Wer wir wirklich sind, hat nichts mit den Vorstellungen über uns selbst zu tun. Sind wir im Kontakt mit dieser Wirklichkeit, ordnet sich alles – im Sinne von Resonanz – auf natürliche Weise: Ein Wille taucht auf, der nicht immer wieder an sich selbst scheitert. Eine Kraft, die nicht nur von ihrem Einsatz träumt. Damit wird das Leben zu einer direkten Erfahrung, die nicht mehr unentwegt mental überlagert wird. Dieses Leben ist das Leben, um das es geht. Seine geheimnisvolle Schönheit entfaltet sich von allein, wenn wir nicht mehr auf die Idee kommen, uns selbst zu boykottieren.

Von Nicole Paskow und Daniel Herbst

Das Schöne am Sich-Gedanken-Machen ist, dass es zu nichts führt! Ich muss nichts tun, es hat keine Konsequenzen. Alles bleibt beim Alten. Ich denke mir einfach, was ich „will“ und träume von mir in einer anderen Form – und von einer anderen Welt. Das Ergebnis: Es ändert sich nichts in meinem Leben. Und: Die Instanz, die sich das alles erdenkt, beherrscht mich weiterhin. In mir scheint es einen autonomen Denkautomat zu geben, der mich unentwegt mit Gedanken überschwemmt, dadurch beherrscht und meine emotionalen Reaktionen auf mich und die Welt auslöst. Um in dieser gottgleichen Position bleiben zu können, muss er mich nur immer wieder mit Zweifeln und Ängsten konfrontieren.

Doch wenn ich erst einmal auf dieses Denkprogramm aufmerksam werde, erkenne ich: Das Denkprogramm ist mein unbewusst angenommenes Glaubensbekenntnis, wie ich und die Welt funktionieren. Es spricht aus mir. Es denkt für mich. Und ich glaube ihm, wenn ich mir selbst gegenüber abwesend bin. Mir selbst gegenüber abwesend sein heißt: Meine Träume, Hoffnungen und Vorstellungen versprechen mir ein anderes Ich und eine andere, bessere Welt. Und dafür bin ich immer wieder bereit, mich selbst zu übersehen. Ich will doch einfach nur eine kleine Auszeit von mir und meiner anstrengenden Welt. Und träume mich darum immer wieder weg. Weg von mir und der Situation, in der ich mich befinde. Damit degenerieren meine Träume zu Oasen in einer freudlosen Wirklichkeit. Und Gedanken und Vorstellungen werden zu meinen bevorzugten Opiaten. Leider verliert dadurch meine reale Lebenswirklichkeit alle Kraft!

Träume übermalen die Wirklichkeit

Ich brauche meine Träume, um die Welt aushalten zu können, und ich halte die Welt nicht aus, weil ich unentwegt träume! Das ist der unlösbare Widerspruch! Träume übermalen eine Wirklichkeit, der ich mich anderenfalls zuwenden müsste. Wenn ich also wirklich leben will, kann ich nicht weitermachen wie bisher. Oder anders: Wenn ich so weitermache wie bisher, werde ich immer wieder an einer Version von mir hängenbleiben, die nur gedanklich generiert ist. Und damit gehe ich weiterhin an mir vorbei. Die Wahrheit ist: Ich bin ein sich selbst erlebender und bezeugender Lebensprozess und keine fest umrissene Entität. Und ich bin mir allein deshalb weitestgehend unbekannt, weil alle meine Bilder und Überzeugungen aus der Vergangenheit kommen. Dieses rein mentale Ich, das alles besser weiß, hat keine Ahnung davon, wer ich bin. Es weiß nur, wie es sich und die Welt sieht. Dabei weiß es nicht einmal, warum es sich und die Welt so wahrnimmt. Genau genommen nimmt es sich überhaupt nicht wahr. Es lebt einfach auf meine Kosten. Als Ich! Nur deshalb kann das mentale Ich Empfindungen in mir hervorrufen, von denen ich mich beherrscht fühle.

Wir können nur wirklich leben, wenn diese mentale Überlagerung aus unserem Leben verschwindet, wenn wir dem Leben allen Platz in uns einräumen. Das Leben interessiert sich einfach nicht für unsere Theorien über das Leben. Es hat kein Problem mit sich selbst und es hat keine Probleme mit uns. Wir haben Probleme mit dem Leben! „Ich will das nicht! Es sollte anders sein, sich anders zeigen!“ Wer glaubt das? Der Gedankenjunkie. Er stellt seinen Konjunktiv über die Wirklichkeit und spielt damit dem Gefühlsjunkie in die Hände. Zusammen beschweren sie sich immer wieder bitterlich über das Leben. Und du musst dieses Leben dann aushalten. Ein Leben, dass sich gegen das Leben stellt! Das ist ziemlich verrückt – und schmerzhaft!

Ja zum Leben

Wenn diese Trance durchschaut wird, zieht eine Kraft in dich ein, die sich dir schon immer angeboten hat. Diese Kraft ist der Wille, dieses Leben zu leben! Damit wird aus diesem Leben ein Ausdruck des Willens, der vollkommen mit sich übereinstimmt. Und plötzlich vernehmen wir Resonanz! Wir fühlen uns direkt berührt und direkt angesprochen. Weil wir in Resonanz mit dem Leben sind. Wir sind um so vieles leichter und lichter, als wir glauben. Wir sind keine statischen Größen, die sich abgrenzen und ihren Raum verteidigen müssen. Solche Gedanken haben uns ganz klein werden lassen.

Solange wir an ihre Richtigkeit glauben, hält uns das in einer Kleinheit gefangen, die uns – dem Leben! – einfach nicht entspricht. Wem entspricht sie dann? Der Kleinheit der Gedanken über uns und die Welt. Und plötzlich können wir sehen: Ich bin kein Opfer, ich bin eins mit dem Leben. Und dieses Leben ist ein endlos fließender kreativer Prozess, der sich lebend selbst erfährt. Dieses Leben ist das einzig wahre Gebet. Es betet sich selbst an und erlebt sich dadurch in aller Schönheit. Es erkennt sich als das Gewünschte. Und dieses Mal bewusst. Das Leben will sich. Und es will mich. Es will durch mich. Und ich will dieses Leben. Das ist der Tanz. Der Tanz zweier Liebender, die sich als eine Bewegung erkennen. Ein Bogenstrich, der durch den Resonanzkörper zu sich selbst als Klang erwacht, in der Stille, die sich selbst erhört. Das, was auf eine Weise über dich nachdenkt, die dir nicht entspricht, ja nicht entsprechen kann, löst sich in dem auf, was du wirklich bist.

Du bist ein lebendiges Wahrscheinlichkeitsfeld mit einzigartigen, ungeahnten Möglichkeiten, die nur dir und durch dich möglich sind. Individualität ist nichts anderes als die dir gegebene Struktur, durch die sich das verwirklichen kann, was du in Reinform bist: Das direkte Erleben als Lebensprozess, als fließender Strom, frei von Blockaden. Die Unmittelbarkeit dieses Selbsterlebens kann sich erst dann empfangen, wenn du dich durch deine enge, scheinbar wissende Form nicht mehr selbst blockierst. Andernfalls hältst du das, was den Lebensfluss blockiert, aufrecht, weil du weiterhin versuchst, dich vor Schmerz und Kontrollverlust zu schützen. Du machst das, indem du dich und andere belügst, dich ablenkst, von dir wegsiehst und dich immer wieder selbst verlässt. Und wofür? Um weiterhin vom Leben zu träumen, statt es so zu leben, wie es sich dir darstellt. Damit versuchst du weiterhin, einem Lebensmodell gerecht zu werden, das so tief im menschlichen Kollektiv verankert ist, dass wir uns lieber selbst abtöten, als dieses Modell in Frage zu stellen.

Angst vor Gefühlen

Da ist so unendlich viel Angst vor echten, ehrlichen Gefühlen. Eine Angst, die sich als Trugbild enttarnt, wenn du den Mut hast, ihr ins Auge zu sehen. Wenn du dich traust, der Angst entgegenzugehen, wirst du erkennen, dass sich die Schlange vor dir auf dem Boden als Seil entpuppt. Du erkennst es einfach. Dafür musst du nichts tun! In Resonanz mit dem Leben zu sein heißt, dich endlich selbst zu fühlen. Es heißt, dir selbst so offen und wertschätzend zu begegnen, dass sich alle Gefühle, die sich erleben wollen, in dir erleben dürfen – egal, welche es sind.

Der Mut, diese Gefühle zuzulassen, ist es, der den Zensor in dir tötet. Zweifelsfrei zu sein heißt, voll und ganz zu dir und dem zu stehen, was sich in dir ereignet. Dann antwortet dir das Leben, dann kommst du in Übereinstimmung mit dir selbst und erlebst, was es heißt, mit dir „im Reinen“ zu sein. Du beginnst, dich ernst zu nehmen, mit deinen echten Sehnsüchten und Bedürfnissen. Du hörst auf, anderen Menschen ein geschöntes Bild von dir zu vermitteln, nur um ihre Anerkennung zu gewinnen. Du steigst in deiner Achtung, wenn du anfängst, dir selbst zuzuhören, dir selbst den Raum zu geben, den du normalerweise den anderen gibst. Je mehr Raum du anderen auf Kosten deiner selbst gibst, umso weniger Raum bleibt für dich und das, was durch dich fließen will. Halte für möglich, dass du dich überhaupt noch nicht kennst. Denn wenn du dich kennst, breitest du dich in dir aus und lässt das zu, was sich in dir bewegt. In jedem Fall!

Was es dafür braucht, ist die unbedingte Bereitschaft für dich selbst. Und die kommt meist dann, wenn du nichts mehr zu verlieren hast. Wirklich nichts mehr. Dann kannst du aussteigen aus der Massenhypnose, die alle dazu zwingt, sich selbst zu verleugnen, um einer Vorstellung von sich und der Welt zu folgen, die nichts mit dem unmittelbaren Erleben zu tun hat. Diese Massenhypnose folgt einer nicht durchschauten Programmierung, die vor Urzeiten vorgenommen wurde, um Gesellschaften zu bilden und aufrecht zu erhalten, die manipulierbar, lenkbar und benutzbar sind.

Freie durchlässige Form

Mit dir selbst zu fließen, in einem Fluss, in einem Bogenstrich, in einer Bewegung heißt nichts mehr zwischen dich und dein Erleben zu stellen, keine zweifelnden Gedanken, keine Meinung, kein: „Das kenne ich“, kein: „Ich will das nicht“, kein fremdbestimmtes Urteil über dich. Mit dir in Resonanz zu sein ist die höchste Verwirklichung des Lebens. Dann bist du immer noch, wie du dich schon kennst, aber in einer unendlich erweiterten, freien, durchlässigen Form, mit ungeahnten, nicht gewussten Fähigkeiten. In Resonanz mit dir bist du nicht festgelegt, sondern offen, verbunden, lebendig, beweglich, flexibel, stark, unabhängig und frei von allen falschen Selbstzweifeln. Du folgst dir selbst, du folgst dem Leben, das du bist – als du selbst. Das ist das größtmögliche Glück auf Erden. Es führt zur höchstmöglichen Entwicklung deiner Möglichkeiten.

Die Autoren

Nicole Paskow ist Bloggerin (www.radicalnow.de), freischaffende Autorin und Coach. info@radicalnow.de

Daniel Herbst ist laut Nicole Paskow der unspirituellste spirituelle Lehrer Deutschlands…
www.daniel-herbst.de

Seminar mit Daniel Herbst: „Eine radikale Rückführung auf dich selbst“
30. März bis 1. April, 210 €
Ort: Care & Share Berlin
Infos und Anm. über
info@daniel-herbst.de und
auf www.daniel-herbst.de

Literatur:
Nicole Paskow und Daniel Herbst: „Neuland – In Resonanz mit dem Leben“, Noumenon-Verlag

3 Responses

  1. Georg Schipek
    Unspirituelle spirituelle Lehrer - Zeitlose bis Herbstzeitlose

    Der unspirituellste spirituelle Lehrer ist für mich Karl Renz – und der humorvollste. Aber Daniel Herbst kennt Renz ja ohnehin bestens. Und Tony Parsons natürlich nicht zu vergessen!

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  2. Silke B.

    Glückwunsch zu diesem Artikel.
    Rein, pur, auf den Punkt, alles drin, ohne jede Schnörkelei aller Lehren von Spiritualität die alle den Sinn des Selbst-Lebens verschleiern und in der Vorstellung immer noch gefangen sind, aber dabei diese als die Wirklichkeit erkennen.

    Das Beste und Klarste was ich je vernommen habe. Einfach hervorragend.

    Ich möchte dazu noch ergänzen das es um Befreiung geht, und zwar im absoluten Sinn, reine Ich-Individualität, frei von jeder Glaubensrichtung.

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