Bis zu 50 Prozent der Patienten, die Gastroenterologen aufsuchen, plagen sich mit Verdauungsstörungen herum, die als Reizdarm bzw. Reizdarmsyndrom (RDS) bezeichnet werden. Bauchschmerzen, Durchfall, Blähungen – die Symptome sind vielfältig. Auch wenn der Leidensdruck bei vielen Patienten hoch ist, sieht die Schulmedizin hier keine gravierende Erkrankung und kennt nur wenige hilfreiche Therapien. Nicht so im Ayurveda, wo das Verdauungsfeuer (Agni) die Grundlage für die gesamte Gesundheit des Menschen bildet.

Von Prof. Dr. Shrikrishna Sharma

 

Der Reizdarm bzw. das Reizdarmsyndrom ist eine häufige funktionelle Störung des Verdauungstraktes ohne fassbare organische Ursachen und gilt als psychosomatische Störung – also eine Erkrankung, bei der Körper und Psyche einander beeinflussen. Kennzeichen sind zum Beispiel immer wieder auftretende Bauchbeschwerden wie Schmerzen, Stuhlunregelmäßigkeiten oder Blähungen. Die Darmperistaltik, also die Muskelkontraktionen im Darm, sind so übersensibel, dass schon der mildeste Reiz eine Überreaktion oder Lähmung hervorruft, was die unterschiedlichen Symptome begründet.

Statistisch gesehen sind Frauen vom RDS übrigens weitaus häufiger betroffen als Männer, die genaue Ursache oder die verschiedenen Auslöser dieser Erkrankung sind bisher leider nicht ausreichend erforscht. Die Diagnose, dass man am Reizdarmsyndrom erkrankt ist, wird von der Schulmedizin durch das Ausschlussverfahren getroffen. Zum Beispiel mittels Stuhlprobe, Koloskopie (Darmspiegelung) zum Verwerfen von drastischen Darmerkrankungen, Tests auf Laktoseintoleranz und Entzündungsparameter.

Die Behandlungsmöglichkeiten sind eingeschränkt, im Grunde können nur Symptome gemildert oder bekämpft werden, ohne sich der Ursache zu widmen. Die westliche Medizin sieht diese Erkrankung zwar als sehr unangenehm, aber eben auch als ungefährlich an. Nicht so der Ayurveda.

Harmonie im Körper

Die drei Doshas (Bioenergien) – Vata, Pitta und Kapha – , auf denen die ayurvedische Medizin grundlegend basiert, sind verantwortlich für die anatomischen und physiologischen Aktivitäten im Körper. Ihre Harmonie untereinander ist entscheidend für die Gesundheit eines Menschen. Sie entspringen den fünf Elementen Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther.

Doshas sind keine körperlichen Substanzen, sondern höchst dynamische Kräfte, die alle biologischen und psychischen Prozesse unseres Körpers, unseres Geistes und unseres Bewusstseins steuern. Das Gleichgewicht dieser Kräfte im Menschen ist für seine Gesundheit und Lebenskraft entscheidend.

Die Verdauung gilt in der Ayurveda-Heilkunde als sehr komplex – und wird hier ausführlicher dargelegt als in jeder anderen Naturheilkunde. Sämtliche Stoffwechselvorgänge im Körper eines Menschen werden von Vata, Pitta und Kapha bestimmt. Laut Ayurveda beginnt das Reizdarmsyndrom mit dem Verlust des natürlichen Gleichgewichts.

Agni – das „Lebensfeuer“

Man übersetzt Agni mit „Verdauungsfeuer“, könnte es aber auch „Lebensfeuer“ nennen, weil es für alle Lebensfunktionen unentbehrlich ist. Es ist die Lebensflamme, die von den drei Doshas reguliert wird. Sie verwandelt Nahrung in körpereigene Energie- und Strukturbausteine.

Agni hat seinen Hauptsitz im Oberbauch, ist jedoch auch in jeder Zelle vorhanden. Jeder Mensch verfügt mit Agni über einen ganz individuellen Stoffwechsel entsprechend seiner Konstitution.

Agni ist auf drei Ebenen wirksam und wird deshalb in drei Arten unterteilt:

  1. Verdauungsfeuer (Jatharagni): Bewirkt die anfängliche Verdauung und steuert die Aufspaltung der Nahrungsmittel in verwertbare Nährstoffe und nicht verwertbare Abfallprodukte,
  2. Elementefeuer (Bhutagni): Aufspaltung der Nahrung in die einzelnen Elemente,
  3. die sieben Gewebefeuer (Dhatvagni): Transformation der Nährstoffe im Gewebeumwandlungsprozess.

Agni ist nicht nur der zentrale Faktor, der über Verdauung oder Verdauungsstörung entscheidet, Agni ist der Funke, der alle Stoffwechselprozesse des Körpers initiiert: Sehen, der Glanz der Haut, Lust oder Unlust, Kontrolle der Körpertemperatur und sogar Mut oder Feigheit, Glück oder Trauer, Wissen oder Ignoranz unterstehen dem entscheidenden Einfluss von Agni. Daher haben Störungen von Agni so weitreichende Auswirkungen auf Körper, Geist und seelische Verfassung eines Menschen. In diesem Sinne steht jede Krankheit mehr oder weniger in Verbindung mit einer Disharmonie unseres Verdauungssystems. Die typengerechte Regulierung von Agni ist ein zentrales Thema in jeder ganzheitlichen Ayurveda-Therapie.

Im Ungleichgewicht

Ayurveda ist tief davon überzeugt, dass fast alle inneren Krankheiten aufgrund einer Agnifehlfunktion entstehen. Daher sollte man sich immer seines Agnizustandes bewusst sein, um alle Ursachen zu verhindern, die uns davon abhalten ein gesundes, glückliches und fruchtbares Leben zu führen.

In allen Fällen von Agni-Störungen können die Nährstoffe nicht optimal verarbeitet werden und gehen verloren. Dadurch wird der Gewebeaufbau beeinträchtigt und die halbverdaute Nahrung führt zur Bildung von toxischen Stoffwechselgiften (Ama), die sich im ganzen Körper absetzen und zu weiteren Erkrankungen führen können. In diesem Sinne steht jede Krankheit mehr oder weniger in Verbindung mit einer Disharmonie unseres Verdauungssystems, und die typengerechte Regulierung von Agni ist ein zentrales Thema in jeder ganzheitlichen Ayurveda-Therapie.

Bei einem Dosha-Ungleichgewicht ist Agni dementsprechend geschwächt und es kommt zur Bildung von Ama und in der Folge dann zu Krankheiten. Dies kann so aussehen:
Kapha-Dominanz: Stoffwechsel wird träge und langsam, Völlegefühl, Müdigkeit
Pitta-Dominanz: Entzündungen im Magen und Darm, Geschwüre, Sodbrennen
Vata-Dominanz: Blähungen, Verstopfung

Reizdarm: Therapien aus ayurvedischer Sicht

Die ayurvedische Sicht auf Patienten ist ganzheitlich, und ebenso umfassend und individuell sind auch die Therapieansätze. Ausgehend von den skizzierten Zusammenhängen über die Entstehung dieser Darmerkrankung setzt die ayurvedische Therapie zuerst bei der Ernährung an, dann bei der allgemeinen Lebensführung und greift erst an dritter Stelle zu medikamentösen und physikalischen Maßnahmen.

Es ist wichtig, dass der Weg zur Gesundung auf allen Ebenen stattfinden muss. So kann beim Reizdarmsyndrom zum Beispiel die Ausleitung von Toxinen sowie die Ausgewogenheit der täglichen Nahrung im Vordergrund stehen. Da es sich beim Reizdarm um eine Verstärkung des Vata-Dosha handelt, ist es wichtig, Vata zu normalisieren.

Wichtig ist, die natürlichen Regulationsprinzipien wieder in ein notwendiges Gleichgewicht zu bringen. Ernährungsempfehlungen, hilfreiche Übungen (zum Beispiel Yoga oder Meditationen) sowie spezielle Kräutermischungen – alles individuell auf den Patienten und seinen Konstitutionstypus zugeschnitten und zusammengestellt – helfen bei einer bewussteren Lebensführung. So sollen die natürlichen Selbstheilungskräfte wieder aktiviert werden, damit der übersensible Darm wieder in die Balance gelangen und normal seine Funktion aufnehmen kann.

Eine Antwort

  1. Lotti
    Hocke &Hocker zur Darmreinigung

    Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Sharma, ihren Artikel habe ich gerne gelesen. Ich habe zum Beispiel eine Lösung finden können, um die typischen Symptome eines gereizten Darmes besser ertragen zu können. Ich bin einfach in die Hocke zur regelmäßigen Darmentleerung gewechselt. Unsere Vorfahren habe ihre Geschäfte ja auch in der Hocksitzhaltung verrichtet. Damit ich die Hocke korrekt und mit einem gewissen Komfort praktizieren kann, stelle ich einfach den Hoca Toilettenhocker vors Klo. Dr. Johannes Wimmer rät ja auch zur Hocke und dem Hoca.

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