fehlenden Gerade die nicht im Körper gefühlten Gefühle, die sind es, die uns zu unserer Ganzheit fehlen. Unser inneres Feuer kann nicht lodern, wenn wir gelernt haben, über unsere Angst, unsere Wut, unsere Traurigkeit und unsere Scham hinwegzugehen. So gut gelernt, dass wir nicht einmal mehr merken, dass wir nur einen Teil unserer Wirklichkeit wirklich fühlen. Ich glaube, dass uns Frauen in den Wechseljahren alles „entgegenwallt“, was uns noch zu unserer Vollständigkeit fehlt. Gerade wenn wir viel Schwieriges erlebt haben, sei es in der Kindheit oder im späteren Leben, wenn da viel Traumatisches passiert ist, dann kommt uns das noch nicht in der genügenden Tiefe Verarbeitete in dieser Zeit der Hormonumstellung wieder entgegen, ungefragt und heftig. Das ist nicht lustig. Und manchmal so überfordernd, dass es gut ist, dass wir uns vorübergehend mit naturidentischer Hormonersatztherapie Abhilfe schaffen können, wenn es nicht mehr anders geht. Und doch ist es ein solches Geschenk des Himmels, dass unser Unerlöstes noch einmal auf sich aufmerksam macht in dieser Lebensphase. Wir sind nun einmal nicht ganz, wenn wir die dunkle Seite des Mondes ausgrenzen wollen. Dann fehlt uns eine Hälfte. Und wenn wir alles in uns lieben und alles in uns verkörpert spüren können, dann kommt mit der Lebenszeit jenseits der körperlichen Fruchtbarkeit ein neues Hochplateau auf uns zu. Ein Lebensgefühl und eine uns dann innewohnende Kunst zu leben, die alles übertrifft, was wir je zu hoffen gewagt haben. Man sieht es den Frauen an, die es geschafft haben, dahin zu gelangen, finde ich. An dem satten, verzückten Lächeln, das durch nichts mehr zu stören ist. Gute Hilfe Und wir müssen den Weg der Verwandlung in nden Wechseljahren ja nicht alleine gehen. Es gibt so viel wunderbare Unterstützungsmöglichkeiten, aus der Naturheilkunde und auch aus der Körperpsychotherapie. Oft hilft es schon, die eigene Situation einfach mal mit einer Freundin, in einer Gruppe oder mit einem Profi durchzusprechen oder sich für eine Weile eine Prozess-Begleitung zu gönnen – Geburtshilfe sozusagen für das in uns, was neu geboren werden möchte. Ich hatte eine Weile fürchterliche Schweißausbrüche, als meine Monatsblutungen immer seltener wurden – und das, obwohl ich eigentlich mein Leben lang immer verfroren war. Ich hatte keine andere Wahl, als die dunkle Seite des Mondes in mir verkörpert spüren zu lernen, und das war eine Entscheidung, neu leben zu lernen, ein Prozess, der weitergeht, open end. Ich weiß also selbst nur allzu gut, wovon die Rede ist, und dass die Zeit der Hormonumstellung für uns Frauen eine heftige, raumfordernde Lebensphase ist. Bei mir hat´s funktioniert, das mit der Meditation der inneren Hitze, und ich lächele jetzt selig. Meistens zumindest. Und ein bisschen Zeit habe ich ja noch… Termine im Aquariana, Am Tempelhofer Berg 7D, Kreuzberg: Wechseljahre – Wandlungszeit Naturheilkunde und Selbsterfahrung. Workshop 20.2., 11-17 Uhr FrauenSachen. Themenarbeit rund um unsere Weiblichkeit. Workshop 24.4. sowie 19.6., 11-17 Uhr Weibliche Spiritualität – Ist das anders? Einführung und Gespräch: 31.1., 20.3. un 11.6. jeweils ab 18.30 Uhr Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar Antwort abbrechenDeine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.KommentarName* E-Mail* Meinen Namen, meine E-Mail-Adresse und meine Website in diesem Browser für die nächste Kommentierung speichern. Überschrift E-Mail-Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren.Auch möglich: Abo ohne Kommentar. Durch Deinen Klick auf "SENDEN" bestätigst Du Dein Einverständnis mit unseren aktuellen Kommentarregeln.