Ein Geheimnis, das gar keines ist?

Viel habe ich davon gehört. Sehr negative Stimmen und im Gegenzug begeisterte, vollkommen überzeugte Befürworter. Nun… im Namen der SEIN stelle ich mich also tapfer der Aufgabe, diesen Film zu besprechen. Abends, in Ruhe und im Beisein einer großen Kanne Tee lege ich erwartungsvoll die DVD ein und harre gespannt der Dinge, die nun auf mich zukommen mögen. „The Secret“, von der Australierin Rhonda Byrne, soll eine „Dokumentation“ sein, zusammengeschnitten aus Filmszenen und Interviews.

 

Die amerikanische Art schreckt ab

Die Person, die in Deutschland den Vertrieb der „The Secret“ DVD aus persönlicher Überzeugung leitet, sagte mir in unserem Telefongespräch über die bisher erschienene negative Kritik: „Manche Medienvertreter lassen sich leider von der manchmal sehr direkten und für deutsche Verhältnisse etwas aufdringlich wirkenden, amerikanischen Art abschrecken und berichten deswegen negativ über den Film.“

Da hat er durchaus recht. Die zitierten, nur kurz im Untertitel als „Autor“, „Reverend“ oder „Physiker“ vorgestellten „Wissenschaftler“ wirken auf mich wirklich sehr amerikanisch und sehr, sehr abschreckend. Das mag an der Sprechweise liegen, an der Synchronisierung (die den Adressaten sanft an die dauerlächelnden Moderatoren der amerikanischen Dauerwerbesendungen auf dem einschlägigen Shoppingkanal erinnert), vielleicht aber auch an dem leicht irren Blick, den einige der Sprecher aufweisen. Ich fühle mich ein wenig wie bei Bibel TV, so, als ob mir ein paar Erweckte, angefüllt mit glühendem missionarischem Impetus, ihre Version des Lichts andrehen wollen. Ich unterdrücke krampfhaft den Drang wegzuschalten. Unterfüttet wird das Ganze mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten großer Denker, wie zum Beispiel Martin Luther King, Victor Hugo, Einstein, Churchill, Platon usw. Aber das sind zunächst ja nur Äußerlichkeiten. Subjektive Ansichten über die etwas zu pompöse Verpackung, die rein technisch wie ein sehr guter Hollywood-Streifen umgesetzt ist.

„The Secret“ – ein Geheimnis, das gar keines ist?

Das ultimative, seit Generationen und Jahrtausenden geheim gehaltene Geheimnis wird direkt am Anfang der DVD gelüftet. Ich setze mich gespannt auf, kurz danach sinkt mir jedoch langsam die Kinnlade zu Boden und ich versuche mich nicht am heißen Tee zu verschlucken. Das Geheimnis ist ganz einfach und simpel: Positives Denken und das Gesetz der Anziehung.
„Aha“, denke ich… „also im Grunde nur ein geschickter, neuer Aufguss einer uralten Idee.“ Ein Geheimnis, das im Grunde keines ist: Wenn ich Positives ausstrahle, kommt es auf mich zurück. Bestellungen beim Universum aufgeben und daran glauben. Wer hat sowas nicht schon einmal getan? Ich bin auch vollends davon überzeugt, dass dies in einem gewissen Rahmen funktioniert – wenn man allerdings hieraus ein absolutes Gesetz heraus interpretiert, ist dies – meiner Ansicht nach – eine fatale Simplifizierung der vielschichtigen Funktionsweise des Universums. Andere kosmische Gesetzmäßigkeiten, wie z. B. die Karmalehre, werden schlicht ignoriert.

„Das Gesetz der Anziehung“

Nach diesem Gesetz kann ich alles haben, wenn ich nur stark genug daran glaube. Ich will etwas, formuliere diesen Wunsch bewusst, visualisiere ihn und sende damit – Kraft meiner Gedanken – starke Frequenzen an das Universum aus, das sich – manchmal früher, manchmal später – immer als mein Wunscherfüller betätigt. Wenn sich etwas nicht erfüllt, wird das – seit Jahrtausenden bei vielen Religionen bekannte (und äußerst bequeme) – Argument hervorgezogen, dass man schlicht und einfach nicht stark genug geglaubt hat.

Inhaltliche Kritik & die Wahrheit der Grundaussagen

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Der deutsche Vertriebsleiter sagt mir hierzu: „Die Menschen sind in der Regel entweder sofort hellauf begeistert oder lehnen den Film generell ab. […] Den Menschen, die den Film ablehnen, gefällt meist die Art der Darbietung nicht – ein Zweifel an der Wahrheit der Grundaussagen ist mir bisher nicht zu Ohren gekommen.“ So formuliert stimmt es dann natürlich. Mit den Grundaussagen, der Basis von „The Secret“ gehe auch ich – eigentlich fast jeder – konform. Bedenklich ist eben diese absolutistische Weiterführung des schon seit Jahrtausenden bekannten Grundgedankens, die Rhonda Byrnes betreibt.

Im Umkehrschluss bedeutet das gepriesene System nämlich (und es wird im Film auch klar so formuliert): wenn dir etwas Furchtbares geschieht, dann hast DU es allein mit deinen negativen Gedanken angezogen. Hier wird nicht differenziert. Wenn du also schlicht nie das Haus deiner Träume bekommst, einen Unfall baust, Schulden hast, angepöbelt wirst – hast du allein es verursacht. Denn die Frequenz deiner ausgestrahlten Ängste/Sorgen wurde vom Universum, mit dem du in Resonanz stehst, nach dem Gesetz der Anziehung aufgenommen und realisiert. Weiter getrieben heißt dies auch: Wenn dein Kind stirbt, hast du diese Schuld auf dich geladen, da du dir Sorgen gemacht hast. Genauso absurd und weltfremd erscheint die im Film gezeigte Theorie, dass Schulden sich wie durch Zauberei manifestieren, weil man Angst vor ihnen hat und an sie denkt. Klar – wenn ich meinen Schuldenberg einfach verdränge, die Mahnungen nicht beachte, dann vergisst meine Bank, dass ich bei ihr in den roten Zahlen stehe. Sicher.

Spirituelles Fastfood – im Einklang mit dem Universum

Je länger ich den Film ansehe, um so übler wird mir. Und umso mehr kommt mir persönlich der Gedanke, dass hier jemand ganz fest daran geglaubt hat, auch eine Menge Geld zu verdienen. Meiner Meinung nach braut Rhonda Byrne nur einen alten Ansatz neu auf, mit dem Effekt, a) Leichtgläubigen und Menschen, die nach einem Halt suchen, den Kopf endgültig zu verdrehen und b) reichen Leuten das Seelchen zu streicheln und sie in ihrer egozentrischen, rein konsumorientierten Lebensauffassung zu bestätigen.

Hier wird spirituelles Fastfood, harmonisch im Einklang mit den klingelnden Kassen des Universums, geboten. Nehmer-Qualitäten, die Gier und der Hunger nach Besitz und Reichtum werden gefördert, ohne der Gesellschaft, der Welt, etwas zurückzugeben. Altes wird neu verpackt und geschickt verkauft: Früher betete man in Kirchen um Wunder und Hilfe, beging nebenbei wenigstens noch „christliche Taten“ – heute „bitte“ ich das Universum per Katalogbestellung darum, dass es  mir meinen dicken Mercedes und ein neues Brillant-Collier vor die Türe legt.

Mein Gesprächspartner vom deutschen Vertrieb glaubt wirklich an die Inhalte des Films, das nehme ich ihm in unserem Telefonat unbesehen ab. Begeistert sagt er: „Der Film ist nicht umsonst derzeit auf Verkaufsrang 17 bei Amazon. Das Buch auf Rang 9! In der Bestseller-Liste des Spiegel sind wir auf Rang 3!“

Nur… wieviel sagen solche Zahlen aus? Spricht Quantität für Qualität? Ist etwas gut, nur weil es alle kaufen? Das sollte jeder für sich entscheiden. Für viele mag es sich bei diesem Film um gut verpackte und verkaufte esoterische Allgemeinplätze handeln. Im Nachhinein erinnert das Konstrukt von „The Secret“ mich an große, beeindruckend aufragende Kirchenbauten, ausgestattet mit glitzernd bunten Kirchenfenstern und die Sinne ungewohnt benebelndem Weihrauch, die die breite und ungebildete Masse der Christenheit im Mittelalter dazu animieren sollten, ehrfürchtig betend niederzuknien. Andere Menschen finden hier allerdings den Quell der Weisheit, ihre persönliche Wahrheit, den ultimativen spirituellen Augenöffner, auf den sie ihr Leben lang gewartet haben.
Meinungen sind eben subjektiv… Entscheiden Sie als mündiger Leser selbst.

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