Vergebung ist das, was Konflikte heilt – im Inneren und im Äußeren. Und mangelnde Vergebung erhält sie aufrecht. Wer anderen und sich selbst nicht vergeben kann, bleibt gefangen, kann nicht loslassen und muss immer wieder dieselbe, oft schmerzhafte Erfahrung machen. Anstatt mutig weiterzugehen, bleiben wir stecken in einem negativen Mix aus Schuld und Verletzung. Gott, mieses Karma, Eltern, Partner, Politiker … immer sind die anderen schuld an der eigenen Misere. Oder wir streuen uns selbst so lange Asche aufs Haupt, bis wir vergessen haben, welch ein licht- und kraftvolles Wesen jeder von uns von Natur aus ist! Das Ziel der menschlichen Geburt – Erleuchtung – ist unsichtbar geworden im Spinnennetz der eigenen Negativität.

 

Natürlich ist es oft nicht leicht, zu verzeihen. Der Kopf mag einem zwar sagen, dass die Vergangenheit vorbei ist, doch die Gefühle haften oft krampfhaft an ihr fest: „Verzeihen ist eine super Sache. Klar kann ich allen verzeihen – aber nicht meinem Vater … und nicht meiner Schwiegermutter … du kannst dir nicht vorstellen, was die mir angetan haben!“ So geht es vielen. Schließlich waren es ja auch oft schlimme Dinge, die da passiert sind! Aber schon Jesus sagte zu seinen Anhängern, dass sie ihre Feinde lieben sollen. Die Freunde lieben, das kann jeder. Den Feind zu lieben, also ihm zu verzeihen, da muss man über einen großen Schatten springen. Aber es ist der einzige Weg.

Die Bitte, verzeihen zu können

Doch wie gelangt man zu dieser Vergebung? Dem Vergeben geht der Entschluss voraus, vergeben zu wollen. So wie Glücklichsein eine Wahl, eine Entscheidung ist. Das eigene Weltbild kann dabei eine entscheidende Rolle spielen: Wer an Gott glaubt, kann dieses allumfassende Schöpfungsprinzip als gütigen Vater, liebende Mutter oder als Mischung aus beidem sehen, in dessen Schoß der Mensch immer wieder bedingungslose Liebe und Verzeihung für alles findet und das uns unterstützt, alten Groll loszulassen. Wer sich bedingungslos angenommen und geliebt fühlt, kann das auch seinen Mitmenschen und sich selbst leichter entgegenbringen.

 

Auch Beten hilft. Gebete, die von Herzen kommen, werden erhört, egal wie sich der Mensch das vorstellt, zu wem er oder sie betet. Die ehrliche und tiefe Bitte darum, verzeihen zu können, kann Wunder bewirken. Alle großen Meister und spirituellen Wege lehren Liebe, Mitgefühl, Vergebung. Im Buddhismus ist das Mitgefühl der Weg schlechthin, die Hawaiianer machen „Ho’oponopono“- Vergebungsrituale, im Judentum ist der wichtigste Feiertag Jom Kippur, wo man sich einen Tag lang durch Rückzug und Fasten mit den „Sünden“ des letzten Jahres auseinandersetzt und dann Vergebung findet.

 

Wer sich keinem der Wege zugehörig fühlt, der kann den Rat von Amma annehmen, der bekannten spirituellen Leitfigur aus Indien, in deren liebevolle Umarmung sich schon Millionen Menschen begeben haben. Sie sagt: „Ihr braucht nicht an Gott zu glauben, glaubt an euch selbst!“ Denn in jedem von uns steckt die tiefe Kraft zu lieben und zu vergeben. Es ist immer wieder eine Entscheidung: Ich verzeihe mir, ich verzeihe dir. Man kann es als Mantra in sich schwingen lassen. Und sich all die Personen geistig heranholen, bei denen wir Schwierigkeiten haben zu vergeben.Und gerade, wenn die Stürme des Lebens uns durchschütteln, brauchen wir den tiefen Entschluss, uns und anderen nicht die Schuld an denen eigenen Schwierigkeiten zu geben!

In uns aufräumen und verzeihen

Schauen wir auf diese Welt, finden wir allerdings wenig Vergebung. Doch der Krieg im Äußeren ist eine Reflexion des Krieges, der in unserem Inneren herrscht. Darum: Wenn wir in uns aufräumen und verzeihen, hat das einen direkten Einfluss auf die Welt da draußen. Wir müssen nur damit anfangen.

Viele Menschen trennen sich und beenden ihre Beziehungen zu anderen Menschen. Warum? Weil wir dem Anderen nicht vergeben können. Aber genau dieser Schritt des Vergebens ist entscheidend, immer wieder. Vergeben heißt, dass es nicht darum geht, wer Recht hat oder nicht. Vergeben bedeutet immer wieder, einen von Altem unbelasteten Raum zu schaffen – für den Anderen und sich selbst. Nur dann kann etwas Neues entstehen.

Solange du an deiner  Weigerung festhältst, dem Anderen zu vergeben, kann dieser sich nicht ändern. Und auch du bleibst blockiert. Der Andere ist dein Spiegel, ob dir das gefällt oder nicht. Er zeigt dir, was du in dir selbst nicht sehen willst oder kannst. Was du dem Anderen nicht vergeben kannst, kannst du dir selbst nicht vergeben.

Auf einem Vortrag über Permakultur-Projekte in Afrika habe ich folgende Geschichte gehört: Einer der Teilnehmer an einem Projekt war ein junger Mann ohne Hände, der aber mit einer speziellen Technik wunderbare Bilder malen konnte und damit alles verschönerte.

 

Ihm waren die Hände bei einem Überfall durch einen feindlichen Stamm abgehackt worden. Als er einigermaßen genesen war, suchte und fand er die Personen, die ihm das angetan hatten. Um ihnen Vorwürfe zu machen und Rache zu nehmen? Nein, sagte er, um ihnen zu verzeihen. So, wie er selbst seine Situation akzeptiert hatte, wollte er dies auch seinen Peinigern ermöglichen, damit alle im Leben fortschreiten konnten und nicht Gefangene ihrer Vergangenheit bleiben mussten. Der junge Mann hatte sein Verhängnis angenommen! Wem das gelingt, wird zum Meister seiner selbst!

Vergeben und vergessen

Ein Schüler fragte: Meister, ich mache jeden Tag meine spirituellen Übungen, ich meditiere und rezitiere das Mantra, das du mir gegeben hast – wird mir die Praxis helfen, endlich den Schmerz, den ich innerlich fühle, zu überwinden und mein wahres Selbst zu erkennen? Der Meister antwortete: Es ist gut, dass du so gewissenhaft deine Praxis machst. Im Moment verlierst du aber all die Kraft, die du mittels deiner spirituellen Übungen sammelst, durch Gedanken und Handlungen, die voller Wut, Ärger, Trauer und Schmerz sind. Erst wenn du gelernt hast zu vergeben, wirst du nicht mehr anhaften und die dunklen Wolken, die dein wahres Selbst verbergen, werden sich im Licht der Sonne auflösen.

Das Motto „Vergeben und vergessen“ erleichtert einem das Leben ungemein. So wie Kinder, die sich streiten, bald schon wieder miteinander spielen. Wir halten oft Jahre an dem fest, was uns angetan wurde. Tiefe Vergebung ist tief befreiend – statt dem kleinen verstrickten Kopf-Ich darf sich unser wahres Ich zeigen. Das Leben ist kurz! Womit wollen wir es verbringen?

 


 

Monica Riedel im Gespräch mit Premasudha Janet Hobbs

Warum finden wir es so schwer, anderen und uns selbst zu vergeben?

In unserer Kindheit wurde unser zartes, liebendes Herz verletzt und es schien, dass unsere tiefe Liebe, mit der wir hier ankamen, ihre Macht verloren hatte. Wir lernten, dass man durch Liebe und liebevolle Gefühle nicht „gewinnt“. Deshalb fällt es uns später so schwer, ein Leben in Liebe, Vergebung und Dankbarkeit zu leben. Aber als Erwachsene können wir die Lektion neu lernen. Mitgefühl, Vergebung, Unschuld sind die kraftvollsten Prozessbeschleuniger der Welt.

Wie können wir Vergebung und Mitgefühl kultivieren?

Mitgefühl, Liebe, Vergebung – das ist ja unsere wahre Natur. Aber wenn du es wagst, dies zu leben, kommen alle deine Ängste hoch und sagen, dass das, was du zutiefst fühlst und weißt, kompletter Mist ist. Sie werden versuchen, dich mit Angst und Hoffnungslosigkeit zu überwältigen. Sie rasseln mit allen Ketten – aber du darfst dich davon nicht beeindrucken lassen. Halte deinen Fokus auf Vergebung und Mitgefühl. Fang mit dir selbst an. Anstatt dich innerlich niederzumachen, dass du etwas nicht geschafft hast oder dass du von negativen Gefühlen überwältigt wurdest, begegne dir selbst mit Vergebung und Mitgefühl. Gib dir selbst eine Umarmung. Geh weiter, und du wirst die wahre Kraft der Liebe in dir finden, die dich nie im Stich lässt.

Kindheitstraumata, schmerzhafte Erfahrungen, die eigenen negativen Tendenzen … wenn all das auf dem spirituellen Weg zum Vorschein kommt, scheint für Vergebung und Mitgefühl kein Platz.

Der spirituelle Weg ist die „Reise des Helden“ mit sämtlichen Höhen und Tiefen. Auch wenn alles hoffnungslos erscheint, halten die wahren spirituellen Helden an den tiefen, sanften Werten fest. Das Universum sorgt dafür, dass sie rechtzeitig aus dem eigenen Morast herausgezogen werden! Unterwegs verlieren jeder Held irgendwann jegliche Hoffnung. Aber am Ende triumphiert er, und wer mutig weitergeht, erreicht das Ziel der menschlichen Existenz, die Selbstverwirklichung.

Also stimmt es, dass Vergebung und ­Mitgefühl die Überholspur zur Selbst­verwirklichung sind?

Ja, absolut! Wahre Vergebung, Mitgefühl und Gefühle der Dankbarkeit machen unser Herz weich. Ein erweichtes Herz erlaubt es der Liebe, einzutreten. Es ist offen für Gott, die Wahrheit, das Tao … Oft liegt ein Panzer um unser Herz. Wenn wir uns auf Vergebung und Mitgefühl konzentrieren, schmilzt er dahin. Das ist mit Schmerzen verbunden und katapultiert unsere Ängste an die Oberfläche. Aber erst dann beginnen wir wirklich den spirituellen Weg.

 


Vergebung-Janet Hobbs

Premasudha Janet Hobbs ist Autorin ­spiritueller Bücher (“Beyond Therapy” – Jenseits aller Therapie), leitet Workshops, Meditationsgruppen und gibt Einzel-Sitzungen.

Sie lebt in Kanada und Indien (Ammas Ashram).

 

 

Veranstaltungen mit Premasudha Janet Hobbs (in englischer Sprache mit deutscher Übersetzung):

Vorträge:
Do, 9.4.2015, 19 Uhr: „Vergebung und ­Mitgefühl –
die kraftvollsten Prozess­beschleuniger für den spirituellen Weg.“

Do, 16.4. 2015, 19 Uhr: „True Female Power – die Kraft des Weiblichen“

Ort: AmmaTreff, Wundtstr. 13, 14059 Berlin,
Eintritt frei, Spenden willkommen

Workshop
Sa, 18.4.2015, 10-18 Uhr:
„Becoming Awake“: Sei, wer du wirklich bist!
Kosten: 70 Euro, ­Ermäßigung auf ­Anfrage

Info und Kontakt ­unter
Tel.: 0177-83 169 60 oder monica.riedel@gmail.com
www.thecompassionateshaman.com
www.berlin.amma.de

3 Responses

  1. Marion
    Verzeihen und vergeben - ein Riesenunterschied

    Generell finde ich es gut, Vergebung zu lernen und zu „Ver-Geben“.
    Vergebung hat aber nun wirklich gar nichts mit Verzeihen zu tun. Das ist ein himmelweiter Unterschied. Schade, dass das in dem Artikel nicht deutlich wird.

    Antworten
    • Philipp

      Ich finde das schade das du nicht begründest wo der Unterschied liegt. Den Artikel finde ich super .. Spiegelt meinen kompletten Tag wieder original mit allen Höhen und Tiefen <3

      Antworten
      • marion
        Der Unterschied zw. Vergebung und verzeihen

        Siehe hier:
        http://heilungslicht.jimdo.com/startseite/aktuelles/
        Dort liegt ein pdf zum Nachlesen
        Liebe Grüße Marion

Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*