Es war wieder einer dieser beschämenden Höhepunkte um Deutschlands Ansehen in der Welt, die Unfähigkeit, Verantwortung für eine kritische Position zu Glyphosat einzunehmen. Allen Warnungen bezüglich der Langzeitfolgen für die Gesundheit von Mensch und Tier zum Trotz  stimmte der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Christian Schmidt, CSU, im November 2017 einer Verlängerung der EU-weiten Zulassung des Totalherbizids Glyphosat um fünf Jahre zu. Angeblich im Alleingang. Ein Affront gegen die Umweltministerin Barbara Hendricks, SPD, mit der eine Enthaltung abgesprochen war. Andere wollen erkannt haben, dass dieser Regelverstoß Christian Schmidts über Monate im Landwirtschaftsministerium systematisch vorbereitet wurde. Wie tief beugt sich das BfR, wenn Glyphosat-Produzenten und Lobbyisten alles daran setzen, eine Verlängerung der Zulassung für das weltweit umstrittenste und am weitesten verbreitete Unkrautvernichtungsmittel durchzusetzen? 

 

Angela Merkels Rede auf dem deutschen Bauerntag im Juni 2017 lässt den Schluss zu, dass Schmidts Entscheidung mit der Bundeskanzlerin und auch mit Horst Seehofer, CSU, abgestimmt war. Die Rede enthielt ein klares Bekenntnis zu Glyphosat: „Was wird mit Glyphosat? Da will ich Ihnen nur nochmals die Unionsposition nennen. Die Kommission hat ja jetzt eine Verlängerung vorgenommen. Ich weiß, dass diese Verlängerung nicht ewig ist. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Sie diesen Stoff da, wo es notwendig ist, auch weiterhin anwenden können. Ich will das hier noch einmal ausdrücklich sagen.“

Ging es um die Stimmen der 300.000 im Bauernverband organisierten Landwirte? Oder auch um die Interessen der in der FNL – Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft zusammengeschlossenen Agrarindustrie wie z.B. BASF AG, BayerCrop Science, Dow Agroscience, Monsanto, Syngenta, deren Präsident zugleich der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Ruckwied, ist? 

„Glyphosat sollte in der EU weiterhin zugelassen werden“, sagte BASF-Chef Kurt Bock auf einer Konferenz. Es sei ein Skandal, dass sich die Bundesregierung bei dem Votum in Brüssel enthalten wolle. „Deutschland sollte sich seiner Verantwortung vielleicht mal stellen“, forderte Bock. Welche Verantwortung meint Herr Bock? Die gegenüber der Bevölkerung, oder die gegenüber den Herstellern, die Klage für den Fall angedroht hatten, falls der Verkauf und der Einsatz des Totalherbizids nicht erneut genehmigt worden wären? Der Glyphosat-Alleingang von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt war offenbar monatelang geplant. Das geht aus internen Unterlagen hervor, die WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung einsehen konnten. Demnach habe das zuständige Referat für Pflanzenschutz bereits am 7. Juli Schmidt empfohlen, zu prüfen, ob eine Zustimmung des Landwirtschaftsministeriums „eigenverantwortlich“ möglich sei – also ohne Absprache mit dem SPD-geführten Umweltministerium. Laut Angela Merkel habe Schmidt durch seine EU-weit wirksame Fehlhandlung lediglich gegen die Geschäftsordnung der Bundesregierung verstoßen. Ein Blick in das Grundgesetz zeigt, dass dies nur die halbe Wahrheit ist.

Art. 65 Grundgesetz

1) Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. 

2) Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung. 

3) Über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung. 

4) Der Bundeskanzler leitet ihre Geschäfte nach einer von der Bundesregierung beschlossenen und vom Bundespräsidenten genehmigten Geschäftsordnung.

Nach Absatz 3 des Art. 65 GG hat unser Grundgesetz Herrn Schmidt nicht dazu ermächtigt, eine EU-wirksame Entscheidung für die Bundesrepublik Deutschland zu treffen. Er hat sich selbst dazu ermächtigt und somit vorsätzlich einen „Verfassungsbruch“ begangen und die Bundeskanzlerin deckt dies.

Es geht um 180 Mrd. Dollar im Glyphosat Business

Kein Wunder löste die Risikobewertung des IARC in Folge eine wahre Schlammschlacht zwischen Befürwortern und Gegnern aus. Für die Hersteller geht es dabei nur am Rande um dieses Gift, das weltweit jährlich zehn Milliarden Dollar an Einnahmen erbringt. Viel wichtiger ist der Verkauf genmanipulierten Hybridsaatguts, vor allem Soja, Mais und Weizen, das resistent gegen Glyphosat ist. Hier wird das wirklich große Geld gemacht und endlose Abhängigkeit geschaffen. Auf 180 Mrd. Dollar wird der jährliche Umsatz taxiert. Glyphosat und seine Anwendungsprodukte wie RoundUp sind da nur das Mittel zum Zweck! 

Warum die 24 europäischen Hersteller der sogenannten „Glyphosate Task Force“ unter Führung von Monsanto Europe S.A. ihren gemeinsamen Verlängerungsantrag für den Herbizidwirkstoff Glyphosat beim berichterstattenden Mitgliedsstaat Deutschland eingereicht haben, dürfte  klar auf der Hand liegen. Bayer und BASF sind die größten Agrarchemiekonzerne Deutschlands, die über ihr Netzwerk in die Politik ein gewichtiges Wort bei der Zulassung mitzureden haben. Bayer ist zudem gerade im Begriff, Monsanto für 66 Mrd. Euro zu übernehmen.

Dem deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) fällt dabei eine Schlüsselstellung im europäischen Zulassungsverfahren zu, gerade auch, weil die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sich auf den Bewertungsbericht des BfR stützt und diesen unkritisch übernommen hat. Die Aufgabe des BfR ist es festzustellen, ob Glyphosat ein Risiko darstellt oder weiter eingesetzt werden darf. Nach Durchsicht von über 1000 Studien, die meisten davon von den Herstellern selbst geschrieben, kommt das BfR zu dem Schluss, dass kein Risiko hinsichtlich einer Krebgefahr besteht. 

Aufgrund dessen, dass mehr als 3.500 Menschen in den USA Monsanto für ihre Krebsleiden verantwortlich machen und das Unternehmen verklagt haben, verfügte ein Gericht in San Francisco, dass der US-Konzern seine interne Korrespondenz öffentlich machen muss.  Aus den so genannten „Monsanto-Papers“ geht nun hervor, dass Monsanto Glyphosat-Studien selbst verfasste und Wissenschaftler lediglich unterschreiben ließ. Die Glaubwürdigkeit einiger Studien, die in der BfR- und der EU-Bewertung zur Sicherheit von Glyphosat verwendet wurden, dürfte damit hinfällig sein.

Im Tagesspiegel-Interview vom 1.12.2017 gibt Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung BfR, zum Besten: „Glyphosat ist nicht krebserregend. In der Wissenschaft ist die Frage abschließend geklärt… Aber wir können doch nicht einen Stoff für gesundheitlich problematisch erklären, der in Wirklichkeit unbedenklich ist, nur weil das bestimmten politischen Kreisen nicht in den Kram passt… Wir urteilen gnadenlos, nicht nur bei Glyphosat.“

Im September 2015 fand eine Anhörung vor dem Agrarausschuss des Bundestages statt, an der auch derselbe Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des BfR anwesend war. Prof. Christopher Portier, Berater der WHO und zuvor Direktor des US-Instituts für Umweltgesundheit, urteilt über das BfR: „das BfR hat keine der epidemiologischen Studien berücksichtigt und Erbgutschäden außer acht gelassen. Das Bewertungsverfahren für Krebs hätte komplett anders sein müssen. Es war keine Risikoanalyse zu Krebs.“ 

Prof. Dr. Eberhard Greiser bezeichnet in der Anhörung die Arbeit des BfR als „vorsätzliche Fälschung von Studieninhalten“ und als „unverantwortliche Gefährdung der deutschen Bevölkerung“.

Prof. Ivan Rusyn, wissenschaftlicher Berater der WHO: „Das BfR ignorierte sämtliche positiven Tierversuche. Das BfR wertet Studie für Studie ab, weil die Dosis irrelevant für den Menschen sei. Das ist das erste Mal, dass eine Risikobewertungsbehörde so etwas macht.“ 

Fazit der Anhörung: Ausschließlich nicht offengelegte Studien der Hersteller werden zur Bewertung herangezogen, die nie unabhängig geprüft wurden. Die Bewertungen der BfR hinsichtlich der Krebsgefahr werden durch schwere wissenschaftliche Mängel beeinträchtigt und letztlich entwertet. 

Ein Beispiel: Nachdem die Krebsforschungsagentur IARC in denselben vier Hersteller-Studien (je zwei Krebsstudien mit Ratten und Mäusen) “ausreichende Beweise für eine krebserregende Wirkung“ von Glyphosat fand, in denen zuvor das BfR “keine Hinweise für eine Krebswirkung“ erkennen konnte, erhielt die BfR den Auftrag, die Bewertungen der IARC zu evaluieren. In der Folge musste das BfR die von der IARC festgestellten statistisch signifkanten Tumorbefunde in allen vier Studien bestätigen. Auch in den übrigen drei Mausstudien der Hersteller musste die Behörde statistisch signifikante und dosisabhängige Zunahmen von Tumoren zugeben, die sie vorher anscheinend “übersehen“ hatte. Als Erklärung für diese kolossale Fehlleistung räumte die Behörde ein, sie habe “ursprünglich auf die mit den Studien der Hersteller mitgelieferten statistischen Auswertungen vertraut“. Besondere Brisanz erhält dieses Versagen der deutschen Behörde durch den Umstand, dass der gefahrenbasierte Ansatz in der EU-Pestizidverordnung die Zulassung eines Wirkstoffes untersagt, sobald positive Krebsbefunde in mindestens zwei Tierstudien vorliegen. Stoffe mit besonders gefährlichen Eigenschaften, insbesondere Wirkstoffe, von denen bekannt ist oder vermutet wird, dass sie karzinogen (krebserregend), mutagen (erbgutschädigend) oder reproduktionstoxisch (fortpflanzungsschädigend) sind, sind von einer Zulassung ausgeschlossen.

Die Süddeutsche Zeitung berichtete schon 2012, dass nach Untersuchungen der Organisation testbiotech die BfR von der Gentechnik-Lobby unterwandert wurde. Experten in der BfR-Kommission für gentechnisch veränderte Lebensmittel und auch hochrangige Angestellte der Behörde stehen demnach in enger Verbindung zur Agroindustrie, zu industrienahen Verbänden und wissenschaftlichen Zirkeln, die den Einsatz von Gentechnik befürworten. Mitarbeiterbewertungen im Internet zeichnen zusätzlich ein verheerendes Bild des BfR als Arbeitgeber.

Die Frage nach all diesen Betrügereien ist: Wer hat den Mut und den politischen Willen – angesicht der vielfältigen, vernichtenden Kritik – das BfR in seiner jetzigen Struktur aufzulösen und neu zu gründen?

Strafanzeige gegen das BfR

Ein Bündnis von Umweltorganisationen, bestehend aus GLOBAL 2000, dem Pesticide Action Network (PAN) Europe, PAN Germany, PAN Italia und Generations Futures, hat am 4. Dezember 2017 in Österreich, Deutschland, Italien, Frankreich und Portugal Strafanzeige gegen die verantwortlichen Vertreter des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) in Berlin und gegen die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit European Food Safety Authority (EFSA) in Parma, Italien gestellt. Der Vorwurf: Das BfR sowie die EFSA seien verpflichtet, die Bewertung bei der Verlängerung der Zulassung des Pestizidwirkstoffes Glyphosat unabhängig, objektiv und transparent nach wissenschaftlichen Grundsätzen zu erstellen. Dies sei aber nicht geschehen. Wesentliche Teile des Bewertungsberichtes seien wortwörtlich aus dem Antrag der Hersteller über die Verlängerung der Genehmigung von Glyphosat entnommen worden, ohne die Autoren zu nennen und ohne dass eine eigene Bewertung durchgeführt wurde. 

 

 

Sei dabei: „Wir haben Agrarindustrie satt!“-Demo | Sa., 20. Januar 2018, 11 Uhr, Hauptbahnhof Berlin (Washingtonplatz)

Nicht vergessen:
Kochtopf und Ohrstöpsel mitbringen!

 

Demnächst hier: Glyphosat – Der Sumpf – Teil 2 mit folgenden Themen:

– Prof. Dr. Gilles-Eric Séralinis Fütterungsstudie an Ratten beweist – RoundUp ist krebserregend!

– Glyphosat – Das Anwendungsprodukt RoundUp ist eine Gefahr für die Ackerböden.

– Glyphosat, Gibt es einen Zusammenhang zwischen RoundUp und dem Klimawandel?

– Die Bayer AG übernimmt Monsanto. Eine Entscheidung des Vorstands, oder welche Rolle spielt künstliche Intelligenz bei den institutionellen Investoren?

 

Filmempfehlungen auf YouTube: 

Gift im Acker – Glyphosat, die unterschätzte Gefahr

Chronisch vergiftet- Monsanto und Glyphosat (Arte)

Monsanto-Tribunal – Roundup, der Prozess (Arte)

Glyphosat: die Wissenschaft des feinen Herrn Schmidt

Tödliche Agrar Kultur – wie Monsanto die Welt vergiftet

 

 

 

 

3 Responses

  1. Tanja L.
    Ursachenforschung

    Die Ursache des ganzen wird meines Erachtens immer außen vor gelassen: der Verbraucher und seine Macht. Wenn überwiegend Bio gekauft wird, wird auch überwiegend Bio produziert. Die ganze Verantwortung immer auf die „bösen“ Großkonzerne abzuwälzen ist zu kurz gedacht.

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  2. Matthias R.
    Alles aus einer Hand...

    Lieber Aman! Wenn du die Umsätze der Krebs(medikamanten)industrie mit in die Kalkulation aufnimmst, geht es sicher noch um vielmehr als die 180 Mrd. im Jahr. Wenn Bayer jetzt Monsato kauft haben wir alles aus einer Hand, den Hersteller des Giftes (Glyphosat) den Verteiler (GenGetreide) und die teuren Medikamente. Vielleicht ist das aber alles auch gewollt und ein Mittel zur Regulierung der Bevölkerungszahl, sonst werden wir einfach zu alt.

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    • Aman
      Entscheidet künstliche Intelligenz über Risiken und über unsere Arbeitsplätze?

      Die wenigen wirklich großen institutionellen Investoren, die gigantische Finanzmittel in Billionenhöhe auf sich konzentrieren, z.B. die Milliarden der Pensionsfonds kalifornischer Lehrer, New Yorker Feuerwehrmänner, oder deutscher Stiftungen u.s.w., nutzen künstliche Intelligenz (KI) die sich permanent und mittlerweile selbstständig und intransparent weiterentwickelt. Diese KI führt weltweit Risikobewertungen bei nahezu allen Unternehmen durch, die an den Börsen gelistet sind und trifft Anlageentscheidungen. Diese daraus resultierenden breit gestreuten Firmenbeteiligungen werden genutzt, um Druck auf die Firmenvorstände auszuüben, Firmen zu erwerben, Risiken zu verschieben, unprofitable Unternehmensbereiche abzuspalten, zu konzentrieren, oder zu schließen. Künstliche Intelligenz entscheidet heute über Profit, Risikomanagement und schlußendlich über Arbeitsplätze. Hat sich das „System“ verselbstständigt?
      Die sichtbaren Vertreter dieser KI sind z.B. http://www.hansonrobotics.com/robot/sophia/

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