„Tue deinem Körper etwas Gutes, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen“, forderte schon vor 500 Jahren die heilige Theresa von Avila. Oder, um es mit den Worten des deutschen Dichters Christian Morgenstern zu sagen: „Der Körper ist der Übersetzer der Seele ins Sichtbare.“ Massage ist dementsprechend eine der ältesten Heilkünste. Sie kann uns auf allen Ebenen des Mensch-Seins berühren und uns dort immer tiefer hineinführen.

Von Sabine Kuschel

 

„Wenn ein Mensch sich stößt, verletzt oder einen Muskel zerrt, wenn ihn Kopf- oder Bauchschmerzen plagen, dann reibt und knetet er instinktiv die betroffene Stelle. Die Massage gilt als eines der unmittelbarsten Heilverfahren, die der Mensch kennt. Sie lindert Schmerzen und wirkt direkt auf das Gewebe. Sie kann heilen – oder einfach nur entspannen.“1

Die gezielte Anwendung von Massagen zur Heilung hat ihren Ursprung sehr wahrscheinlich im Osten Afrikas und in Ägypten, China und Persien. Die ersten Erwähnungen finden sich bei Huánd Di, einem Chinesen, der bereits 2600 v. Chr. Massage-Handgriffe beschreibt. Daraus haben sich über die Jahrtausende in den verschiedenen Kulturen unterschiedlichste Richtungen entwickelt wie Reflexzonentherapie, Bindegewebe- und Periostmassage, Lomi Lomi, Hot Stone, Aromaöl-, Esalenmassage, Thaimassage und viele weitere.

Der schönste Text, den ich über Massage je gelesen habe, stammt von Osho aus seinem Buch „Sprengt den Fels der Unbewusstheit“. Er schreibt: „Massieren ist etwas, dass du zwar anfangen kannst zu lernen, aber du kommst nie an ein Ende. Es geht immer weiter und weiter, und die Erfahrung wird ständig tiefer und tiefer, höher und höher. Massage ist eine der subtilsten Künste – und es ist nicht einfach nur eine Sache der Kunstfertigkeit. Es ist mehr eine Sache der Liebe. Lerne die Technik – und vergiss sie wieder. Danach fühle nur und lass dich von deinen Gefühlen leiten. Wenn dein Lernen tief geht, werden neunzig Prozent dieser Arbeit durch Liebe geschehen, zehn Prozent erledigt die Technik. Durch die bloße Berührung, eine liebevolle Berührung, entspannt sich etwas im Körper.

Sei also andächtig. Wenn du den Körper eines Menschen berührst, sei andachtsvoll – als ob Gott selbst anwesend wäre und du ihm nur dienst. Ströme mit aller Energie. Und wann immer du spürst, wie der Körper in Fluss gekommen ist und die Energie eine neue Harmonie schafft, wirst du ein Entzücken spüren wie niemals zuvor. Du wirst in tiefe Meditation fallen.

Während du massierst, massiere nur. Denke nicht an irgendwelche anderen Dinge, denn das sind alles Ablenkungen. Sei in deinen Fingern, in deinen Händen, als würde dein ganzes Sein, deine ganze Seele sich dort sammeln. Lass es nicht nur eine Berührung des Körpers sein. Deine ganze Seele tritt in den Körper des anderen ein, durchdringt ihn, löst die tiefsten Verspannungen.

Beim Massieren trittst du mit der Lebendigkeit eines anderen Körpers in Verbindung und spürst, wo sie fehlt. Du hilfst der Körperenergie, nicht länger zersplittert, nicht länger im Widerstreit zu sein. Wenn sich die Energien des Körpers aufeinander einstimmen und zum Orchester werden, hast du dein Ziel erreicht.

Gehe also sehr respektvoll mit einem menschlichen Körper um. Er ist ein Tempel Gottes, der heilige Schrein. Lerne deine Kunst mit tiefer Ehrfurcht, mit Hingabe. Sie ist eines der schönsten Dinge, die du lernen kannst.“

Massage: Über den Körper die Seele berühren

Auch bei mir gibt es diesen Respekt und diese Liebe für den Körper. Meine eigene Geschichte mit der Massage fing 1993 als Gymnastiklehrerin an – Massage war eines meiner Lieblingsfächer.

Wir, die angehenden Lehrerinnen, haben die Läufer bei Marathons mit Sportmassagen betreut. Dann ging der Weg weiter über die Tanztherapie hin zu den Gefühlen und dem menschlichen Ausdruck, später zu Heilpraxis, Therapie und energetischen Heilmethoden. Immer mehr begann mich unser Gesamtpotential als Mensch zu interessieren – der irdische, körperliche Teil genauso wie unser spiritueller, nicht manifester Bereich. Zunehmend sah ich auch meine Aufgabe darin, Menschen auf ihrer manchmal sehr turbulenten Lebensreise zu begleiten. Daher auch der Name meiner Massagepraxis: „TouchYourSoul – berühre deine Seele“. Er ist eine Einladung, über eine achtsame Berührung des Körpers auch mit der seelischen Ebene in Kontakt zu kommen und die verschiedenen Aspekte des Mensch-Seins zu verstehen und zu leben. Oft hat die Seele auch Botschaften, die sie über den Körper zu vermitteln versucht. In der Entspannung, zum Beispiel nach einer intensiven Massage, kann man dann viel besser „lauschen“.

Massage ist auch eine natürliche und uralte Form, um im Menschen die Selbstheilungskräfte zu mobilisieren und zu unterstützen. Berührung ist schließlich eine Sprache, die wir verstehen, lange bevor wir mit Worten kommunizieren. Die Massageangebote in unserer Praxis haben auch daher einen ganzheitlichen Ansatz. Das heißt, dass wir den Menschen in seiner Gesamtheit wahrnehmen, im Zusammenspiel seiner körperlichen, emotionalen und geistigen Ebene. Hier liegt die Kraft, durch diese Komplexität der Berührung im Klienten Entspannung, Regeneration und Lust zum Wandel anzuregen.

Vor dem „Erkenne dich selbst“ kommt das „Begegne dir selbst“!

Meine Lieblingsbehandlung ist daher auch die Bodymatrix, eine von mir entwickelte Methode, in der tiefe strukturelle Körperarbeit und Massage mit energetischen Methoden und einer Balancierung der Chakren verbunden wird. Es ist sehr berührend, Menschen in diesem Prozess zu begleiten und ihre Begegnung mit sich selbst zu erleben. Viele Klienten in unserer Praxis sind als reine „Massagekunden“ gekommen und dann immer tiefer in das Abenteuer der Selbsterkundung eingestiegen.

Was erleben Menschen eigentlich, wenn der Körper mehr und mehr entspannt und beispielsweise mit warmem Öl von achtsamen Händen berührt wird? Oft nehmen sich die Klienten als weiten ausgedehnten Raum wahr, als eine Präsenz, die jenseits des Körpers existiert. Eine Präsenz, die liebend und frei von Urteilen ist und einlädt, sich immer mehr selbst zu lieben.

Eines der berührendsten Feedbacks in dieser Hinsicht war das einer Klientin: „Ich bin nicht nur dieser Körper, ich bewohne ihn wie mein Haus und bin in der Lage, die absolute Identifizierung mit ihm zu lösen. Auf einmal ging eine neue Tür auf. Ich bin ein weiter Raum, der sich unendlich ausdehnt und alles halten kann – Gefühle, Gedanken, Empfindungen, andere, die ganze Welt, den Kosmos – Ich bin das Leben. Alles ist in Liebe verbunden. Deine Hände haben mich eingeladen, mich ganz da hinein fallen zu lassen, darin zu baden, mich darin aufzulösen und völlig zu vertrauen. Es war wie zutiefst nach Hause zu kommen, um dann festzustellen, dass ich es nie wirklich verlassen habe.“

Zu Beginn einer Behandlung werden Bedürfnisse und Befinden des Klienten angesprochen, um zu schauen, was er mitbringt, um welches Thema es gehen soll. Danach kann er entscheiden, ob er einfach eine Massage genießen will oder einen tieferen Prozess wünscht – und ist dann eingeladen, aktiv mitzuwirken. Er ist aufgefordert, seinen Atem bewusst wahrzunehmen und auf Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen zu achten. Einige Klienten beschreiben innere Bilder, die manchmal wie ein Lösungsangebot oder eine tiefere Einsicht zu ihnen kommen.

Aus dem Weg gehen

In den über 25 Jahren, in denen ich mich intensiv mit Massage, Körpertherapie und Bewusstseinsarbeit beschäftige, fasziniert mich am meisten, dass Heilung dann passiert, wenn ich aus dem Weg gehe. Wenn ich es schaffe, die Menschen, die zu mir kommen, genau durch das gehen zu lassen, wodurch sie im gegenwärtigen Moment gehen müssen.

Oft sind sie müde, erschöpft vom Kämpfen, sind es leid, sich immer zusammenzureißen, eine Fassade hochzuhalten. Durch den angebotenen offenen Raum und die Berührung wird es möglich, dass starke Energiewellen in ihrem Körper losgelassen werden können. Ich habe manchmal das Bild einer riesigen goldenen Schale, in die die Klienten energetisch alles hineinlegen dürfen. Es geht dann nicht um eine bestimmte Massagetechnik, sondern darum – wie Osho das oben beschrieben hat –, einfach präsent zu bleiben, wenn sich beim Klienten Wellen von Traurigkeit, Angst, Scham, Hoffnungslosigkeit oder auch Lebendigkeit, Freude und Kraft zeigen.

Oft braucht es nichts als eine angstlose Präsenz und das energetische Aussenden, dass mir nichts Menschliches fremd ist. Ich bin während der Berührung in jedem Moment ganz mit ihnen und versuche nicht, sie zu heilen, zu ändern, zu verbessern oder das zu stoppen, was sie gerade erleben. Ich wertschätze immer die Kraft, die sich in ihnen bewegt, und vertraue der unvorhersehbaren Intelligenz der Heilungskräfte im Universum. Manchmal wird Energie zuerst sehr stark und ist vielleicht kaum auszuhalten, bevor sie sich verausgabt und still(er) wird.

Es sieht manchmal nach Chaos und Verwirrung aus und ist oft nur ein notwendiges Loslassen und eine intelligente Neuorganisation eines blockierten Systems. Der Körper öffnet sich und ist in der Lage, mehr Leben, Kraft und Energie zu halten. Dann ist es unterstützend, wenn ich als „Reisebegleiterin“ mit meiner anteilnehmenden Präsenz die Klienten an ihre eigene anteilnehmende Präsenz erinnere.

Ich weiß, dass das, was sie wirklich ist, nicht gebrochen werden kann und nicht repariert werden muss, und bereite ihnen ein sicheres Feld, in dem sie aus dem Chaos ihres Alltags aussteigen können und in ihren Körper hineinatmen dürfen, um in ihre eigene Präsenz zu fallen: stabil, frei, geerdet, furchtlos, ganz hier und mit der Anbindung an den Himmel. So können sie sich wieder verbinden mit dem, was schon immer geheilt ist, immer ganz ist – ihrer wahren Natur. Dann kann authentisches Selbst- Mitgefühl entstehen, im Annehmen, was ist, es gut sein lassen, so, wie es gerade ist. Auch wenn das erst einmal nur in diesem Moment der Berührung möglich ist, der sich aber mit der Zeit weiten darf, bis er vielleicht zu einer neuen Ebene des Körper- und Sein- Empfindens wird.

 

1 aus: Planet Wissen

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