„Wir sind dran“, ein Buch, das der Club of Rome zum 50-jährigen Bestehen her­ausgegeben hat, ist eine Schatzgrube von Anregungen für die Schaffung einer enkeltauglichen Welt-Gesellschaft.

„Es gibt einen Weg in eine bessere Zukunft“, sagt „Wir sind dran“, „Es ist die Verpflichtung von uns allen zu versuchen, diese bessere Welt zu schaffen.“ Eine eindeutige Aussage, die im Grunde ohne neu zu findende Mittel sofort, unmittelbar und allerorten umgesetzt werden könnte. Doch noch fehlt dieses Bewusstsein in der Bevölkerung und bei ihren Repräsentanten. Damit es erwachen kann, so der Club of Rome, braucht es eine neue Aufklärung, vergleichsweise fundamental wie die Aufklärung, die sich nach dem Mittelalter entwickelt hatte, um das starre Weltbild des Christentums zu überwinden.

Die Wachstumsideologie hat uns an den Rand des Verderbens geführt

Im Sinne der neuen Aufklärung gilt es nun, eine Weltwirtschaft zu entwickeln, die blühendes Leben innerhalb ökologischer Grenzen verwirklicht und universelles, ein alle Grundbedürfnisse erfüllendes Wohlergehen realisiert und soziale Gleichheit etabliert. Bereits 1972 hatte der Futurologe Richard Buckminster Fuller die grundsätzliche Frage gestellt: „Wie sieht eine Welt aus, die für 100 Prozent der Menschheit funktioniert?“

Solange man täglich mit Blockbuster-Katastrophenfilmen die Apokalypse an die Wand malt, Medien ihren Auftrag auf Schreckensmeldungen reduzieren und gewaltschwangere Com­puterspiele Kinder unterhalten dürfen, werden Menschen nicht lernen, wie sie friedlich, angstfrei und glücklich auf der Erde leben können. In den Kindergärten und Schulen müssen wir beginnen, andere Lehrinhalte zu vermitteln, aber vor allem menschliche Werte wie Fürsorge, Menschenwürde und Gemeinwohldenken. Menschen brauchen erstrangig nicht Konsum und Luxus, sondern Lebensbedingungen, die von Respekt, Vielfalt, Schönheit, Identität, Gemeinschaft, Herausforderungen, Anerkennung, Freude und Liebe getragen sind. Gerade der Mangel an solchen Werten entfacht den Wunsch nach materiellem Wachstum. Er soll die „inneren Wüsten“ (Papst Franziskus) und die psychische Verarmung kompensieren. Doch dieser seelische Notstand hat uns an die Klippe des Abgrundes geführt.

Eine Ehrfurcht vor dem Leben muss erwachen, aus der heraus eine nachhaltige Entwicklung wachsen kann. Damit einhergehen muss ein Streben nach Gerechtigkeit und Frieden. Formuliert wurden diese Grundsätze auch in der internationalen Erd-Charta2, die – wie jetzt der Club of Rome – darauf drängt, einen neuen zivilisatorischen Anfang zu wagen. Dazu muss man nicht gleich den Kapitalismus abschaffen wollen. Im humanistischem Management3 spricht man mittlerweile von einem „natürlichen und regenerativen Kapitalismus“. Im Kontext dieses Begriffes konzentrieren sich Firmen in ihrer Philosophie auf das gemeinsame Wohl und ei­nen gesunden Planeten. Auch das kostet wenig, lediglich eine bewusste Entscheidung und auf­richtige Absicht. Denn aus der Natur lernen heißt auch zu erkennen: Natur ist nachhaltig, weil sie regenerativ ist.

Nachhaltigkeit als Schlüssel zur Abkühlung des Klimas

Nachhaltigkeit erachten viele Firmen-Manager als unabdingbar für Fortbestand und Erfolg ihrer Firmen. Die Politik hinkt der Entwicklung weit hinterher. Nachhaltigkeit bedeutet, vor­handene Ressourcen optimal zu verwerten und, wo immer möglich, begrenzte Ressourcen durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen. Im Weiteren heißt es aber auch, den Verbrauch von Ressourcen dem tatsächlichen Bedarf anzugleichen und den Konsum-Terrorismus zu been­den.

Neu organisieren, neu gestalten: in der Energieversorgung, in der Ernährung, in der Landwirt­schaft, in der Warenproduktion; Kreisläufe schaffen, in denen bestenfalls keinerlei Abfall liegen­bleibt, sondern einer weiteren Verwertung zugeführt wird. Die Natur hat über Jahrmillionen hinweg geniale Prinzipien entwickelt, um stabile, gesunde und nachhaltige Systeme aufzubauen. Die sollten wir uns besser abschauen als vermessen zu glauben, wir könnten uns die Erde untertan machen – oder noch absurder: als könnten wir außerhalb der Natur agieren.

Weltweit muss eine Landschaftsgesundung einsetzen: Aufforstung, Bewaldung, Renaturierung. Es ist nicht das Kohlendioxid an sich, was schädlich ist. Ursache ist eine zerstörte Natur, die kaum noch imstande ist, Kohlendioxid zu speichern. Humusreiche Böden speichern weitaus mehr Koh­lendioxid als Monokulturflächen. Gesunde Wälder und gesunde Ozeane tun dasselbe. Wüstenbegrü­nung ist in diesem Zusammenhang eine der wichtigsten Projekte, denn alleine durch Bewässerung entstehendes Grasland kann pro Hektar jährlich eine Tonne Kohlendi­oxid speichern. Der Club of Rome spricht von 12 Milliarden Hektar, die weltweit ökologisch wie­derhergestellt werden müssen. Nicht nur, dass diese riesige Fläche als Kohlendioxidspeicher fungieren kann; durch ihre Renaturierung wirkt der Bewuchs mit Pflanzen und Bäumen direkt kühlend auf das Klima ein. Allein die Arbeit an der Regeneration von Land-, Wasser- und Waldressourcen würde zahlreiche regionale Oasen entstehen lassen, in denen Menschen sich langfristig ansiedeln und sich ein gesunder Le­bensraum entwickeln kann, der Armut und Hunger besiegt. Zahlreiche Pionierprojekte weltweit überzeugen, diesen Weg voranzutreiben. Ein einziges lokales und regeneratives Produkt hat die Kraft, einer ganzen Region Wohlstand und Lebensqualität zu ermöglichen.

Blue Economy

In Jahrmillionen haben die Natur und ihre Ökosysteme fast jede Herausforderung bewältigt. Daher ist die Natur eine unerschöpfliche Quelle an Inspirationen für die Bewältigung von ökologi­schen Krisen und Katastrophen. Gunter Pauli nahm sich diese Tatsache als Vorbild und veröffent­lichte unter dem Begriff Blue Economy einen Fahrplan an wirtschaftlichen Maßnahmen und Innovationen, die innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne umzusetzbar sind. Jahrzehntelange Erfahrungen in ökologischen und sozialen Systemen brachten ihn zu einigen Kernprinzipien für die Nutzung von Technologien im Einklang mit der Natur, die sich stets „von der Knappheit zur Fülle“ entwickelt.

Die Menschen müssen lernen, die Grundbedürfnisse mit dem abzudecken, was lokal verfügbar ist: Verwende, was du hast. Versorgungssicherheit ist ein zentrales Anliegen der Wirtschaft. Eine Ökonomie, die der Natur keine Zeit lässt, sich zu regene­rieren, kann nur in einen Kollaps führen; das Prinzip der Resilienz (das Abfederungsvermögen von Ökosystemen gegen äußere Stö­rungen) bricht unter derartigen Belastungen zusammen. Systeme der Wirtschaft zur Gewinnung und Nutzung von Energie, Nahrungsmitteln und Rohstoff-Ressourcen müssen vielmehr in Kreisläufe fließen, wodurch Res­sourcen effizient genutzt und Abfälle vermieden werden. Produkte der Wirtschaft sollten grundsätzlich erneuerbar, wiederverwendbar und organisch abbaubar sein. In der Natur gibt es keine Abfälle, denn jeder Stoff ist Teil eines biologischen Kreislaufs. Nur wenn sich die Wirtschaft dieses Prinzip zum Vorbild nimmt, ist eine neue Ära der Menschheit ohne Umweltzerstörung und Armut denkbar.

Zahlreiche Projekte der Blue Economy weltweit zeigen deutlich auf, dass diese Prinzipien auch in der Praxis Erfolg haben. Ein Beispiel ist die Wertstoffkette des Kaffees. Die Biomasse der Kaf­feepflanze dient als Nährboden für Ess-Pilze. Das verbrauchte Kaffee-Substrat lässt sich unter ge­ringer Aufbereitung zu Tierfutter verarbeiten. Außerdem dient Kaffeesatz zur Geruchsdämpfung, was man sich bereits in der Textilbranche zunutze macht. Dieses Prinzip lässt sich auf Dutzende von Kulturpflanzen übertragen. Werden Rohstoffe in dieser qualitativen Art verwendet, werden toxische Chemikalien vermieden und es entsteht eine Fülle von neuen Arbeitsplätzen in regionalen Wertstoffketten.

Der Club of Rome gibt weitere, höchst interessante und nachahmenswerte Beispiele von Projekten, die solche Wertstoffketten aufgebaut haben und natürliche örtliche Gegebenheiten zur Entwicklung nachhaltiger, regionaler Produkte nutzten.

Wir sind dran – Mit einer regenerativen Wirtschaft dem Klimawandel entgegenwirken

Sehr detailliert geht das Buch „Wir sind dran“ auf die dezentrale Energieversorgung ein. Aufschlussreiche Zahlen lassen deutlich erkennen, wie viel Energie und Emissionen sich durch un­terschiedliche Maßnahmen einsparen ließen. Der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ist für den Club of Rome ein unausweichlicher Schritt. Derzeit fließen jährlich 600 Milliarden US Dollar in de­ren Subvention, die umgehend in die Entwicklung der „Ökologischen Zivilisation“ (wie es China nennt und 2012 als Absicht in seiner Verfassung verankerte) umgelenkt werden müssen. Das Buch beschreibt, wie hoch das Einsparpotenzial an Energie tatsächlich ist. Mittels Passivhäusern beispielsweise lässt sich der Heizungsbedarf um 80 Prozent senken. Eine nachhaltige Architektur sollte Standard werden, denn allein durch relativ einfache Maßnahmen wie den Green Buildings, können Energie- und Wasserverbrauch von Gebäuden um 50 Prozent reduziert werden.

Eine regenerativen Wirtschaft fußt auf einer nachhaltigen Agrarpolitik, in der für humusreiche Böden und Artenvielfalt gesorgt wird und für qualitativ hochwertige Ernten keinerlei Agrochemikalien vonnöten sind. International wird eine ressourcen­schonende Landwirtschaft gefordert, um Umweltbelastungen weitgehend auszuschließen. Wo immer in Produktionsketten Ressourcen als Abfälle anfallen, sind sie viel effizienter zu nutzen, um Überproduktion, Verschwendung und Entsorgungskosten zu mindern. Nachwachsende Rohstoffe lassen sich in der Industrie als ökologische Ersatzstoffe verwenden, so dass erheblich weniger fossile, künstliche und/oder giftige Rohstoffe gebraucht werden. Beispielsweise lassen sich bestimmte Algen zu hochwertigem Rohöl verarbeiten, das fossile Brenn- und Kraftstoffe komplett ersetzen kann.

Abfälle gibt es in der Natur nicht. Für jeden Stoff stehen Lebewesen zur Verfügung, die Abfälle verwerten. Ressourcen effizient zu verwenden, ist ein zentraler Aspekt einer nachhaltigen und fairen Welt­wirtschaft und eines Natürlichen Kapitalismus. Der Einsatz von Trinkwasser ließe sich in vielen Anbau- und Ver­sorgungssystemen optimieren, sodass der Verbrauch der kostbaren Ressource erheblich gesenkt werden könnte. Bei einer intelligenten Verwertung von regenerativen Rohstoffen könnte durch einen einzelnen Rohstoff eine Kette von Produktionsstätten entstehen, bei der sämtliche Rückstände, die bislang Abfall sind, zu weiteren Produkten verarbei­tet werden. Projekte zeigen, dass auf diese Weise ganze Regionen in Wohlstand und Selbstbestimmung gebracht werden konnten.

Die Stadt des 21. Jahrhunderts ist regenerativ

Der Club of Rome macht auch darauf aufmerksam, dass Städte sich viel mehr Gedanken über die Herkunft der Güter und Ressourcen machen müssen; genauso über die Entsorgung ihrer Ab­fälle. Bisher sind Städte überwiegend Verbraucher von Ressourcen in großen Mengen. Städte sind angehalten, sich in eine Kreislaufwirtschaft miteinzubringen, indem sie dafür Sorge tragen, dass:

  • Bioabfälle auf Ackerflächen zurückgelangen.
  • Kohlenstoffemissionen in artenreichen Wäldern und humusreichen Böden aufgenommen werden können.
  • die städtische (urbane) Land­wirtschaft eine Wiederbelebung erfährt.
  • erneuerbare Energien mehr Strom in der Stadt produzieren als verbraucht wird.
  • die Stadt eine lebendige Verbindung zum regionalen Hinterland hat.

Das sei die moderne Stadt der Zukunft, eine Ecopolis, die regenerative Stadt, die sich an den Grundgesetzen der Ökologie orientiert. Städte von heute müssen zu einem gesunden Stoffwechsel befähigt werden, wenn ihre weltweite Expansion in Einklang mit Natur und Umwelt gebracht werden soll. Umland und innerstädtische Flächen sind die Quellen der Versorgung. Sie sind ökologisch effizient zu nutzen. Projekte, die die Machbarkeit dieser Forderungen untermauern und beweisen, gibt es mittlerweile zahlreiche. In Adelaide, Australien, gelang mit verschiedenen Maßnahmen eine beeindruckende, ökologische Wende, die nebenbei auch Tausende von Menschen in Arbeit brachte. In Kopenhagen entsteht ähnliches.

Wir sind dran – Es ist Zeit für einen ökologischen „Marshall-Plan“

Im nächsten Schritt geht „Wir sind dran“ auf Lösungen für den Klimawandel ein. Was kann getan werden, um die Erderwärmung zu begrenzen oder gar zu reduzieren. In Afrika und Asien haben bereits mehrere Projekte zur Wiederaufforstung von Karst- und Wüstengebieten be­gonnen. Eine systematische Intensivierung solcher Aufforstungen könnte vielen trockenen Regionen ihre Fruchtbarkeit zurückbringen und damit Hunger und Arbeitslosigkeit beseitigen – die häufigsten Ursachen für Flucht und politische Instabilität. Aber solche Maßnahmen reichen nicht aus, um die Erde vor den Kollaps zu retten. Ein ganzer Cocktail an Maßnahmen muss welt­weit ergriffen werden. Dazu gehören:

  • Wir sind dran, die standardisierte Nutzung regenerativer, erneuerbarer und dezentraler Energiequellen umzusetzen.
  • Subventionen für Ressourcen- und Abfalleffizienz in Bauwesen, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft. Eine fünffache Steigerung der Ressourcenproduktivität ist möglich.
  • intelligente Verkehrskonzepte und Verminderung der Autoabhängig­keit.
  • die kohlendioxidfreie Mobilität und Ausbau der Schieneninfrastruktur. Die Verlagerung von Langstreckenfracht auf die Schiene kann Emissionen um 85 Prozent senken.
  • Wir sind dran, eine globale, ökologische Agrarreform z.B. auf Grundlage der Erkenntnisse der Permakultur einzuleiten.
  • eine globale Kreislaufwirtschaft, die besonders nicht-ökologische Ressourcen und Abfälle anstatt Arbeit besteuert.
  • Förderung und Anreize für nachhaltige Investitionen.
  • Wir sind dran, eine Reform des Finanzsektors, bei der Finanztransaktionen besteuert werden und vom regulären Bank­geschäft wieder getrennt und dafür gesorgt wird, dass multinationale Unternehmen Steuern zahlen. Durch Steueroasen und Steuerschlupflöcher entgehen dem Staat und der Gesellschaft Steuern im Billionen-Dollar-Bereich.
  • Einführung eines Bedingungslosem Grundeinkommens als Ausgleich für den Wegfall von Arbeitsplätzen durch Globalisierung und Digitalisierung und als Transformator für ein neues Verständnis von Arbeit .
  • Einführung einer Gemeinwohl-Wirtschaft, die auf Menschenwürde, Solidarität, ökologi­sche Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Demokratie basiert.

Ernst Ulrich von Weizsäcker, Anders Wijkman u.a., Wir sind dran. Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen – Eine neue Aufklärung für eine volle Welt, ISBN 978-3-579-08693-4


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