Die Agrogentechnik ist weltweit auf dem Vormarsch: Auch der neue Landwirtschaftsminister Horst Seehofer will die Grüne Gentechnik fördern und die bevorzugte Behandlung der Biolandwirtschaft beenden. Ist dies das Ende der Wahlfreiheit für die Bürger? Ist dies das Ende für die Biolandwirtschaft?

Schon heute sind in vielen Produkten, die im Supermarkt verkauft werden, Zusatzstoffe verarbeitet, die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroben hergestellt werden. Viele Vitaminzusätze, Aromen und Geschmacksverstärker sowie Enzyme bei der Käse- und Brotherstellung werden inzwischen mit Gentechnik produziert, sind aber selbst nicht genverändert und somit nicht kennzeichnungspflichtig. Ebenfalls nicht gekennzeichnet sind tierische Produkte, auch wenn diese von Tieren stammen, die mit gentechnisch veränderten Futterpflanzen gefüttert wurden. Diese Kennzeichnungslücken werden von Greenpeace und Foodwatch seit Jahren scharf angeprangert. Noch gibt es wenige direkt genveränderte Nahrungsmittel in europäischen Supermärkten, jedoch setzt die mächtige Agroindustrie vor allem aus Übersee alle Hebel in Bewegung, um ihre Produkte salonfähig zu machen.

Die grüne Gentechnik hält meist nicht, was sie verspricht

Pflanzen wurden mit dem Ziel einer Reduzierung der Spritzmitteleinsätze manipuliert. Inzwischen aber belegen mehrere Studien, dass es sogar zu einer Zunahme der Pestizidbelastung in Gentechkulturen im Vergleich zu herkömmlichen Anbauformen gekommen ist. Verschiedene US-Experten liefern sich seit Jahren einen leidenschaftlichen Schlagabtausch über die Vor- und Nachteile der Grünen Gentechnik. Auf der einen Seite stehen da z. B. Leonard Gianessi und Janet Carpenter vom „National Center for Food and Agricultural Policy“, einer privaten Forschungsorganisation in Washington, die von den US-Behörden und der Industrie unterstützt wird. Auf der anderen Seite hat sich der Agrarwissenschaftler Charles Benbrook hervorgetan, der Umwelt- und Verbraucherverbände berät. Das Kuriose: Während sich die Kontrahenten teilweise auf dieselben Ausgangsdaten beziehen, kommen sie zu gegensätzlichen Ergebnissen. So hatten Gianessi und Carpenter aus einer im Juni 2002 veröffentlichten Untersuchung den Schluss gezogen, dass der Einsatz verschiedener Gentech-Pflanzen in den USA die Ernteerträge erhöht, die Gewinne der Farmer steigert und den Verbrauch von Spritzmitteln senkt. Benbrook argumentiert dagegen, dass beispielsweise der Anbau von Gentech-Soja den Einsatz von Unkrautgiften sogar deutlich gesteigert hat. Zudem würden US-Farmer mit veränderter Maissaat – die teurer ist als gewöhnliche Saat – unterm Strich mehr Verlust als Gewinn machen. (Quelle: aid Infodienst Special – Die Grüne Gentechnik)

Wer nun letztendlich wirklich Recht hat, ist nur schwer zu beweisen, klar ist indes nur, dass Forscher, die von der Gentech-Industrie bezahlt werden, wohl kaum negativ beurteilen werden.

Welthunger ist ein Verteilungsproblem

Die Gentech-Firmen argumentieren zunehmend mit der möglichen Bekämpfung des Welthungers durch neue Pflanzenkreationen, dabei könnten sich viele arme Länder die Lizenzgebühren für Gensaatgut gar nicht leisten. Sie wollen salz- und trockenheitstolerante Pflanzen schaffen, dabei gibt es bereits viele von Natur aus tolerante und lokal bestens angepasste Nutzpflanzen. Sie wollen durch mit Vitamin A angereichertem Reis die hohe Erblindungsrate in Entwicklungsländern bekämpfen, verschweigen aber, dass ohne Fett eine Vitaminresorption kaum möglich ist.

Internationale Experten kamen bei einer Konferenz im März 2004 der Welternährungsorganisation FAO zu dem Schluss, dass die Grüne Gentechnik in asiatischen und pazifischen Staaten bis dato praktisch nicht zur Verringerung des Hungers beigetragen habe. Der Welthunger sei sowieso meist kein Anbau-, sondern ein Verteilungsproblem. Oft stehen den Ländern genug Lebensmittel zur Verfügung, allein fehlt vielen Menschen das nötige „Kleingeld“ (Auszüge aus aid Infodienst Spezial – Die Grüne Gentechnik). Doch nicht nur ein schwer zu belegender Nutzen der neuen Technik, sondern vor allem selbst von manchen Gentechnikern anerkannte Risiken sollten uns aufhorchen lassen.

Gefahr: Antibiotika-Resistenz der Genpflanzen

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Die größte Gefahr stellen mögliche Resistenzbildungen und eine Anreicherung von Toxinen im Naturkreislauf dar. Ein Großteil der heute angebauten Genpflanzen wie Mais und Baumwolle werden durch den Einbau eines BT-Gift produzierenden Gens dazu angeregt, selbst das Toxin zu bilden. Das Bacillus thuringiensis (BT) ist eines der wenigen im Bioanbau zugelassenen Mittel und wäre dann aber wirkungslos gegen den neuen Schädling. Schadinsekten nehmen bei jeder Mahlzeit an der Pflanze das Gift mit auf und gehen schließlich ein. Durch den weltweit massenhaften Anbau solcher Pflanzen ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich resistente Stämme der Schadinsekten bilden.

Ein großes Gesundheitsproblem für die Menschheit stellt die Antibiotika-Resistenz der Genpflanzen dar. Die Gefahr einer Übertragung der Resistenz auf Mikroorganismen sei groß. Dadurch könnten sich neue resistente Keime bilden. So schreiben Andrew Kimbrell und Joseph Mendelson III im Buch „Gefahr Gentechnik“ von Manfred Grössler: „Aus diesem Grund hat die British Medical Association nach einer Studie über GV-Nahrungsmittel einen eindeutigen Beschluss gefasst: Die Verwendung von Antibiotika-resistenten Marker-Genen in GV-Nahrungsmitteln sollte verboten werden, da das Risiko für die menschliche Gesundheit durch eine in Mikroorganismen entwickelte Antibiotika-Resistenz als eine der größten allgemeinen Gefahren für die Gesundheit im 21. Jahrhundert angesehen werden muss.“

Gefahr für die (Tier-) Gesundheit

Bisher wurde behauptet, das Toxin der BT-Genpflanzen werde nach der Ernte abgebaut. Langzeitfütterungsversuche gibt es daher keine. Der Fall „Glöckner“ aber brachte ein anderes Ergebnis: Der Landwirt aus Hessen war einer der ersten in Deutschland, der den BT-176-Mais angebaut und über mehrere Jahre an seine Kühe verfüttert hat. Begonnen hatte er im Jahr 1997 mit einem halben Hektar Genmais, im Jahr 2000 baute er auf 10 Hektar ausschließlich Genmais (Silage und Körnermais) an. Bis dahin zeigten seine Kühe keinerlei Auffälligkeiten, doch dann nahm das Unheil seinen Lauf: Die Tiere wurden zunehmend krank, auch der Tierarzt stand vor einem Rätsel. Zwischen Mai und August 2001 starben die ersten fünf der insgesamt 70 Tiere. Drei Jahre später musste Glöckner seinen Milchviehbetrieb aufgeben, nachdem die Kühe nicht mehr gesunden wollten. Durch eigens eingeleitete Untersuchungen und Futterproben fand er die seiner Meinung nach eigentliche Ursache: Das BT-Gift fand sich im Futter, im Verdauungstrakt, im Blut und endlich auch im Darm der Tiere. Über den Dung gelangte es in den Betriebskreislauf und reicherte sich so sehr an, dass schließlich die Tiere erkrankten.

Risiko für Umwelt und Bioanbau

GV-Pflanzen bergen ein riesiges Umweltrisiko in sich. Einmal freigesetzt, gibt es kein Zurück mehr. Sie können sich völlig unkontrolliert in der Umwelt ausbreiten, mit gravierenden Folgen für natürliche Lebensräume und das ökologische Gleichgewicht. Der Wissenschaftler Charles Benbrook argumentiert: Durch herbizidresistente Nutzpflanzen können neue Superunkräuter entstehen, wenn sich die Resistenz der Ackerpflanze auf verwandte Wildpflanzen überträgt. Dann werden wiederum mehr Spritzungen mit neuen Mitteln notwendig.

Schon heute ist es in Kanada nicht mehr möglich, Bioraps zu produzieren, weil inzwischen fast das gesamte Land mit Genraps verseucht ist. Die Pollen und sogar die Rapssamen werden vom Wind in alle Richtungen verbreitet. Schutzpflanzungen zwischen Gen-Äckern und Biokulturen sollen in Zukunft die Pollen bremsen. Dabei werden die Bienen leider außer Acht gelassen: Sie haben einen Flugradius von bis zu sechs Kilometern. In diesem Bereich können sie Pollen von Pflanze zu Pflanze tragen. Sie bestäuben dadurch z. B. konventionellen- oder auch Bio-Raps mit GV-Pollen. Sollten GV-Pflanzen großflächig auch bei uns angebaut werden, würde dies sehr schnell das Ende der traditionellen, gentechnikfreien Landwirtschaft bedeuten. Aber auch auf die Bienen selber lauert eine Gefahr, wie Herrmann Elsasser, ein Berufsimker aus Fladnitz in Österreich, anschaulich erklärt: „Die Honigbiene sammelt Pollen und lagert diesen in den Waben. Wird z. B. BT-Maispollen eingelagert und im Frühjahr an die Larven verfüttert, entwickeln sich diese langsamer (BT wirkt als Wachstumshemmer). Die Larven sind dadurch noch anfälliger für den an sich schon sehr problematischen Befall durch die Varoa-Milbe. Auch die Bienenkönigin bekommt aus den Pollen umgewandelten Futterdrüsensaft zu fressen. Dadurch legt sie weniger Eier als normal, das Volksgefüge gerät aus den Bahnen. Die Bienen sterben zeitverzögert und schleichend.

 

Schwierige Kontrolle

Gen Mais

Immer wieder versucht die Gentech-Industrie, negative Ergebnisse von kurzen Fütterungsversuchen zu verheimlichen. Greenpeace hat Monsanto gerichtlich zur Veröffentlichung der Studie über den MON-863-Mais gezwungen. Die Studie belegte schwere gesundheitliche Schäden unter anderem Veränderungen im Blutbild und Nierenschäden an den Versuchstieren. Trotzdem wurde der Mais von der EFSA (EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit) und dem Robert-Koch-Institut als Futtermittel zugelassen.

Inwischen werden 95 Prozent der Forschungsarbeiten von Wissenschaftlern durchgeführt, die bei Gentech Konzernen beschäftig sind oder mit ihnen in Verbindung stehen. (Wess` Brot ich ess, dess` Lied ich sing…) Die zwei deutschen Vertreter bei der EFSA, Hans-Jörg Buhk und Detlef Bartsch hatten in schriftlichen Befragungen der Behörde angegeben, neutral zu sein und keinerlei Interessen zu vertreten. Im Jahre 2002 traten die beiden in einem Werbefilm für Genmais auf. Das ARD Magazin Report Mainz deckte auf, dass Buhk auch im Jahre 2004 noch Verbindungen zur Genindustrie hatte: Er war an der Organisation der Biotechgroßkonferenz ABIC der Deutschen Gentechnikfirma Phytowelt beteiligt.

Über 70 Prozent der Bevölkerung wollen kein „Genfood“. Dies dürfen die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft nicht einfach ignorieren. Wir Verbraucher müssen uns wehren, damit die schleichende Einführung der Agrogentechnik uns nicht bald vor vollendete Tatsachen stellt: Dann nämlich, wenn es kein Zurück mehr gibt.


Fotos: www.saveourseeds.org, Save Our Seeds ist eine Kampagne der Zukunftsstiftung Landwirtschaft

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