Julius Detlef und Max Schwarz erzählen, wie Männerarbeit ihr Leben verändert hat…

Julius

Bevor ich mit Männerarbeit in Kontakt kam, hatte ich keine Ahnung, wer ich wirklich bin und was ich wirklich will. Zwar verlief mein Leben “nach Plan”: Ich zog mein Studium mustergültig durch und arbeitete in einem angesehenen Beruf als Projektmanager. Aber die traurige Wahrheit war: Ich fühlte mich leer. Mein Leben fühlte sich sinnlos an. Dieses Gefühl der Sinnlosigkeit habe ich über Jahre durch Arbeit und ständige Aktivität in der Freizeit betäubt. Doch eines Tages überrumpelte es mich und ich konnte einfach nicht mehr „funktionieren“: Ich fiel in ein Loch. Glücklicherweise wurde mir zu dieser Zeit ein Männercoach empfohlen. Obwohl ich mich schon lange mit Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt und auch einige Seminare besucht hatte, konnte bis dato nichts meinen Kern erreichen. Daher hatte ich wenig Hoffnung, dass mir dieser Coach helfen könnte.

Ich wurde eines Besseren belehrt: Als wir uns zu einem mehrtägigen Intensivcoaching trafen, begrüßte er mich mit einer langen Umarmung. Als heterosexueller Mann hatte ich körperliche Nähe bis dahin ausschließlich mit Frauen erlebt – diese Art von Nähe zu einem Mann war mir komplett neu. Ich spürte einen starken Widerstand: “Warum nimmt der mich so lange in den Arm – ist das nicht schwul?” Doch schnell darauf entspannte sich mein ganzer Körper und ich fühlte mich pudelwohl. Im weiteren Verlauf des Coachings gab es einen starken Fokus auf körperliche Referenzerfahrungen wie Raufen und Bodywork und ich machte eine bemerkenswerte und absolut unerwartete Erfahrung: Durch diese betonte Körperlichkeit im Beisein eines Mannes verschwand meine innere Leere und ich fühlte mich zum ersten Mal in meinem Leben “ganz”.

Ich kam in Kontakt mit meinen Gefühlen und meinem Wesenskern. Es fühlte sich an, als ob ich mich endlich selbst gefunden hätte – ich verspürte eine tiefe Selbstliebe. Was für ein Durchbruch! Auch die vielen weiteren Gespräche mit dem Männercoach waren tiefgreifend und lebensverändernd. Ich bekam eine neue Sichtweise auf mein bisheriges Leben und fand heraus, an welchen Punkten es bei mir „hakte“. Endlich konnte ich den jahrelangen Selbstbetrug beenden und mir eingestehen, dass ich viel lieber mit Menschen arbeiten wollte, statt den ganzen Tag am Schreibtisch zu sitzen. Seitdem ist viel passiert: Ich habe den Bürojob an den Nagel gehängt, bin ein Jahr durch Australien und Südostasien gereist und lebe nun in meiner Wahlheimat Berlin, um selber Männercoach zu werden und das weiterzugeben, was ich durch Männerarbeit bekomme und bekommen habe.

Max

Vor sechs Jahren hatte ich eine Krise. Ich wusste nicht, was ich beruflich machen wollte, fühlte mich oft einsam und meine Beziehungen zu Frauen liefen nicht. Ich war verkopft, unglaublich hart zu mir und hatte kaum Zugang zu meinen Gefühlen. Ich begann eine Psychotherapie. Diese machte mich zwar etwas stabiler, aber die negativen Emotionen blieben Teil meines Lebens und lähmten mich. Tief in mir schlummerte der Wunsch, authentischen Kontakt zu Männern und Mentoren zu haben und herauszufinden, was es für mich bedeutet, ein Mann zu sein. So stieß ich auf ein Männerbuch und männliche Initiation. Bei einer Veranstaltung zum Thema lernte ich Julius kennen, zu dem ich sofort einen guten Draht hatte.

Er empfahl mir seinen Männercoach, bei dem ich mehrere Seminare besuchte. Dort fand ich mich auf einmal in einer Horde von Männern wieder – was mir zunächst gehörig Angst machte. Alte Befürchtungen aus der Kindheit stiegen in mir auf: Die Männer könnten mich verdreschen oder zumindest auslachen. Ich fürchtete mich davor, mich so zu zeigen, wie ich wirklich bin, und erwartete Ablehnung. Als ich dann doch wagte, mich Stück um Stück zu zeigen, merkte ich, dass ich bedingungslos akzeptiert wurde. Ich empfand ein völlig neues Gefühl von Geborgenheit unter Männern. Überrascht erlebte ich, dass sich Teilnehmer, die mir am Beginn des Seminars als komplett überlegen vorkamen, manchmal genauso verzweifelt und einsam fühlten wie ich.

Ich spürte in jedem dieser Männer eine tiefe Stärke und Liebe, die respektvoll und auf Augenhöhe mit mir geteilt wurde. Ich war gleichwertiger und wichtiger Bestandteil der Gruppe – für mich eine absolut befreiende und wegweisende Erfahrung. In der Folgezeit ging ich zu Männerstammtischen und Männergruppen. Diese regelmäßigen Treffen mit authentischem Austausch und ehrlichen Spiegelungen aus der eigenen Geschlechtergruppe gaben mir Stabilität und Zuversicht. In diesen Gruppen lernte ich als erwachsener Mann Verantwortung zu übernehmen, Räume zu erschaffen, in denen sich Männer gegenseitig unterstützen und stärken. Das gab meinem Leben wohltuende Tiefe und steigerte mein Selbstvertrauen.

Das merkten auch die Frauen: Ich war viel gelassener und natürlicher geworden. Vor einem Jahr lernte ich meine jetzige Partnerin kennen. Diese Beziehung ist das größte Geschenk meines Lebens. Vor wenigen Jahren hätte ich all das für unmöglich gehalten.

Julius und Max: Warum Männerarbeit so wichtig ist

Männerarbeit hat unser Leben radikal verändert. Und nicht nur unser Leben, sondern auch das von sehr vielen anderen Männern da draußen. In der Gesellschaft herrscht nicht selten die Erwartung, dass Männer ihre Probleme mit sich selbst ausmachen sollen. Gefühle zu zeigen, ist unter Männern immer noch häufig mit Scham behaftet und wird als Ausdruck von Schwäche gewertet. In den Männergruppen, die wir kennenlernen durften, werden Männer hingegen ermutigt, sich so zu zeigen, wie sie wirklich sind. In Ihrer ganzen Bandbreite. Von hart bis zart. Von kraftvoll bis verletzlich. Sie dürfen “weich” sein und untereinander ihre Ängste, Sorgen, Unsicherheiten austauschen – aber genauso Spaß haben und, etwa beim Rangeln und Sport, ihre Wildheit genießen und ihre körperliche Kraft aneinander messen. Diese Art von Männerarbeit unterstützt uns nicht nur dabei, in einem sicheren Rahmen mit unseren Ängsten, Sorgen und Unsicherheiten in Kontakt zu kommen, sondern es wird auch unseren wilden und kraftvollen Seiten bewusst Raum gegeben, damit sie gesunde und konstruktive Kanäle finden.

Eine neue Männerbewegung

Wir, Julius und Max, blieben in Kontakt und verabredeten uns auf der großen Männerkonferenz MANN SEIN in Berlin. Sie wird von der gemeinnützigen Non-Profit-Organisation MALEvolution komplett ehrenamtlich organisiert. Die Vielfalt der Teilnehmer überraschte uns: Wir trafen Männer unterschiedlicher Altersgruppen, kultureller Hintergründe, sexueller Orientierungen und aus allen gesellschaftlichen Schichten. Allgemein spürten wir eine entspannte und zutiefst brüderliche Atmosphäre, die wir so noch nie erlebt hatten. Die Männer des Veranstalters MALEvolution imponierten uns mit ihrem Einsatz für ein neues, positives Verständnis von Männlichkeit und ihrer deutlich sichtbaren Freude daran, Verantwortung für die Welt von morgen zu übernehmen. Sie erzählten, dass die MALEvolution alles andere als eine Bewegung gegen die Frauen sei, sondern vielmehr eine Bewegung für ein neues, bewussteres Mannsein – damit ein liebevolles und gesundes Geschlechterverhältnis auf Augenhöhe gelingt.

Auf der Konferenz hörten wir bewegende Vorträge zu Themen wie Berufung, Beziehung zum Vater, Männerfreundschaft, Gesundheit und Sexualität. Zwischen den Wortbeiträgen kamen wir in Kontakt mit weiteren Teilnehmern. Zwei Männer, die kurz davor noch eher schüchtern zusammengestanden hatten, entdeckten wir auf der Matte des Sportbereiches: Nun rangen sie miteinander. Ineinander verschlungen, die Muskeln zum Reißen angespannt knurrten sie sich an, mit Raubtieraugen. Keiner der beiden würde einen Fingerbreit nachgeben, so viel war klar. Die Zuschauer feuerten die Kämpfer laut an.

Wir bewunderten den Mut der beiden, Schmerzen und die Möglichkeit einer Niederlage vor den Augen so vieler Männer zu riskieren. Schließlich lag einer der beiden mit den Schultern auf dem Boden, schweißnass. Der Kampf war beendet. Der Sieger half dem anderen respektvoll auf und nahm ihn fest in den Arm. Einige Zeit später sahen wir sie wieder in eine Unterhaltung vertieft – sie waren fast nicht mehr wieder – zuerkennen. Die Schüchternheit war geballter Energie gewichen, sie gestikulierten kraftvoll, strahlten über das ganze Gesicht, und wir spürten den tiefen Respekt, den sie füreinander gewonnen hatten. Wir waren tief berührt, wie diese Konferenz uns und so viele Männer noch mehr in die Fülle gebracht hatte. Wir spürten, dass hier Mann sein mit positiver Schöpferkraft gelebt wird. Daraus entspringt neues Bewusstsein und wichtige Mentorenschaft, die nicht nur den Männern, sondern der Gesellschaft als Ganzes guttut. Wir wollten Teil dieser Bewegung sein und bewarben uns als Team-Mitglieder bei der MALEvolution. Wir wurden herzlich willkommen geheißen und fühlen uns seither pudelwohl als Teil dieser brüderlichen Mannschaft.

Autoren

Julius Detlef lebt in Berlin. Er brennt dafür, Männer in ihre volle Kraft zu bringen und sie auf ihrem Herzensweg zu unterstützen. Er engagiert sich ehrenamtlich in der MALEvolution und arbeitet als Männercoach. Kontakt über https://selbstbewusste-maennlichkeit.de

Max Schwarz lebt in Berlin und München, ist leidenschaftlicher Trainer und Coach für Personalgewinnung durch Social Media und arbeitet ehrenamtlich in der MALEvolution. Kontakt über ms@talenteimnetz.de www.talenteimnetz.de

Infos zur Männerarbeit auf http://malevolution.org
Die Konferenz zum Thema Mannsein am 2. + 3. Juni 2018
https://www.mannsein-konferenz.org

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