Ein wichtiger Teil des spirituellen Weges sind unsere Beziehungen und Partnerschaften. Keiner spiegelt uns unsere Schatten so direkt wie die Menschen, die wir lieben. Doch wie weit wir uns überhaupt in einer Beziehung öffnen können, hängt auch damit zusammen, was wir in unserem Leben bisher erlebt haben und in welchen Situationen wir verletzt wurden oder uns gefahrlos so zeigen konnten, wie wir sind. Wie tief kannst du dich einlassen?

Von Ellen Hennicke-Weinert

Im Laufe meines Lebens (immerhin 44 Jahre prallvoll verrücktester Erfahrungen) sind mir viele Arten von Liebe begegnet. Geschwisterliche, elterliche, freundschaftliche, universelle, natürliche, kreative, heilsame – ganz unterschiedliche eben. Durch die Arbeit mit meinen Klienten und geistigen Helfern kamen dann nochmals tiefere Aspekte hinzu. Wann ist Geben, wann Nehmen angezeigt? Wie wirkt sich das eine und das andere aus? Die nächstgrößere Erfahrung von Liebe hatte ich dann für mich während des Schreibens meines Buches und im Anschluss daran durch die Arbeit mit den Engeln und deren Wunsch, als Essenz in die Welt getragen zu werden.

Das alles hat mich jedoch nicht ausreichend darauf vorbereitet, was ich in meiner Partnerschaft erlebe. Ich schmolle etwas mit dem Leben. Denn: Schon wieder keine Gebrauchsanleitung! Jeder ist in seinem Leben bereits ein oder viele Male verletzt worden. Jeder hat bereits einmal erlebt, dass er falsch verstanden, nicht ernst genommen, nicht wahrgenommen wurde oder sich nicht gewollt gefühlt hat. Dennoch versuchen wir alle immer wieder, die eine wahre Liebe zu finden. Aber sind wir auch bereit dafür? Ich selbst habe auch viel Zeit damit verbracht, zu finden, was mein Herz erfüllt. Es gab kürzere und längere Beziehungen, tiefere und oberflächlichere Gefühle. Während die Gefühle und die Empathie meinen Kindern, Eltern, der Familie und Freunden gegenüber konstant blieben, spielten in den begonnenen und abgebrochenen Beziehungen Verletzungen und Missverständnisse die größere Rolle als die Liebe selbst.

Wobei ich sagen muss, dass mir das nicht bewusst war. Ich spürte nur einfach, dass ich nicht glücklich war, egal, was ich alles unternahm, um es doch zu werden. Und nun? Alles ergibt sich so leicht und so von selbst, dass ich mich kaum darauf einlassen kann …

Das kann ja nicht passen!

Bevor wir das allererste Mal miteinander ausgingen, hatte er mich bereits viele Male nach einem Treffen gefragt. Ich hatte jedes Mal nein gesagt und bereits ein schlechtes Gewissen, dass ich mich auf seine nett gemeinten Fragen nur ablehnend äußern konnte. Doch in meinem Kopf waren nur Bilder, die besagten, dass es sowieso nicht funktionieren würde. Wir kommen aus verschiedenen Umfeldern und so. Worüber sollen wir denn einen ganzen Abend lang reden? Irgendwie war ich auch empört, dass er mich so oft fragte – obwohl ich doch nun schon dreimal klar und deutlich nein gesagt hatte. Beim vierten Mal irritierte mich seine Frage. Beim fünften Fragen begann ich, seine gute Laune und seinen Langmut, trotz meiner vielen Absagen, zu bewundern.

Dann: Mein Telefon klingelt und sein Firmenname steht auf dem Display. Ich gehe ran und muss innerlich lachen, denn ich rechne damit, dass er mich das sechste Mal fragen wird: „Ja, hallo?“ Keine Antwort. Raschel. Knister. Ich, nochmal lauter: „Hallo???“ Aus dem Hörer knackst und raschelt es: „Ist da jemand dran?“ „Äh ja? Ich!“ „Wer ist ‚ich‘?“ Meine Verwirrung ist komplett: „Na, Ellen.“ „Die? Ellen? Wieso bist du denn an meinem Telefon? Es hat doch gar nicht geklingelt.“ „Aber du hast doch bei mir angerufen!?“ Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Er ist offensichtlich auch verwirrt und erklärt: „Also das Telefon war hier in der Hosentasche und muss dich selbständig aus der Wahlwiederholung angerufen haben.“ „Oha!“ (Nachtigall ick hör dir trapsen.) „Wahlwiederholung?! Klar. Nach zwei Wochen.“ „Ja. Irgendwie. Ich weiß nicht, wie das geht.“

Er klingt so ehrlich verwirrt, dass ich meine Zweifel sofort bereue. Um dem Gespräch eine nette Wendung zu geben, frage ich, wie es mit dem letzten Auftrag ging. Ich höre ihm zu und mir wird gerade bewusst, dass ich grinse, während er mir ein paar technische Details erklärt. Er schließt seinen Monolog mit der Frage: „Wenn ich dich schon mal am Apparat habe! Wann gehen wir nun endlich einen Kaffee trinken?!“ Mein Hirn hat keine Chance gegen meinen lächelnden Mund: „Was machst du am nächsten Mittwoch?“ Er ungläubig: „Hast du gerade JA gesagt?“ Ich stottere und bin kurz selbst verwirrt: „Äh.“ (Mein Gott! Ich bin so komplett der Reinfall! Aus der Nummer komme ich ja jetzt nicht mehr wirklich raus.) “…äh. Ja. Mittwoch!“ Er freut sich hörbar: „Toll! Mittwoch passt prima. Wir schreiben uns, wann und wo!“

Am Ende vom Telefonat grinse ich im Gesicht immer noch, aber mein Verstand meldet Chaos. Bedrohliches Chaos. Eine Reihe von Warnmeldungen folgt: „Was wollt ihr so lange reden? Was denkst du denn, was der will? Nur reden. Ja, klar. Das wollen sie alle! Jetzt kannst du ja nicht mehr nein sagen. du musst was aussuchen, wo keine Romantik aufkommen kann. Damit das mal schön sachlich bleibt und … verdammt! Du grinst immer noch!“

Beschränkende Glaubenssätze

Bis hierhin war ich der Ansicht, dass ich alle einer Beziehung im Weg stehenden Glaubenssätze bereits aufgelöst habe. Offensichtlich nicht. Ich verbringe den ganzen restlichen Abend damit, diverse Ängste aufzuspüren und sie zu transformieren. Was soll ich mit der Meinung, dass Männer es nicht ehrlich mit mir meinen? Ins kosmische Licht damit! Was soll ich mit der Überzeugung anfangen, wir hätten nichts gemeinsam zu reden? Weg damit! … Das Grinsen ist am folgenden Mittwoch verschwunden und ich habe eine Kneipe ausgewählt, damit es (nur zur Sicherheit) nicht zu romantisch – und ich irgendwie falsch verstanden – werden kann. DAS habe ich offensichtlich vergessen aufzulösen). In der Kneipe komme ich zuerst an und gehe zielstrebig zu einem Stehtisch. Da gibt es keine Missverständnisse, dass man zu nah beieinander sitzt.

Außerdem habe ich durch den Workshop gestern Abend vergessen, mir etwas anderes zum Anziehen einzupacken und trage nun das kürzeste Kleid zusammen mit hohen Stiefeln. Wie passend. Da ist Stehtisch eindeutig die bessere Wahl! Ich ziehe gerade den Mantel aus, als er um die Ecke kommt. Strahlend begrüßt er mich mit den Worten: „Schau mal, da ist ein schöner Tisch frei mit Sitzecke.“ Das hat also schon mal NICHT geklappt. Ich folge ihm zur Sitzecke, und auf dem Weg dahin fällt sein Blick auf die Kreidetafel „Flammkuchen vegetarisch. Wer isst denn Flammkuchen ohne Speck und Zwiebel?“ Ach du je! Ich bin seit 17 Jahren Vegetarierin. Mir fällt keine Antwort darauf ein. Für einen inneren Dialog ist keine Gelegenheit, aber das Gefühl „ach du je – wie soll das gehen“ potenziert sich gerade.

Der Kellner steht schon neben uns, bevor irgendwas davon innerlich greifbar wird: “Was möchtet ihr denn trinken?“ Wir beide antworten wie aus einem Munde: „Wir wollen vor allen Dingen was essen!“ Der Kellner schaut uns bedauernd an: „Das ist noch nie passiert, aber die Küche ist kaputt und der Koch ist krank. Beides am gleichen Tag. Wir haben heute nur Getränke.“ Gibt’s das wirklich? Passiert MIR das gerade in echt? Nix läuft wie geplant Einen kurzen Fußweg später finde ich mich am einzig freien Restaurant-Tischchen der näheren Umgebung. Ein Italiener. Mit klassisch-kitschiger Violinen-Musik und dem kleinsten Tisch in der ruhigsten Ecke der ganzen Stadt. Mit Kerze auf dem Tisch und weißer Tischdecke. Ist das euer Ernst? Irgendwie hab ich meine Engel im Verdacht. NICHTS, aber auch gar nichts läuft, wie mein toller kluger Verstand sich das ausgedacht hat.

Ich drücke mich an die rechte äußere Kante, um den kurzen Rock mit der Tischdecke zu kaschieren. Und wegen der bedrohlichen Romantik und der Nähe und so. Wir bekommen ein wirklich sehr gutes Essen und er erzählt mir von seiner Ausbildung, seinen Reisen und seinen sportlichen Leidenschaften. Nach dem Essen erwische ich mich an der linken Kante des Tisches, um kein Wort zu verpassen und mir keine Vibration entgehen zu lassen. Denn wenn er redet, kann ich innerlich sehen, riechen, fühlen, was er in seiner Erinnerung sieht, riecht oder fühlt. Ich bin fasziniert und das Grinsen ist zurück. Ich liebe die Geschichten vom Berg Sinai, die vom Planetengetriebe und die vom Bungee-Sprung …

Was ich denn so mache und womit ich mein Geld verdiene, will er wissen. Jetzt oder nie. Mein Einsatz! Wenn er jetzt nicht abhaut, ist er selber schuld. Ich habe ein Buch geschrieben, welches mir Engel und Außerirdische diktiert haben, mein Faible für Technik und die ausgeprägte Verstandskomponente habe ich aus dem Ingenieurs-Elternhaus, meine Leidenschaft für Motorräder, Sport und alles, was im Bauch kribbelt, ist meiner stürmischen Natur zuzuschreiben (manche meinen, ich sei renitent, unaushaltbar und widerborstig) und mein Geld verdiene ich mit energetischen Behandlungen der Sonderklasse.

Angstmachendes Weltbild

Er haut am Ende meines halbstündigen Monologs nicht ab, sondern schaut mich an und sagt in formvollendeter Ruhe einen bedeutsamen Satz: „Ellen, wenn das alles stimmt über die Energien und die Engel – ich glaube nur das, was ich sehen, anfassen und überprüfen kann –, dann wäre mein ganzes bisheriges Weltbild falsch. Ich weiß nicht, ob ich das will. Das macht mir Angst.“ Dieser Mann, den ich eigentlich nicht kenne, hat mir gerade meine Welt erklärt! Immer wieder habe ich erlebt, dass ich in den Augen der Menschen, die mir gegenübersaßen und denen ich erzählt habe, was ich tue, Angst gesehen habe. Meine logische Schlussfolgerung war, dass ich gefährlich bin, dass die Fähigkeiten, die ich habe, die Weltsicht, die sich mir durch meine Wahrnehmung regelrecht aufdrängt, falsch und schwer bedrohlich ist. Aber das stimmte gar nicht: Die Menschen hatten nur Angst davor, was das für sie persönlich bedeutet – nicht vor mir.

Ich bin gar nicht falsch. Ich muss mich gar nicht selbst bekämpfen. Ich erwische mich dabei, wie ich schweigend in seine Augen sehe und (ist das zu fassen?!) tatsächlich wortwörtlich denke, „Ich liebe dich.“ Dabei kenne ich ihn gar nicht. Wie kommt mein Hirn zu solchen Gedanken? Wo bleibt der Verstand? Der meldet sich kurz darauf im Auto zu Wort: Wie kommst du dazu, was von Liebe zu denken? Na, die Frage hatte ich selbst auch schon – und keine Antwort gefunden. Und wie passend, den schwersten Stoff am ersten Abend anzusprechen! Na, ich hab alles auf eine Karte gesetzt. Der Mann macht also interessante Reisen? So so. Und er kann erzählen, wie man ein Getriebe auseinandernimmt, so dass du die Einzelteile vor deinem inneren Auge sehen kannst. Aha. Geht’s noch? Ja – die Geschichte vom Sinai war auch geil. Hörst du überhaupt zu? Wieso grinst du schon wieder?

Mein Verstand ist definitiv gerade nicht auf dem Laufenden darüber, wie es meiner Seele, meinem Herzen und meinem Körper geht. Die drei wünschen sich nämlich eine Wiederholung dieser Gefühle und eines solchen Abends. Alles, was sich Verstand nennt, dagegen NICHT. Es folgen weitere Abende, mehr Geschichten, mehr Grinsen und noch mehr unnötige Kommentare von meinem unkooperativen Verstand. Aus dem Glaubenssätze-Auflösen komme ich gefühlt wochenlang nicht raus. Wenn es mal nichts zu kommentieren oder zu glauben gibt, schießt er mir immer das Totschlagargument in den Kopf, dass es selbst dann nichts wird, wenn ich an nichts Falsches mehr glaube (Dass das auch ein Glaubenssatz ist, fällt mir erst heute beim Schreiben auf. – Weg damit!)

Gegenseitiges Abtasten

So geht das wochenlang. Wenn wir zusammen sind, ist alles gut – sobald ich allein bin und die Mundwinkel zurück auf normal, ist irgendetwas in mir „dagegen“. Grundsätzlich erst mal. Denn etwas, das so sehr Regie über mein Leben übernimmt, kann doch nicht gesund sein. Da ist man ja fremdgesteuert! Wo kämen wir denn dahin, wenn das Gefühl bestimmen dürfte, wo es im Leben langgeht? Leise im Hinterkopf ist mir sehr klar, dass ich doch normalerweise meine Praxis, meine beruflichen und anderen Lebensaspekte ganz vertrauensvoll in die Hände meines Bauchgefühls lege, auf meine innere Stimme und die Führung von oben höre. Ich lasse mich leiten davon, was mir im Herzen gut tut, was meine Seele wünscht, was meiner Psyche und meinem Körper Freude bereitet. Da ist die meiste Kraft! Da ist die langanhaltende Motivation. Mein Verstand ist aber vollkommen überzeugt davon, dass das in Beziehungsfragen nicht der richtige Weg ist.

So sehr, dass mir zu diesem Zeitpunkt gar nicht bewusst werden kann, wie wenig ich im Gefühl bin. So sehr, dass ich Panik bekomme, wenn ich mal wieder spüre, was er spürt, und das so heftig ist, dass ich es von meinem eigenen Gefühl kaum unterscheiden kann. So sehr, dass ich Angst bekomme, wenn er umgekehrt genau zu wissen scheint, was in mir vorgeht. Ich bin zutiefst irritiert, wenn wir in der gleichen Nacht den gleichen Traum haben. Ich frage mich, was mich da manipuliert? Hormone? Energien? Sind seine Wünsche so stark, dass ich mich ihnen nicht entziehen kann? Ihm geht es genauso. Er fragt mich mindestens fünf Mal, ob ich irgendeinen Zauber mache mit ihm? Woher ich weiß, was er fühlt? Und wieso er bei mir immer das Gefühl hat, ich schaue durch ihn durch, er könne kein Geheimnis vor mir haben und er sei ein offenes Buch für mich?

„Ellen, das macht mir Angst.“ Na und mir erst! Wie soll ich ihm vermitteln, dass ich das nicht steuern kann? Dass ich noch nicht mal durchschaue, was hier auf welcher Ebene mit uns geschieht? Dass ich mich ebenfalls fremdgesteuert fühle und mindestens die gleiche Portion Angst habe wie er? Wie kann man beweisen, dass man etwas NICHT tut? Verliere ich den Verstand, wenn ich mich drauf einlasse, was meine anderen Instanzen wollen? Wohin führt das? In ein neues Beziehungsdrama?

Versuche zurückzurudern

Letztendlich kommt es ganz anders. Seele, Herz und Körper übertönen unseren jeweiligen Verstand und eines Abends nach einem dieser Gespräche, in denen wir spüren, was der andere spürt, und grinsen und leicht sind, verabschieden wir uns mit einer Umarmung. In diesem Moment passiert etwas. Für mich sieht es aus wie ein Funkenregen, der von vorn nach hinten durch meinen Körper sprüht. In mir drin reagiert etwas auf diese Funken und sendet eine Antwort: Licht. In tausend Funkeln, und wir sind plötzlich davon eingehüllt. Es ist warm und glitzert. Meine Wahrnehmung teilt sich auf und ich sehe einerseits dieses Energiewunder mit innerlich offener Kinnlade an – denn etwas annähernd Ähnliches habe ich noch nie in meinem Leben gesehen.

Dennoch fühlt es sich vertraut und richtig an. Gleichzeitig spüre ich meinen Körper in seinem Arm mit einem Kuss auf meinem Mund, der so ganz anders ist. Irgendwie „umfassend“. Mein Verstand ist weit weg und es fühlt sich übrigens kein bisschen fürchterlich an, den Verstand zu verlieren. Im Gegenteil. Das hier ist sowas von richtig. Kein Zweifel, kein Bedenken, kein Aber, kein Wenn, kein Haken, keine Glaubenssätze. Stille und Ruhe, obwohl dieser Lichtsturm wirbelt und mein Herz wie wild klopft. In den kommenden Wochen versuchen wir jeder ein bis drei Mal, „Schluss“ zu machen.

Immer dann, wenn bei einem von uns beiden der Verstand meldet, dass Gefahr droht, wenn man sich einlässt. Einlässt auf den anderen, auf die Liebe, auf die Möglichkeit, verletzt zu werden, auf das Risiko eines Neuanfangs, auf das Neue und Unbekannte und alles sonst vom Hirn als bedrohlichunberechenbar Eingestufte. Bei einem dieser Schluss-Mach-Gespräche hält er einen Monolog, in dem er all das ausspricht und mich ernst anschaut dabei und mir alle, aber auch wirklich alle guten Gründe aufführt, wieso wir nicht zusammen sein können. Ich beobachte ihn dabei und merke, dass ich kein bisschen Angst habe. Er drückt einfach nur aus, was mich ebenfalls immer wieder beunruhigt. Mein Verstand war bisher ein guter Berater, unsere Umfelder sind tatsächlich sehr verschieden.

Über einige andere Argumente muss ich schmunzeln – er meint, nicht gut, klug, reich oder anständig genug zu sein für mich. Wieder anderes in seiner Rede macht mir etwas bange: Ich bin zu energetisch unterwegs, weiß zu viel über ihn, ohne dass er es ausspricht.

Das Geschenk des Einlassens

Mein Verstand fragt an dieser Stelle dazwischen: „Ellen? Müsstest du jetzt nicht langsam sauer, unruhig oder wütend werden? Der Mann macht gerade mit dir Schluss!“ Ich fühle in mich hinein und weiß: „Nein. Ich bin nicht wütend, ängstlich oder nervös. Ich spüre nur einfach die Ehrlichkeit in seinen Worten und dass er die gleichen Gedanken hat wie ich. Und was ich außerdem noch spüre, ist dieses Funkeln und die Verbundenheit und das Glitzern und die Wärme des Verstehens zwischen uns. Ich schweige und höre weiter zu und da ist er am Ende mit seinem Monolog: „Darf ich dich mal in den Arm nehmen? Immer wenn ich dich im Arm habe, ist alles gut.“

Wir umarmen uns und unsere Leuchtfeuer interagieren wieder miteinander. Ohne unser Zutun oder offizielles Einverständnis. Er schaut mir in die Augen: „Weißte, ich kann gar nicht Schluss machen mit dir. Wir haben ja noch nicht mal angefangen, oder?!“ Ich muss loslachen: „Stimmt! Wenn zehn Mal NEIN sagen nicht hilft, ist es mal Zeit, was anderes zu probieren.“ Inzwischen sind viele Monate vergangen und wir haben uns verlobt, sind zusammengezogen und üben jeden Tag, was die Liebe alles heilt, (er)füllt, fühlt, empfängt und uns werden lässt. Ich konnte viele Male zusehen, wie dieses Leuchtfeuer zwischen uns ganz konkreten Kummer aus unserer Aura einfach heraustransformiert hat.

Ich habe erlebt, wie diese Liebe ermöglicht, beim anderen zu erkennen, was er gerade wirklich meint, wenn er wütend darüber ist, dass die Jacke falsch herum zusammengelegt wurde. Ich konnte erleben, wie alte Verletzungen heilen, von denen man noch nicht mal was wusste. Es fühlt sich an, als hätten wir mit dieser Beziehung ein riesengroßes Schloss geschenkt bekommen. Man steht davor und denkt „Boah. Sieht geil aus!“ Dann geht man hinein und stellt fest: Das hat viel mehr Zimmer, als man erfassen kann, der Garten ist größer, als man je einen hatte, und man beginnt, alles zu erkunden. Dann entdeckt man den Seitenflügel, das Dachgeschoss, die Kellerräume, Altes, Neues, Liegengelassenes, Vergessenes – aber jedes Mal, wenn man einen neuen Raum mit Liebe im Herzen betritt, dann ist es, als würde man einfach durch die Liebe neue Farbe an die Wand bringen und das warme Licht macht die Möbel wie neu.

Es ist ganz leicht und ohne Anstrengung. Dann findet man einen Schlüsselbund und macht sich auf die Suche, zu welcher Tür er wohl passt. Was wirklich schwer fällt, ist das Einlassen, Hingeben, Vertrauen. Das muss ich in vielen Situationen immer wieder NEU entscheiden. Mich jedes Mal aufs Neue trauen – über die Kante zu springen wie beim Bungee-Sprung. Aber es lohnt sich sowas von! Die letzten anderthalb Jahre haben uns beide wachsen lassen – so wie die erkundeten Bereiche in unserem Schlösschen sich immer weiter ausdehnen, dehnt sich unser SelbstSein aus. Wir sind leichter, fröhlicher und glücklicher. Ich bin weicher – das merke ich am stärksten. Der Verstand hält sich übrigens größtenteils zurück oder rollt heimlich mit den Augen …

 

2 Responses

  1. Sabine
    Wunderbar - ganz und mit dem Herzen

    Ganz wunderbar geschrieben! Und dieser Artikel passt gerade so gut – und da es ja keine Zufälle gibt… Ja, es beutet, Mut. Mut sich einzulassen mit seinem ganzen Sein. Wie Sie geschrieben haben: „über die Kante zu springen wie beim Bungee-Sprung“.
    Danke für diesen tollen Artikel!

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