Sammelstelle für vegane Rezepte

Echt geschmackvoll: Sucht man wirklich gute vegetarische Kochbücher mit traditionellen europäischen Gerichten, kommt man an den Werken der Wiener Food-Journalistin, Kochbuchautorin und Foodbloggerin Katharina Seiser nicht vorbei. Zum Beispiel „Deutschland vegetarisch“ – von nachkochenden Menschen liebevoll nur „Dveg“ genannt. Angespornt durch einen Selbstversuch mit veganer Nahrung sammelt sie seit über einem Jahr auf www.tierfreitag.com auch rein pflanzliche Rezepte.
Mit SEIN spricht sie über ihre Erfahrungen und Ansichten.

 

SEIN: Wie ernährst du dich selbst?

Katharina Seiser: Möglichst abwechslungsreich und frisch gekocht. Klingt banal, ist aber im Alltag gar nicht so einfach umzusetzen. Zum Glück haben wir einen Ernteanteil von Österreichs erstem CSA-Betrieb (Community Supported Agriculture), der uns die Basis in Form von wöchentlich frisch geerntetem Bio- Gemüse in zig Sorten liefert. Wir schauen einfach, was wir in der Gemüselade haben, und kochen drum herum.

Wie kamst du dazu, dich mit dem Thema Veganismus/tierleidfreier Ernährung auseinanderzusetzen?

Ich bin mit Bio-Lebensmitteln aufgewachsen und mit dem Verständnis, dass es wichtig ist auch die Tiere anständig zu behandeln, wenn wir sie schon als Lebensmittel „nutzen“. Im Denken ist es ein recht einfacher Schritt zu sagen: Tiere leiden lassen und Tiere töten geht gar nicht, das will ich vermeiden, indem ich nicht mehr daran teilhabe. Andererseits glaube ich, dass das ganz weit weg ist von der Lebensrealität der meisten Menschen. Wir wissen ja: Maximal 1 % der Bevölkerung sind Veganer/innen. Was passiert aber mit den Unmengen an Tieren, die von den 99 % in irgendeiner Form gegessen werden – oder deren Milch oder Eier?

Du selbst lebst eigentlich nicht vegan, isst auch mal Fleisch – was hat dich dann zum Tierfreitag inspiriert?

Ich wollte eine Möglichkeit finden, tierfreie, gleichzeitig auch ideologiefreie Rezepte zu versammeln und zugleich vorbildliche Tierhaltungsprojekte aufzeigen. Denn Schwarz-Weiß-Denken liegt mir nicht und kann ich mir als Journalistin sowieso nicht leisten, ich will lieber einen für viele Menschen gangbaren Weg aufzeigen.

„Tierfreitag“ ist ein schönes Wortspiel. Vermeidest du bewusst den Begriff „vegan“?

Niemand muss vegan leben, um gut pflanzlich zu essen. Ich unterstütze keinerlei Ideologie, sondern die Idee, dass jede pflanzliche Mahlzeit eine tierische weniger ist. Und wenn in einer anderen Mahlzeit tierische Produkte vorkommen, dann betone ich stets, auf bestmögliche Tierhaltung zu achten.

Was genau ist der Tierfreitag? Kann da jede/r mitmachen?

Jede/r darf mitmachen, klar! Die Definition ist einfach: An einem Freitag zu einem passenden Thema (appetitliche pflanzliche Rezepte ohne Ersatzprodukte, Lokaltipps, Warenkunde, vorbildliche Tierhaltungsprojekte…) auf dem Blog oder einem anderen Medium schreiben, im Artikel den Tierfreitag nennen und auf der Sammelstelle (www.tierfreitag.com) melden.

Am Tierfreitag beteiligen sich auch Carnivoren oder Vegetarier, macht das überhaupt Sinn?

Selbstverständlich! Genau das ist ja der Sinn der Sache! Lust zu machen auf pflanzliche Speisen, und wenn sie schmecken, werden sie wieder gemacht. Jede davon ist eine Mahlzeit ohne Tier. Jede davon Sinn-voll.

Rückblickend auf ein Jahr Tierfreitag: Wie sind die Erfahrungen mit dem Projekt?

Am Anfang gab’s ein paar übliche Witzchen, aber das hat schnell aufgehört. Da ich keine Veganerin bin, brauche weder ich noch die anderen Beteiligten am Tierfreitag emotional zu reagieren. Mir geht es um gutes Essen – mit Mehrwert. Im Gegenteil: Viele Blogger/innen sind von der Idee begeistert und teilen das Logo auf ihren Blogs.

Du lehnst „vegane Ersatzprodukte“ – auf die viele Veganer/innen ja geradezu schwören – kategorisch ab, warum?

Das stimmt, ich lehne Imitate und Surrogate jeder Art ab. Industriell hergestellte Nahrungsmittel, womöglich noch mit Aromen und Geschmacksverstärkern, will ich nicht essen und halte ich auch für keine gute Basis für Ernährungssouveränität. Echtes Essen wird aus echten Lebensmitteln möglichst frisch gemacht. Oft hört man von Menschen mit omnivorer Ernährung, dass veganes Essen einfach nicht schmecke. Woran liegt das deiner Erfahrung nach? Solange etwas so tut, als ob, also etwas nachahmen will, kann es ja nie so gut wie das erinnerte (und in der Erinnerung überhöhte) Produkt oder Gericht sein. Deshalb finde ich den Imitate-Weg ja auch den völlig falschen. Und: Der Veganismus ist jung, es war noch überhaupt keine Zeit, eine Kochtradition dazu zu entwickeln. Viele der Kochbücher auf dem Markt sind nicht von kulinarischen Profis geschrieben, sondern von überzeugten Veganer/ innen. Das macht für Alles-Esser/innen einen großen Unterschied.

Du hast gerade ein neues Buch herausgebracht, worum geht es da?

„Immer schon vegan“ birgt traditionelle Rezepte aus aller Welt, die immer schon rein pflanzlich – also vegan – waren und echt schmecken. Ich verwende kein einziges Ersatzprodukt. Ich habe die Rezepte wie die Bände der Vegetarisch-Reihe nach Jahreszeiten sortiert. Damit lässt sich zu jedem Zeitpunkt im Jahr rasch ein rein pflanzliches Gericht finden, das mehrheitsfähig ist.

Ist der Titel auch ein wenig eine Ansage an alle Nörgler und Mäkler, die aufgrund von Vorurteilen veganes Essen ablehnen?

Der Titel ist natürlich absichtlich doppeldeutig. Den darf jede/r interpretieren, wie sie/er will. Er ist aber auf jeden Fall auch eine Ansage an jene, die glauben, vegane Gerichte erfinden zu müssen, die vor Imitaten und Superfoods strotzen, aber nicht unbedingt (allen) schmecken.

Musstest du tief graben, um die Rezepte ausfindig zu machen?

Es war richtig viel Arbeit, die Rezepte zu finden. Denn: Ich wollte ja traditionelle Gerichte haben, die wurden in den Kochbuch-Klassikern rund um die Welt aber noch nie als „vegan“ bezeichnet. Ich musste mich also durch mehrere Dutzend Kochkulturen weltweit wühlen und typische Rezepte auf ihre Zutaten hin checken. Das hat mehrere Monate gedauert, mir aber nicht nur eine reich gefüllte Datenbank, sondern auch sehr viele spannende Erkenntnisse über die jeweiligen Küchen beschert.

Hast du einen Tipp für Menschen, die sich für eine rein pflanzliche Ernährung interessieren?

Ich schreibe niemandem vor, wie sie/er sich zu ernähren hat, und würde mir das auch niemals vorschreiben lassen. Wer Lust auf pflanzliche Gerichte hat, möge in den Küchen Italiens, Griechenlands, des Libanons, aber auch Indiens stöbern – oder in meinem Buch.


 

Katharina Seiser lebt in Wien und reist, um zu essen. Die Journalistin, Köchin und Kommunikationswissenschafterin schreibt Kochbücher und für Magazine und Tageszeitungen übers Essen.
www.esskultur.at

 

 

 

 

 

Buch: „Immer schon vegan. Traditionelle Rezepte aus aller Welt“
Brandstätter Verlag, 2015, 179 Seiten, 25 €, ISBN: 978- 3850338561

 

 

 

 

 

 

Bildnachweis:
Abb Portrait Seiser: © Thomas Apolt

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