Alles fühlt mit, sagt der Autor Hans Boës, und erklärt dies anhand der fraktalen Natur der Lebewesen.

Vor einiger Zeit kam ich auf die Idee, dass menschliche Ausstrahlung vielleicht einen ganz einfachen physikalischen Hintergrund hat. Ich arbeite seit Jahren ehrenamtlich immer mittwochs im Fahrradcontainer des Prinzessinnengartens in Berlin am Moritzplatz. Dort helfen wir anderen, ihre Fahrräder zu reparieren – gegen Spende. Oft reparieren wir dort jedoch nicht nur die Räder, sondern – wie ich oft sage – auch Seelen. Irgendwann kam einmal ein Punk, der gerne bei uns mitmachen wollte. Nachdem er das dritte Mal zur offenen Fahrradwerkstatt gekommen war, war bei uns allen dreien, welche die Werkstatt an diesem Tag beaufsichtigten, die „Energie raus“. Wir hatten das Gefühl, dass der Kerl „Energie saugt“. Da fiel bei mir der Groschen! Drei von drei ist statistisch gesehen hochsignifikant. Da muss doch was dran sein, dachte ich mir und suchte nach einer physikalischen Grundlage, wie Ausstrahlung funktionieren kann. Im Kopf hatte ich immerzu den Satz von Andreas Weber, dessen Buch ich gerade gelesen hatte: „Lebewesen sind keine Maschinen. Sie sind Werkzeuge der Sehnsucht. Sie sind Verlangen, das sich einen Körper gesucht hat und diesen regiert.“

Andreas Weber hat bereits vor einiger Zeit ein außergewöhnliches Buch geschrieben. Er ruft auf zu einem neuen Verständnis von der Natur und uns selbst. Sein Buch heißt: „Alles fühlt“. Er verkündet eine Revolution der Lebenswissenschaften, in der das Fühlen wieder zentraler Bestandteil sein muss: „Ohne das Fühlen zu berücksichtigen, ist der Aufbau eines Lebewesens nicht zu verstehen.“ Weber entwickelt in seinem Buch die Grundlagen für eine „Schöpferische Ökologie“, für ein neues Miteinander von Mensch und Natur. Denn tatsächlich haben die Wissenschaften bisher noch keine wirkliche Antwort auf die Frage gefunden, was Leben ist. So gelingt es zwar, die genetischen Codes für tausende einzelne biologische Bausteine zu entschlüsseln – wie das ganze Zusammenspiel dann funktioniert, entzieht sich aber bis heute unserer Kenntnis. Leben ist immer noch ein Rätsel.

Weber zeigt jedoch einen Weg: „In der Genforschung, in der Entwicklungsbiologie und in der Hirnforschung wird den Beteiligten zunehmend klar, dass sie Lebewesen nur verstehen können, wenn sie eine Kraft wieder in die Forschung einführen, die seit hunderten von Jahren sorgfältig daraus verbannt wurde: die Subjektivität.“

Bisher wird das Leben immer noch als gigantische komplexe Maschine verstanden, die aus lauter kleinen Regelkreisen zusammengesetzt ist. Dabei ist der Blick auf das Ganze verloren gegangen: „Forscher haben erkannt, dass sie nur so, nur wenn sie Organismen als fühlende Systeme verstehen, die ihre Umgebung interpretieren und bewerten und nicht sklavisch Reizen gehorchen, eine Antwort auf die großen Rätsel des Lebens erhalten.“

Bei dem Versuch, die physikalischen Hintergründe des Weberschen Ansatzes zu verstehen, ist mir etwas aufgefallen, das eindeutig damit im Zusammenhang steht: Alles fühlt mit. Ich kann Ihnen zwar bis heute nicht sagen, wie Fühlen funktioniert, aber wie das „Mitfühlen“ rein physikalisch erklärt werden könnte, will ich im Folgenden darstellen. Es ist vielleicht ganz einfach ein elektromagnetisches Resonanz – phänomen.

Fraktale: Alles ist in allem widergespiegelt

Wie kann das funktionieren? Wie können wir uns als mitfühlende Wesen technisch-physikalisch verstehen bzw. erklären? Eine Möglichkeit ist das Verständnis der fraktalen Natur der Lebewesen. Fraktale sind eine Entdeckung der modernen Mathematik. Sie entstehen, wenn man rekursive Funktionen im Rechner darstellt. Rekursive Funktionen sind Rechenoperationen, bei denen das Ergebnis einer Rechnung durch das vorherige Ergebnis beeinflusst wird. Also im Grunde, als wenn sich die Katze in den Schwanz beißt – eine mathematische Rückkopplung. Derartige Funktionen sind sehr rechenaufwendig, und erst durch die Computertechnologie ist es gelungen, sie darzustellen.

Das Titelbild zeigt als Beispiel eine Julia-Menge (erstmals von Gaston Maurice Julia und Pierre Fatou beschrieben). Insbesondere das „Apfelmännchen“ ist unter den Fraktalen zu einiger Berühmtheit gelangt und am Apfelmännchen kann man sehr schön eine besondere Eigenschaft der Fraktale erkennen: Sie sind selbstreferentiell bzw. selbstähnlich. Das heißt, dass sich ähnliche Strukturen immer wieder ergeben, auch wenn man immer näher in die Struktur hineinschaut: Alles ist in allen Teilen widergespiegelt. Das Youtube-Video https://www.youtube.com/watch?v=nYJ2WW0i3hk (bzw. in Suchzeile eingeben: Zoom ins Apfelmännchen 720) veranschaulicht diesen Zusammenhang sehr gut.

Das Phantastische an Fraktalen ist, dass mit einer sehr einfachen Rechenregel sehr komplexe Strukturen geschaffen werden können. Und dieses Tricks bedient sich offenbar auch die Natur, denn wir finden fraktale Strukturen in fast allen Lebewesen. Schaut man sich einmal in der Natur um, so wird man zahlreiche Formen finden, die fraktale Eigenschaften aufweisen. Sehen Sie sich zum Beispiel einmal genauer das Blatt eines Farns an. Sie werden sehen, dass die einzelnen Blätter des Farns dieselbe Struktur haben wie das ganze Blatt – also selbstähnlich oder auch selbstreferenziell sind. Zahlreiche Strukturen von Lebewesen lassen sich mittels fraktaler Strukturen abbilden.

Die Natur nutzt also fraktale Operationen, um mittels sehr einfacher wiederholbarer Regeln sehr komplexe Strukturen aufzubauen. Etwas Ähnliches finden wir auch im Menschen. Jeder heil- und massage-praktisch Interessierte wird dies kennen. So sind die Reflexzonen des Menschen ein Abbild des gesamten Körpers. Sowohl im Fuß als auch in der Hand oder dem Ohr kann man den gesamten menschlichen Körper energetisch wiederfinden und auch behandeln. Auch die Irisdiagnose geht davon aus, dass sich im Auge der gesamte Mensch abbildet. Ich selbst habe zahlreiche Erfahrungen mit Akupressur machen können und bin inzwischen überzeugt, dass es sich beim Menschen um ein selbstreferentielles System handelt. Alles ist in allem widergespiegelt – ein typisches Anzeichen von selbstreferentiellen Strukturen, also Fraktalen.

Fraktale Antennen

Was bedeutet es aber nun, wenn offenbar alle Lebewesen – einschließlich des Menschen – fraktal organisiert sind? Um das beantworten zu können, muss man noch einen Schritt weiter gehen. Denn fraktale Strukturen sind offenbar gleichzeitig auch ideale Antennen. Die Finalisten des Europäischen Erfinderpreises 2014, die Spanier Carles Puente, Carmen Borja, Jaume Anguera, Jordi Soler Castany und Edouard Rozan, fanden das bereits 1995 heraus und entwickelten damals die erste Fraktalantenne für mobile Kommunikation.

Auf der Web site des europäischen Patentamtes steht dazu (https://www.epo.org/learningevents/ european-inventor/finalists/2014/ puente_de.html): „Der Name – und das leistungsstarke Sendepotenzial – der Antenne leiten sich von geometrischen Eigenschaften ab: Fraktale sind Muster, die aus mehreren kleinen Kopien ihrer selbst bestehen, wodurch lange Antennen in das kleine Gehäuse von Mobilgeräten „gewickelt“ werden können. Konventionelle Antennen wie UKW-Radioantennen müssen eine gewisse Länge aufweisen, um Signale mit voller Kapazität senden und empfangen zu können (rund 1,5 Meter für eine Standard- Rundfunkantenne). Dank der sich wiederholenden Struktur der Fraktale kann die Länge der Fraktalantenne dagegen in einem kleinen Raum angeordnet werden. Ferner können mehrere Antennen miteinander verbunden werden, um Signale in verschiedenen Frequenzbereichen wie Wi-Fi, GPS und Bluetooth empfangen zu können.

Puente Baliardas Erfindung war Wegbereiter für die Revolution des überall verfügbaren Internets auf hoch kompakten Mobilgeräten. Die Bedeutung der Fraktalantenne zeigt sich, wenn man die Größe und Kapazität eines zwanzig Jahre alten Mobiltelefons mit einem heutigen Gerät vergleicht. Frühe Mobiltelefone benötigten mindestens 15 Zentimeter lange Antennen, während Größe und Leistung von Geräten mit Fraktalantenne nicht mehr durch räumliche Einschränkungen begrenzt sind.“ Weil Fraktale also so gute Antennen sind, werden sie heutzutage in allen modernen Mobiltelefonen eingesetzt. Antennen sind aber nichts anderes als ideale Resonanzkörper, denn ihre Aufgabe besteht ja gerade darin, die elektromagnetischen Wellen im Raum einzufangen.

Das tun sie dadurch, dass ihre Struktur auf die zu empfangende Wellenlänge möglichst genau abgestimmt ist – sie in Resonanz mit der Welle schwingen. Fraktale Strukturen sind nun durch ihre vielfach ineinander verschlungene Struktur ideale Resonanzkörper für eine ganze Reihe von Wellen – längen; das macht sie so praktisch für die Ver – wendung in Mobilgeräten, die heutzutage auf einer ganze Reihe von verschiedenen Frequenz – bändern empfangen und senden müssen. Schaut man sich daraufhin den Menschen noch einmal genauer an, so entdeckt man ein fraktales „Wurzelwerk“ in seinen Blutgefäßen – besonders gut kann man das bei den aus – gestellten Präparaten der Körperwelten-Ausstellung Gunther von Hagens erkennen.

Wie schon Fritz-Albert Popp im letzten Jahrhundert formulierte, sind Lebewesen – biophysikalisch betrachtet – wahrscheinlich ideale Resonanzkörper, die sich im Laufe der Evolution im elektromagnetischen Feld zu immer größeren und komplexeren Einheiten zusammengeschlossen haben. Popp sah Lebewesen als eine Organisationsform, der es gelungen ist, mittels ultraschwacher UV-Strahlung einen hochorganisierten Komplex zu bilden, der sehr flexibel auf äußere Umweltbedingungen reagieren kann (Popp 1984). Mitfühlen wäre dann als elektromagnetisches Resonanzphänomen – über ultraschwache kohärente Biophotonen, wie Popp sie nennt – zu erklären. Also eine Art Laser-Kommunikation im Radiowellen-Bereich. Ich möchte hiermit die These aufstellen, dass uns unsere fraktale Struktur zu idealen Resonanzkörpern macht und dass wir dadurch zu mitfühlenden Wesen werden, wie wahrscheinlich auch alle Tiere und Pflanzen.

Weil wir sehr ähnliche Strukturen zu unseren Mitmenschen und im Grunde auch zu zahlreichen Säugetieren haben, können wir deren Gefühle – sofern diese Fähigkeit durch Traumata und andere Konditionierungen nicht beeinträchtigt ist – besonders gut mitempfinden. Dieser Ansatz, dass wir alle immerzu in einem elektromagnetischen Resonanzfeld miteinander verbunden sind, würde vor allem erklären, warum es Phänomene wie „Ausstrahlung“ von Personen gibt, warum Menschen einem „Energie saugen“ können oder warum man sich zu bestimmten Menschen „wie magnetisch“ angezogen fühlt. Es wäre aus diesem Blickwinkel vielleicht auch ein Ansatz, den „Eros“ – Liebe und Begehren als energetisches Phänomen – wieder in die Wissenschaft einzuführen. Die fraktale Antennenstruktur im Gefäßsystem des Menschen. Jedes Wurzelsystem, bei dem sich größere zu immer feineren und dabei selbstähnlichen Mustern verzweigen, ist eine fraktale Struktur.

Die Musik des Lebens

Lebewesen sind offene Systeme, die ständig mit Energie gefüttert werden müssen. Wir als Menschen tun das über die Nahrung. Letztlich erhalten wir die Energie aus den Photonen, die in der Nahrung gespeichert sind, eben gespeichertes Sonnenlicht. Was wir also essen, ist ein „Konzert“ der verschiedensten Lichtfarben, eine Energie, die dann auf die verschiedenen Organe und Organellen im Körper verteilt wird. Der Vorgang ist ähnlich wie bei einer Geigensaite, bei der die Energie durch den Bogen an nur einer Stelle zugeführt wird, sich aber über die gesamte Saite in einer harmonischen Resonanz ausbreitet (s. Nicolis, Prigogine 1977). Wenn wir jetzt wieder zurück zu den Fraktalantennen im Körper kommen, dann liegt es nahe zu vermuten, dass unsere Antennenstrukturen ständig angeregt sind – und zwar in den verschiedensten Frequenzen, von der UVStrahlung im Nanometer- bis zu den Zentimeterwellen im Radiowellen-Bereich. Vielleicht ist es genau das, was wir als Fühlen bezeichnen: Das Konzert der Anregungszustände unserer fraktalen Strukturen. Mitfühlen ist dann das Mitschwingen im Konzert der Anregungszustände der anderen. Fühlen ist das Wahrnehmen der Symphonie des Lebens.

Dieser Artikel ist eine überarbeitete Version eines ersten Artikels auf Telepolis:
https://www.heise.de/tp/features/Fuehlen-ist-die-Musik-des-Lebens-3804106.html

Einladung zu Vortrag und Diskussion in der Reihe „Selbstorganisation in Natur und Gesellschaft“:
Alles fühlt mit mit Hans Boës am Freitag, den 27. April 2018 um 19.30 Uhr im Ableger des Prinzessinnengartens Oranienstr. 45, Berlin-Kreuzberg

 

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