Angst warnt uns vor einer bedrohlichen Situation. Sie macht uns wachsam, so dass wir in Bruchteilen einer Sekunde die Flucht ergreifen oder uns für den Kampf bereit machen können. Angst schützt uns, lässt uns zu unserem eigenen Wohle handeln – im Normalfall, solange unsere Angstreaktionen hilfreich und somit funktional sind. Aber was, wenn Angst uns einschränkt, unser Leben weniger freudvoll macht und unseren Alltag dominiert? Ist Angst dann noch funktional? Fest steht, dass Betroffene sich wünschen, sich von belastenden Emotionen der Angst zu befreien. Dies kann mithilfe der EMDR-Methode gelingen.

Von Thomas Buhl

Was ist Angst?

Angst ist ein fester Bestandteil unseres Lebens. Sie sichert seit Jahrmillionen das Überleben der Menschheit. Schon damals, als der Mensch als Sammler und Jäger zahlreichen Gefahren ausgesetzt war, hat ihn Angst durch die Flucht vor Wildtieren gerettet, ihm aber auch durch Kampf den Zugang zu Nahrungsmitteln erschlossen. Konkret lässt sich die Angst als ein biologisch angelegtes Reaktionsmuster auf Vermeidung, Bewältigung und Wahrnehmung beschreiben. In unserem Körper löst sie eine Alarmreaktion aus, welche ihn auf Höchstleistungen vorbereitet. Sie steht für die treibende Kraft, welche uns zur Flucht oder zum Kampf anspornt. Entgegen der Ansicht vieler Menschen ist es demnach nicht zutreffend, ausschließlich in negativen Zusammenhängen von Angst zu sprechen. Vielmehr stellt die Angst ein ganz normales Gefühl dar, genauso wie beispielsweise Freude, Trauer oder Wut.

Wie wir Angst empfinden

Das Gefühl der Angst löst in uns eine Kettenreaktion aus. Viele würden dieses Gefühl von „Ich habe Angst“ mit den Worten beschreiben: „meine Kehle ist wie zugeschnürt“, „mir bleibt die Luft weg“, „mein Herz steht still“ oder „meine Brust ist eingeengt“. Nahezu zeitgleich mit diesem Gefühl entwickelt unser Körper Angstsymptome: Die Muskeln sind angespannt, die Atmung wird beschleunigt, der Blutdruck steigt und das Herz schlägt schneller. Auf diese Weise bereitet sich unser Körper auf eine schnelle Reaktion vor, um einer eventuellen Bedrohung rasch zu entkommen. Droht eine Gefahr, kann der Mensch entweder davonlaufen oder sich dieser stellen bzw. kämpfen. Beide Reaktionsmuster aktivieren alle verfügbaren körperlichen Kräfte.

Ängste können viele Gründe haben

Ängste können auf einer Vielzahl von Ursachen beruhen. In unserer heutigen Zeit scheint die Unvorhersagbarkeit von Lebenssituationen der häufigste und wichtigste Auslöser von Angstreaktionen zu sein. Übertriebene Ängste stehen hierbei weniger im Zusammenhang mit technischen Errungenschaften wie Atomkraftwerke oder Nuklearwaffen. Stattdessen sind es häufig scheinbar harmlose Situationen (z.B. in der Bahn mit anderen Menschen stehen, Aufzug fahren etc.) und Dinge (Spritze, Blut, Tiere usw.) die uns das Fürchten lehren. Ängste treten in vielerlei Formen auf. So sind heute aus der Psychologie rund 650 wissenschaftlich anerkannte Angstformen und spezifische Ängste bekannt. Hierunter fallen etwa:

  • Angst vor dem Zahnarzt
  • Angst vor dem Fliegen
  • Angst vor Prüfungen
  • Angst vor engen Räumen
  • Angst vor Schlange
  • Angst vor Spinnen
  • Angst vor großer Höhe
  • Angst vor medizinischen Eingriffen (Spritzen, Infusionen, Operationen)
  • Angst vor dem großen Auftritt oder gar Panik vor dem Erröten.

Rund 15 Prozent der deutschen Bevölkerung leiden unter krankhaften Angststörungen.

Wann stellt Angst eine Krankheit dar?

Statt uns zu schützen und uns vor Gefahren zu warnen, schießen unsere Ängste nicht selten über das Ziel hinaus. Die Frage, inwiefern unsere Ängste noch funktional sind oder sie uns einschränken, ist demnach berechtigt. Viele unserer Ängste nerven uns in erträglichem Maße und wir haben uns mit ihnen arrangiert; sie gehören zum Alltag. Die krankhafte Ausprägung der Angst stellt hingegen eine ungewöhnliche Belastung dar, welche nicht selten in schweren emotionalen und mentalen Blockaden mündet. Und diese wiederum hindern uns daran, unser Leben frei leben und genießen zu können, wie es sich jeder von uns erträumt. Angst ist per se keine Erkrankung sondern vielmehr eine normale körperliche Reaktion. Wird das eigene Leben allerdings extrem von Angstreaktionen begleitet, sollte das Vorliegen einer Angststörung erwogen werden.

Wenn Angst

  • die eigene Handlungsfähigkeit maßgeblich einschränkt
  • den Alltag beherrscht und
  • die eigene Gefühlswelt dauerhaft belastet

muss das Angstempfinden besonders ernst genommen werden. Nach Ansicht der Experten liegt eine krankhafte Angststörung vor, wenn die Angst

  • unangemessen stark in Bezug auf den Auslöser ist
  • ohne Grund auftritt oder
  • auf vernünftiger Basis nicht erklärt werden kann.

Panikattacken sind ein sehr ernstzunehmender Angstzustand

Ängste können sich ferner durch Panikattacken äußern. Diese werden von sehr heftigen körperlichen Symptomen begleitet und können aus heiterem Himmel auftreten. Zu den typischen Beschwerden hierbei gehören:

  • Angst vor Kontrollverlust
  • Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit, Gefühl in Ohnmacht zu fallen
  • Kribbeln der Haut, Taubheitsgefühle, Kribbeln an Fingern, Mund oder Lippen
  • Hitzewallungen, Kälteschauern, Frösteln
  • Enge- oder Beklemmungsgefühl im Hals oder in der Brust, Schluckbeschwerden
  • Atemnot, Kurzatmigkeit, Erstickungsgefühle
  • Mundtrockenheit, Schweißausbrüche
  • Herzrasen, Herzklopfen oder schneller unregelmäßiger Herzschlag
     

Welche Faktoren die Angst zum Vorschein bringen können

Obgleich manche der mit krankhafter Angst belegten Ereignisse, Situationen oder Gegenstände durchaus mit einer gewissen Bedrohung einhergehen können, steht die Angst in keinem vernünftigen Verhältnis zur augenblicklichen Gefährdung. Dieser Diskrepanz sind sich die Betroffenen zumeist auch bewusst. Dennoch sind sie nicht in der Lage, die unangemessene Angst bzw. Panik zu kontrollieren. Stattdessen versuchen sie die Ursachen zu meiden, setzen dadurch allerdings einen Teufelskreis in Gang. Denn was zunächst nach einer vernünftigen Reaktion klingt, trägt in seiner Konsequenz zur Aufrechterhaltung der Angst bei. Betroffene berauben sich so etwa der Chance, zu erfahren, dass die gefürchtete Situation möglicherweise gar nicht so bedrohlich und unüberwindbar gewesen wäre. In der Verhaltenstheorie wird angenommen, dass ein erlerntes Verhalten unseren Ängsten zugrunde liegt. Negative Erfahrungen wie ein Hundebiss, ein schmerzhafter Zahnarztbesuch oder ein missglückter Schwimmversuch brennen sich als Extremereignisse in unser Gehirn und werden durch bestimmte ähnliche emotionale Erregungen wieder hervorgerufen. Solche auslösenden Schlüsselreize werden auch Trigger genannt.

Nicht selten äußert sich Angst in Form von Kummer und Sorgen, Stress und Überforderung, häufigen sozialen und zwischenmenschlichen Konflikten; aber auch in Scham- und Schuldgefühlen.

Wie genau entsteht Angst?

Ängste werden gemäß dem US-amerikanischen Psychologen Orval Hobart Mowrer in zwei Schritten erlernt. Hier kommt der Begriff der klassischen Konditionierung ins Spiel, das besagt, dass ein an sich neutraler Reiz aufgrund eines negativen Erlebnisses im Gehirn negativ belegt wird. Ein klassisches Beispiel ist der Besuch beim Zahnarzt. Erweist sich die Zahnbehandlung etwa als Kind als besonders unangenehm und schmerzhaft, kann dies in einer analogen Situation zu einem angstauslösenden Reiz führen. Um jenes belastende Erlebnis nicht nochmals durchleben zu müssen, versuchen Betroffene einen erneuten Zahnarztbesuch zu vermeiden. Durch diese sogenannte operante Konditionierung wird die Angst weiter beibehalten. Die Tatsache, dass sich die Betroffenen mit dieser Situation nicht mehr auseinandersetzen, hat jedoch einen entscheidenden Nachteil. Sie werden nämlich nicht (mehr) lernen können, dass in den allermeisten Fällen im Rahmen einer Zahnbehandlung nichts Schlimmes geschieht. Das negative Erlebnis ist in der Amygdala, einem Teilbereich des Gehirns gespeichert und löst zukünftig die unerwünschten körperlichen Reaktionen aus. Ein Körpergedächtnis schafft sich die Amygdala dabei anhand somatischer Marker, die eine wichtige Rolle beim Erlernen der Angst spielen. Allein der Gedanke an einen Zahnarztbesuch kann Herzrasen, Schweißausbrüche etc. und somit die klassischen Angstsymptome hervorrufen.

Die Amygdala als Zentrum der Angst

Wenn Erinnerungen und Emotionen eine Angststörung auftreten lassen, ist die sogenannte Amygdala im Spiel. Sie ist Teil unseres limbischen Systems im Gehirn und liegt im vorderen Teil des Temporallappens. Im Deutschen als Mandelkern bezeichnet, ist die Amygdala u.a. für die Entstehung, Wiedererkennung und die körperliche Reaktion bei Ängsten verantwortlich. Weil diese stark mit dem Hirnstamm verknüpft ist, beeinflusst sie autonome Funktionen des Körpers – etwa Kreislauf und Atmung. Das für das Furchtgedächtnis und die Angstentstehung bedeutendste Hirnareal ruft die typischen Angstsymptome hervor, sobald sie elektrisch stimuliert wird. Die Amygdala leitet Signale an Hirnstrukturen wie etwa den Hypothalamus weiter, welcher unterschiedliche emotionale Reaktionen steuert. Schreckstarre, Erhöhung der Atmung, der Herzschlagfrequenz, der Schreckhaftigkeit sowie eine höhere Ausschüttung von Stresshormonen sind die Folge. Besonders aktiv ist die Amygdala im Traumschlaf, weshalb sie möglicherweise auch die Ursache für die starke emotionale Färbung von Träumen ist. Insbesondere der sogenannte REM-Schlaf (REM = Rapid Eye Movement) wurde als die Schlafphase identifiziert, die uns unsere Erlebnisse vor allem kognitiv verarbeiten lässt.

Negative Erfahrungen bleiben als somatische Marker gespeichert

Laut dem Bewusstseins- und Gehirnforscher Antonio R. Damasio beeinflusst das Unbewusste der Gefühlswelt ganz wesentlich unsere Entscheidungsfindung. Solche Signale aus dem Unbewussten werden als somatische Marker bezeichnet und hängen mit wichtigen Lebenserfahrungen vergangener Tage zusammen. Konkret handelt es sich um körperliche Empfindungen und Gefühle, welche wir in der Amygdala gespeichert haben und die sich anlässlich unserer Erfahrungen immer wieder ähnlich reproduzieren. Mit anderen Worten: Das Gehirn speichert unsere Empfindungen und Gefühle zu einer bestimmten Erfahrung ab. Solche somatischen Marker steuern unser Annäherungs- und Vermeidungsverhalten. Fortan dienen vergleichbare Situationen oder vermeintlich verwandte Ereignisse als Auslöser unserer Ängste. Die Stärke der mit der Angstreaktion verbundenen Symptome hängt dabei vom Erregungszustand ab, den wir während des einschneidenden Erlebnisses durchgelebt haben. Betroffene fühlen sich dabei sehr unwohl, da sie die Situation gerne auf eine andere Art bewältigen würden. Etwa ohne Ängste vor einer großen Menschenmenge präsentieren, sich ohne Schweißausbrüche in ein Flugzeug setzen oder nach einer Bergtour die Blicke ohne Herzrasen hinab gleiten lassen.

Mit EMDR Ängste dauerhaft verlernen

Derartige Situationen würden sich deutlich angenehmer gestalten, wenn es nur möglich wäre, die im Gehirn verankerten Ängste verlernen zu können. Hierbei kann EMDR, im Ursprung eine Therapie zur Trauma-Bewältigung, maßgeblich helfen. Ausgeschrieben heißt EMDR Eye Movement Desensitization and Reprocessing kann ins Deutsche übersetzt werden mit Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung. EMDR ist weltweit bekannt, u.a. für das Herbeiführen von schnellen Augenbewegungen beim Klienten während einer Sitzung. Die rapiden Augenbewegungen sind vom REM-Schlaf geläufig, der deshalb seinen Namen trägt: Rapid Eye Movement.

Heutzutage kommt die EMDR-Methode im Rahmen der Therapie sowie im Coaching bei emotional fordernden Alltagssituationen erfolgreich zum Einsatz. In der Regel werden auch Angstreaktionen durch den Einsatz der Methode signifikant vermindert. Vergleichbare Situationen lösen künftig nicht länger belastende und unangenehme Angstgefühle aus. Vielmehr entsteht ein erträgliches Gefühl der bewussten Achtsamkeit. Indem die kognitiven Fähigkeiten erstmals wieder in den Vordergrund treten, sind wir endlich in der Lage, die zuvor mit Angst besetzten Situationen neu zu bewerten. Dadurch können wir hilfreiche Strategien und Lösungen entwickeln. Statt wie bisher angstbesetzten Situationen aus dem Weg zu gehen, nehmen unsere Handlungsoptionen im Zuge einer EMDR-Therapie oder eines EMDR-Coachings spürbar zu. Darüber hinaus werden Anwender mit Hilfe des EMDR Selbstcoachings in die Lage versetzt, selbst rasch auf mentale sowie emotionale Belastungen zu reagieren. Dank der Anleitung zum EMDR Selbstcoaching sowie der EMDR-Brille REMSTIM 3000 lassen sich (nicht-krankhafte) Ängste oft wieder verlernen.

Aufgrund der zerebralen Neuintegration des ehemals angstverursachenden Erlebnisses durch EMDR erinnert und reagiert unser emotionales Erfahrungsgedächtnis künftig auf eine neue funktionale Weise. Es werden nicht länger „Angst und Panik“ durch die somatischen Marker übermittelt. Stattdessen umfasst die Botschaft einen erträglichen Inhalt, den wir in aller Gelassenheit aufnehmen können und so uns ein bewusstes Handeln ermöglicht. Hieran erkennen wir, dass wir unsere Ängste endlich verlernt haben.

 


 

Info- und Erfahrungsabend
Donnerstag, den 16.02.2017, 18:30 Uhr:
Wenn die Angst vergeht: Wie wir unsere Ängste überwinden

Praxis Thomas Buhl
http://remstim.com/emdr-praxis-emdr-therapeut-thomas-buhl/

 

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