Der Körper ist ein wunderbares Wahrnehmungsinstrument und die Basis unseres Seins. Eine Vielzahl von Methoden verwendet ihn als Tor zu besserer Gesundheit und tieferer Bewusstheit. Wie wäre es, wenn all diese Ansätze – statt miteinander zu konkurrieren und sich selbst als alleinigen Stein der Weisen anzusehen – miteinander das Feld der Körperarbeit erforschen, Synergien freisetzen und eine neue Ebene der Ganzheitlichkeit etablieren würden? Über Ganzheitlichkeit in der Körperarbeit.

Rolfing, Feldenkrais, Alexander- Technik, Continuum Movement, Body-Mind-Centering, Erfahrbarer Atem, Contact Improvisation, Skinner Release, Axis Syllabus, Ideokinesis, Authentic Movement, Bartenieff Fundamentals, Yoga, Chi Gong, Tai Chi, Bodywork und Massage … Es ist die Zeit des Körpers und entsprechende Methoden boomen. Der Körper und die Erfahrung des bewussten Leibes möchten integriert werden. Mit Dutzenden von Verzweigungen und Schulen wird daran geprobt; funktionale, strukturelle, energetische, integrative Ansätze und und und … allein die Namen aller Körperbehandlungs- und Bewegungsmethoden könnten Seiten füllen.

Die einen stellen die Atmung in den Mittelpunkt, andere die Triggerpunkte, die nächsten Haltungs- und Bewegungsmuster, wiederum andere die Faszien oder Stadien der biologischen Entwicklung. Sind die Meridiane das A und O oder der cranio-sacrale Rhythmus? Ist eine Herangehensweise von innen nach außen oder von außen nach innen das Richtige? Sind als Leitprinzipien Optimierung & Leistung oder Hingabe & Vertrauen besser? Ist der Bezug vom Kopf zum Nacken, das Becken oder doch eher der Kontakt zum Boden der Schlüssel in der Aufrichtung? Für jedes methodische Prinzip gibt es ein Gegenprinzip.

Die meisten Ansätze sind aus dem Kontext ihrer Kultur und der Persönlichkeit ihrer Gründer entstanden mit den dazugehörigen blinden Flecken. Viele Pioniere entwickelten ihre Methode oder ihr System aus der Notwendigkeit, mit eigenen oder von der Gesellschaft gesetzten Einschränkungen umzugehen. Das führte zu Stärken und Schwächen in den einzelnen Methoden.

Es ist die Zeit des Körpers

Das inzwischen angesammelte Körperwissen ist beachtlich. Viele Menschen haben kaum bewusst Berührung mit diesem Kosmos gehabt, obwohl bereits viel davon in Bereiche wie Prävention, Nachsorge, Stressbewältigung, darstellende Künste oder Management eingeflossen ist. Schattenseiten des Umgangs mit dem Körperwissen sind die zum Teil zu schnell stattfindenden, unsoliden Zertifizierungen oder Körperarbeiter, die zu missionarisch sind und darauf schwören, dass genau ihre Methode DIE Antwort ist. Es scheint charakteristisch für Verfechter von Neuerungen, ihre jeweilige Entdeckung zu generalisieren und ins Exklusive oder Universelle zu erheben. Oft sind deshalb um Methoden Elfenbeintürme entstanden. Andererseits haben diese Türme auch für Schutz gesorgt und waren nötig, um die neuen Keimlinge in Ruhe gedeihen zu lassen.

Neben den Pionieren und den Anhängern gibt es die Sammler und Querläufer, die verschiedenes extrahieren, kondensieren und zu integrieren versuchen. Unter Umständen entsteht dabei ein weiterer Ansatz, der sich in den Methodenreigen einreiht. Aber egal, ob es Pioniere, Anhänger oder Integrierer sind, die hinter den Methoden stehen, eines wird bei dieser fast unüberschaubaren Vielfalt von traditionellen und zeitgenössischen, östlichen und westlichen Körperarbeitsmethoden und Praktiken deutlich: Der Körper und die Erfahrung des bewussten Leibes möchten – gesellschaftlich betrachtet – integriert werden. Es ist die Zeit des Körpers! Der Verstand und das Seelische kommen an ihre Grenzen, wenn sie vom Körper abgespalten agieren, denn der Leib ist ihr Boden. Was es genau bedeutet, den Körper zu integrieren, ist komplex und vielschichtig und kann jede Sphäre beeinflussen – Alltag, Beruf, Kreativität, Sex oder Politik –, denn der Körper ist überall dabei und keine Erfahrung ohne ihn möglich.

Somatics: Alle Körperansätze, die sich mit der unmittelbaren, subjektiven Körpererfahrung befassen

Die unmittelbare Körpererfahrung – wie das Spüren der Atmung oder die Art und Weise des Gehens – ist ein subjektives Erlebnis. Alle Körperansätze, die sich mit dieser subjektiven Erfahrbarkeit auseinandersetzen, werden im Englischen auch unter dem von Thomas Hanna geprägten Begriff „Somatics“ zusammengefasst. Körperansätze oder somatische Methoden, soweit sie ein bewussteres und intensiveres Gefühl vermitteln, tatsächlich im Körper zu „wohnen“, haben viele Wirkungen. Der Leib bringt uns in unmittelbaren Kontakt mit uns selbst und mit der Welt – ohne die Notwendigkeit einer „Übersetzung“. Verkörpert oder „embodied“ zu agieren beeinflusst die Klarheit darüber, was ich wirklich möchte, was gerade stimmig ist und was nicht – auch die Kapazität, wertfreier auf andere und auf Dinge zu reagieren, denn die Natur der Empfindung ist Präferenzlosigkeit. Bewusst im Körper zu sein verbessert auch die Kapazität zur körperlichen Selbstregulierung und Balance, zum Beispiel im Sinne von Ernährung, Stress oder Heilung von körperlichen oder seelischen Symptomen.

Wie viele Einzelmethoden braucht es noch, bis sich ein stärkeres Gefühl eines zusammenhängenden und zusammengehörenden somatischen Feldes etablieren kann? Was würde geschehen, wenn die Vertreter der Somatik sich zusammentun, Brücken zwischen ihren Türmen, Schulen und Berufsverbänden errichten oder – noch besser – gemeinsam Orte schaffen, wo Vielfalt und Diversität begrüßt und unterstützt sowie Stärken und Schwächen erkannt werden und einander ausgleichen können?

Orte, wo durch Gleichzeitigkeit verschiedener Perspektiven neue Synergien freigesetzt werden können und in einem Querdenken das Feld des Körperwissens seine Komplexität entfalten kann. Wo Menschen, die sich bewusst auf ihren Körper einlassen wollen, an die Hand genommen und durch das Dickicht der Möglichkeiten geführt werden können. Wo Konkurrenz der Zusammenarbeit weicht und der Blick frei werden kann für die allgemeine Stärkung der Somatik, denn die Integration des Leibes ist eine notwendiger Schritt zu einem ganzheitlichen Erleben der Welt. Sie knüpft direkt an unseren Umgang mit uns selbst, mit anderen und den Umgang mit der Erde und ihren Ressourcen an. Es braucht solche Orte und sie beginnen sich zu etablieren. Die Somatische Akademie Berlin ist einer davon.


 

Zum ersten Mal in Berlin:
Body IQ Festival
vom 16.-18. Oktober mit 40 Workshops, Lectures, Demonstrationen und 22 Somatikern aus sieben Ländern
www.bodyIQ-berlin.de

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