Wie die Stimme zum Instrument für Wachstum, innere Freiheit und Zufriedenheit wird und Klangheilung geschieht…

von Heiko Streuff

Wenn wir lernen, unsere Stimme bewusst auf unser Körper-Geist-Seele-System zu richten, kann ihr Klang uns helfen, heiler zu werden und die Fülle der Lebendigkeit in uns wahrzunehmen. Wie ein Echolot für unsere Innenwelt zeigt sie auf, wo es in uns lebendig schwingt und wo wir hart sind, und sie kann blockierten Anteilen helfen, ihre Schwingungsfähigkeit wiederzufinden. Je weiter wir schließlich in Ein-Klang mit der Fülle in uns selbst kommen, desto freier werden wir, die Geschenke des Lebens im Außen als solche zu erkennen und anzunehmen.

Unsere Stimme ist Trägerwelle unserer Absichten. Als soziale Wesen wissen wir um die Kraft des nonverbalen Anteils in unserer Kommunikation: Vom durchdringenden Kampfschrei bis zum zärtlichen Gurren schwingen Intention und Emotion permanent als energetische Ladung in unserer Stimme mit. Diese Energie können wir im Kontakt mit unserem Innenleben nutzen. Beim heilsamen Tönen wird die Stimme wohlwollend und mitfühlend auf das eigene Sein gerichtet, ohne Anspruch an Ausdruck oder Schönheit, nur mit der Absicht, durch Resonanz eine Verbindung mit dem eigenen Inneren herzustellen. Die Stimme wird zu einem Instrument der Selbst-entdeckung und -regulation, das schnell wirksam und stets verfügbar ist. Das Einsatzfeld für dieses Instrument umfasst so ziemlich alles, was wir fühlen oder uns vorstellen können. Die Regulierung von Emotionen und Stressreaktionen, die Linderung körperlicher Symptome oder die Anbindung an spirituelle Erfahrungsräume sind ebenso mögliche Anwendungen der Klangheilung wie die Arbeit mit Bewusstseinszuständen wie Mangel oder Fülle. Hier ein Fallbeispiel zur Veranschaulichung:

Klangheilung – das Körpergefühl ist ein sicherer Kompass

Seit Lea erfahren hat, dass eine wichtige Säule ihres Einkommens kurzfristig wegfällt, ist sie emotional zwischen Resignation und Rastlosigkeit, sorgenvollem Grübeln und innerer Leere hin- und hergependelt. Äußerlich hat sie entweder gar nichts gemacht oder ganz vieles, was nicht wirklich etwas mit ihrem Problem zu tun hatte. Sie hat mit Freunden über ihre Sorgen gesprochen und mit dem Verstand nach Lösungen gesucht. Aber obwohl sich dabei Möglichkeiten auftaten, fühlte sie sich nicht in der Lage, einen dieser Wege zu gehen. Ihr wurde klar, dass sie mit ihrem Kopf nicht weiterkommt…

Nun sitzt sie in meiner Praxis auf einem Hocker und summt mit geschlossenen Augen einen gleichbleibenden Ton. „Überprüf noch mal die Tonhöhe“, leite ich sie an. „Wo genau in deinem Körper zeigt sich das Thema, und welche Frequenz trifft diesen Ort am besten?“. Lea tönt weiter, jetzt ein wenig höher. „Welche Beschaffenheit hat das, was du spürst?“ Kalt und eng fühlt es sich an in Leas Unterbauch, wie eine Barriere, die ihren oberen Rumpf vom Becken abschneidet. Und durch das „Betönen“ wird das unangenehme Gefühl darin erst einmal deutlicher…

„Wie fühlt sich dieser Ort wohl? Kannst du eine Emotion oder ein Bedürfnis wahrnehmen? Wenn du diesem Ort deine Stimme leihen könntest, wie würde das klingen?“. Was vorher eine etwas traurige Note hatte, wird nun ein ängstliches Wimmern. „Sehr gut, bleib dran, so neutral wie möglich… versuch nicht, etwas zu verändern. Diese Stelle leistet ihren Beitrag …auch wenn du ihren Sinn noch nicht verstehst, du kannst beim Tönen denken: ‚Ich danke dir, dass du dich zeigst’… ‚ich nehme dich an‘ …’ich fühle mit dir’…“

Lea legt eine Hand auf ihren Unterbauch und der Klang ihrer Stimme wird wärmer. „Genau, in deinem Mitgefühl bist du größer als der Schmerz… und wo ist der nächst größere Raum? Wo will die Energie hin? Vertrau deiner Stimme, sie zeigt dir den Weg.“

Lea tönt noch ein paar Minuten denselben Ton. Dann plötzlich löst sich etwas in ihrer Stimme, ihr Klang wird voller und leuchtender, obwohl der Ton tiefer gerutscht ist. Lea meldet eine Pause an, ihr ist kurz schwindelig geworden. Aber sie lächelt, während sie tief in sich hinein atmet. Die Enge im Unterbauch hat sich aufgelöst. Sie spürt ein Kribbeln in Oberbauch und Herzraum, und das Gefühl von Zuversicht stellt sich ein. „Wo genau spürst du die Zuversicht? Und wenn sie sich von dort aus in dir ausbreiten dürfte, wie würde das klingen?“

Lea beginnt wieder zu tönen, es klingt viel leichter, und mit jedem Ton leuchtender. Die emotionale Signatur im Klang ist wie verwandelt. Kleine Tonschwankungen klingen wie Keime einer Melodie, obwohl ihr Tönen weit entfernt bleibt von einem Gesang, der im Außen gehört werden will. Lea badet sich in ihrem eigenen Stimmklang. Als sie schließlich still wird, öffnet sie die Augen und strahlt.

In der Nachbereitung erzählt Lea, dass sie in ihrem Unterbauch mit einem Anteil von sich in Kontakt war, der vor lauter Angst vorm Scheitern am liebsten aus dieser Welt verschwinden, sich die Bettdecke über den Kopf ziehen und alle Verantwortung anderen übertragen würde. In der Sitzung spürte sie diesen Anteil als sogenannten felt sense1, als benennbares leibliches Phänomen (die „kalte Enge im Unterbauch“) – ohne Geschichte (obwohl es mit ihrer Geschichte zu tun hat) und ohne Inhalt, den ihr Verstand hätte bearbeiten können.

Leas Stimme war das „Kontaktmittel“ in ihrer Begegnung mit dem felt sense. Sie suchte zuerst summend die Tonhöhe, die mit der „kalten Enge im Unterbauch“ resonierte, und ließ sich dann auf den emotionalen Gehalt ein, der durch die klangliche Berührung ins Schwingen geriet. Indem dieser Anteil Gehör und Annahme fand, konnte er integriert werden und wurde frei, sich aus der aktuellen Dynamik zu lösen. Nach der Sitzung der Klangheilung fühlte Lea sich erleichtert und konnte mit neuem Schwung Ideen entwickeln und umsetzen, um ihre finanzielle Situation zu verbessern.

Stimmarbeit als Heilungsweg

Aus Sicht der Körperpsychotherapie werden Emotionen, die zur Zeit ihres Entstehens nicht durchlebt und integriert werden konnten, im Körper energetisch abgelegt. Sie können durch Auslöser in aktuellen Situationen reaktiviert werden und durch ihre Energie unsere Wahrnehmung und unsere Verhaltensentsscheidungen ungünstig beeinflussen. Schlimmstenfalls binden sie langfristig immer mehr Abwehr-Energie an sich (die Angst vor der Angst), und führen zu psychischen oder somatischen Störungen. Durch liebevolle Zuwendung können diese inneren Anteile nachträglich integriert werden. Die in ihnen gebundene Energie wird frei und steht der Lebendigkeit wieder zur Verfügung. StimmKlang bietet dafür einen besonderen Zugang, da er die Ebenen von Intention, Emotion und Leiblichkeit miteinander verbinden und jeweils verstärken kann. Beim Tönen wird zudem die rechte Gehirnhälfte aktiviert, so dass das Gehirn sein volles kreatives Potential entfalten kann. Rationalisierungen der linken Hemisphäre verlieren an Einfluss, zugunsten einer erweiterten leiblichen Wahrnehmung. Das ermöglicht die Erfahrung, dass jedes Thema – auch das Bewusstsein von Mangel oder Fülle – letztlich ein Schwingungszustand ist, der durch Klang beeinflussbar ist.

Alles ist Klang – und alles möchte gehört werden

Alle Schöpfung, alle Materie besteht aus Schwingungen. Die Natur organisiert sich in Zyklen, das Leben pulst, atmet und schwingt rhythmisch, von riesigen Galaxien bis zur kleinsten Amöbe. Jedes Körperteil, jede Emotion, jeder Bewusstseinszustand, jeder seelische oder energetische Anteil…

Alles hat seine Resonanz, und die ist übersetzbar in hörbaren Klang. So gesehen ist unser Sein ein Orchester, und Störungen sind MusikerInnen, die ihr Notenblatt verloren haben. Mit unserer Stimme verfügen wir über ein Medium, mit dem wir zum Dirigenten unseres KlangSystems werden können, um die aus der Harmonie gefallenen Elemente an ihre Töne zu erinnern.

Achtung Nebenwirkungen:
Lebensfreude & Selbstannahme

Zu generellen Nebenwirkungen der heilsamen Stimmbildung gehören Lebensfreude und Selbstannahme. Gerade in der aktuellen Zeit ist es ein wirksames Mittel gegen depressive Verstimmung und Gefühle der Einsamkeit. Denn je weniger Verbindung wir im Außen finden, desto wichtiger wird unsere Beziehung zu uns selbst. Je mehr Raum Ängste und Mangelvorstellungen in uns einzunehmen drohen, desto wichtiger werden unsere Möglichkeiten, uns aktiv mit der Fülle zu verbinden. Diese Verbindung beginnt – wie immer – in uns selbst. Nach dem Gesetz der Resonanz ziehen wir stets das an, was wir in uns tragen. Wie innen so außen.

Um die Resonanz der Fülle in uns zu aktivieren, kann uns unsere Stimme auf verschiedene Weisen dienen:
• Wir können wie oben beschrieben – quasi therapeutisch – die Resonanz des Mangelbewusstseins in uns bearbeiten, um Platz zu machen für den Fluss der Fülle.
• Wir können offen forschend in unser Inneres tönen und lernen, uns an dem unerschöpflichen Reichtum unseres Seelenlebens zu erfreuen (und vielleicht entdecken wir dabei, dass uns andere Themen eigentlich gerade viel wichtiger sind als Mangel oder Fülle…)
• Wir können uns mit unserer Stimme auf die Suche machen nach der Anbindung an spirituelle Räume, wo die Bewertungs-Dualität von Mangel und Fülle keine Relevanz hat (was übrigens in der Stimmarbeit häufig von ganz alleine passiert).

Oder wir nehmen eine pragmatische Abkürzung und stellen uns einfach nur zwei Fragen: Wenn ich mir das Gefühl von Fülle aufrufe, wo in meinem Körper und mit welcher leiblichen Empfindung spüre ich das? Wenn diese Empfindung einen Klang hätte und ich meiner Stimme erlauben könnte, den auszudrücken, wie würde das klingen… ?

1 Ein Begriff aus dem Körperpsychotherapie-Ansatz Focusing nach E.T. Gendlin, der vor allem mit verbalem innerem Dialog arbeitet.

2 Wenn wir einen Ton oktavieren, verdoppeln wir seine Frequenz – der Ton bleibt in seiner Klangfarbe der gleiche und die Resonanzdynamik der Oktave ist stärker als die jeder anderen Harmonie. Dementsprechend kann jede unhörbare Schwingung so oft verdoppelt oder halbiert werden, bis ihre Frequenz im hörbaren Bereich liegt – so können wir durch hörbaren Klang in Resonanz mit dem Unhörbaren treten (vgl. Cousto, Hans – die Oktave).

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