Die SchülerInnen der Fridays for Future Bewegung haben in Berlin ihre ersten Forderungen zum Klimaschutz an die Politik gestellt. Konkrete Maßnahmen, wie diese Forderungen umgesetzt werden sollen, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten und die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, benannten die jungen Klimaktivisten jedoch nicht. Sie delegieren diese Aufgabe an die Wissenschaft und die Politik. Können Politik und Wissenschaft allein die Erwartungen von Fridays for Future erfüllen? Sind nicht die Ideen, das Engagement und das Zusammenspiel aller gesellschaftlichen Kräfte gefordert, wenn es um den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen geht?

von Aman

Die ersten Forderungen der Fridays for Future Bewegung zum Klimaschutz haben es in sich:

• Abschaltung von 25 Prozent aller Kohlekraftwerke bis Ende 2019
• Komplettausstieg aus der Kohlekraft bis 2030
• Umstellung der Energieversorgung bis zum Jahr 2035 auf 100 Prozent erneuerbare Energien
• Einführung einer CO2-Steuer, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen
• Einstellung der Subventionen für fossile Energieträger

Diese Forderungen wurden zusammen mit Klimawissenschaftlern erarbeitet und gelten aus Sicht der streikenden Kids als nicht verhandelbar. Der Politik wurde nun zugewiesen, zusammen mit der Wissenschaft, umgehend Maßnahmen zu erarbeiten, die geeignet sind, die Klimaziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Der Apell der Klimakids richtet sich jedoch an zwei Institutionen, die allein den Wandel nicht werden herbeiführen können. Die Wissenschaft ist sich keineswegs darin einig, in welchem Umfang der Klimawandel durch den Menschen verursacht wird. Allein die kontrovers geführten Debatten unter Wissenschaftlern im Umweltausschuss des deutschen Bundestages lassen befürchten, dass vorerst weiter nur geredet statt gehandelt wird. Zu unterschiedlich sind die Positionen, die dort Gehör finden und Zweifel nähren, anstatt diese auszuzräumen und damit auch die politischen Entscheidungsträger zu beeinflussen.

So ist es nicht verwunderlich, dass die Politik auch unter der Einflussnahme der Industrielobby nur halbherzige Entscheidungen trifft, wenn es um den Schutz des Klimas geht. Was ist von einer Kanzlerin in den letzten beiden Jahren ihrer Regierungszeit bis zur Bundestagswahl 2021 zu erwarten, die – noch 2008 gegen alle Warnungen der Klimaforscher und Umweltorganisationen zum Trotz – den Bau von neuen Kohlekraftwerken forderte. Gab unsere Kanzlerin nicht einmal zum Besten, dass sie erst dann eine Entscheidung trifft, wenn sie eine Sache zu 100 Prozent durchdacht hat? Offensichtlich reicht ihre Folgenabschätzung nicht weit genug in die Zukunft hinein.

Wie lässt sich rechtfertigen, dass die CDU/CSU 2010 zusammen mit dem damaligen Koalitionspartner FDP entschied, eine Anpassung des EEG (Erneuerbare- Energien-Gesetz) zu Gunsten der Industrie und Energiekonzerne und zu Lasten der Verbraucher durchzuführen? Aufgrund dieser Gesetzesänderung besteht bis heute die Situation, dass der Staat, der einerseits die Mindestpreise für den Strom aus erneuerbaren Energien festlegt, nun den Verkauf des EEG-Ökostroms über die Strombörse vorschreibt. Dies führt dazu, dass der Ökostrom als sogenannter Graustrom im Stromhandelsgeschehen untergeht und jeder Stromhändler Ökostrom handeln kann, obwohl er physisch keinen Ökostrom einkaufen muss. Der Ökostrom wird nun dem konventionellen Strom aus Kernenergie, Braun- und Steinkohle quasi beigemischt und nicht mehr separat zum Handel angeboten. Diese Neuregelung des Strommarktes ging von den Betreibern der konventionellen Kraftwerke aus, die ihren Strom immer weniger am Markt platzieren konnten, da die Nachfrage nach Ökostrom massiv zunahm. Nun wird der Strom aus allen Quellen zum einheitlichen Preis an der Strombörse gehandelt. Der Wettbewerbsdruck für die konventionellen Kraftwerksbetreiber wurde beseitigt.

Die Differenz zwischen dem staatlich garantierten Mindestpreis für Strom aus erneuerbaren Energien und dem niedrigeren Börsenpreis treibt aber nun den Strompreise für die Haushalte und den Mittelstand in die Höhe. 2009 lag diese Differenz noch bei 1,31 Cent/kWh, im Jahr der Gesetzesänderung 2010 schon bei 2,05 Cent/kWh. 2018 mussten die Haushalte und mittelständische Unternehmen bereits 6,79 Cent/kWh mehr bezahlen. Stromhändler und Industrie profitieren nun einseitig vom aktuellen Rekordtief an der Strombörse (zur Zeit 2,9 Cent/kWh), während die Verbraucher hohe Strompreise beklagen (zur Zeit 29,12 Cent/kWh), da sie die unfairen Mechanismen im Stromhandel nicht durchschauen. (Hier wird gut erklärt, wie das EEG funktioniert: www.iwr-institut.de/de/presse/presseinfos- energiewende)

Die Politik allein wird es nicht richten – Fridays for Future selbst muß handeln

Vor diesem Hintergrund kann die Fridays for Future Bewegung der derzeitigen Politik in der Frage des Klimaschutzes nur geringe Handlungskompetenz zubilligen. Die Bewegung selbst wird Maßnahmen definieren müssen. Den Wandel werden die Klimakids nur gemeinsam mit allen zur Verfügung stehenden gesellschaftlichen Kräften herbeiführen können. Viele gute Ideen sind gefragt, die mit Beharrlichkeit und – warum auch nicht – mit Witz umzusetzen sind. Es gilt schließlich, die Bevölkerung jeden Alters und durch alle Schichten hindurch für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen zu elektrisieren.

 

„Fridays for Future“ fordert das Ende der Subventionen für fossile Energieträger. Dies ist mehr als berechtigt. Aber auch die Subventionen für die Industrie, die in den Genuss einer Begrenzung der EEG-Umlage kommt, müssen auf den Prüfstand.

2.209 Unternehmen mit einem Strombezug von 119 Terawattstunden – ein Fünftel des gesamten deutschen Stromverbrauchs – profitierten 2018 von dieser Ausnahmeregelung. 5.000.000.000 Euro Umlagezahlungen werden den Haushalten und kleinen und mittelständischen Betrieben aufgebürdet, die diese Milliarden mitfinanzieren müssen. Auf keiner Stromrechnung wird ausgewiesen, dass z.B. Großschlachtereien, Futtermittelproduzenten, Hersteller von Plastikverpackungen und Ölkonzerne wie Shell oder ExxonMobile subventioniert werden. Eine Forderung von Fridays for Future könnte daher sein, die Subventionierung des Industriestroms durch die Haushalte abzuschaffen, in dem diese besonders stromintensive Industrie aufgefordert wird, Schritt für Schritt auf die Begrenzung der EEG-Umlage zu verzichten, stromsparende Technik einzusetzen und selbst in die Stromproduktion mittels erneuerbarer Energieträger einzusteigen. Warum werden Dachflächen von Industriebauten kaum für Fotovoltaikanlagen genutzt? Hier muss sich etwas ändern.

Eine weitere Maßnahme von Fridays for Future könnte sein, den gigantischen Immobilienbesitz der öffentlichen Hand und damit bisher nicht genutzte Dachflächen zur Stromerzeugung heranzuziehen. Die Energiewende kann wesentlich beschleunigt werden, wenn es zur Regel wird, auf den Dächern von Schulen, Universitäten und jedem anderen öffentlichen Gebäude, z.B. Rathäusern, Finanzämtern, Krankenhäusern, Kasernen, Bahnhöfen usw. Solaranlagen zu installieren, die einen Teil der Energieversorgung des jeweiligen Gebäudes bereitstellen. Die Investitionen könnten beispielsweise zur Hälfte von den Bürgern der jeweiligen Stadt oder Gemeinde und zur anderen Hälfte vom Staat finanziert werden.

Die Rücklagenfonds des Staates schreiben Verluste

Zur Finanzierung von Vorhaben in den Klimaschutz sind die Rücklagenfonds des Bundes und der Sozialkassen zu nennen, die aktuell über 156 Milliarden Euro an brachliegendem Kapital verfügen, keine nennenswerten Zinserträge erwirtschaften oder sogar Verluste schreiben. Hierbei sei speziell der Atom-Entsorgungsfonds genannt, der mit einem Kapital von 24 Milliarden Euro aus den Zahlungen der Kernkraftwerksbetreiber im Jahr 2017 gestartet ist. Trotz der Tatsache, dass namhafte Experten aus der Finanzbranche mit langjähriger Erfahrung in der Vermögensverwaltung angeheuert wurden, schrieb der Fonds von Sommer 2017 bis Ende 2018 über 50 Millionen Euro Verluste.

Auch gelang es den Managern in den eineinhalb Jahren des Bestehens lediglich, 4,2 Milliarden Euro von vorhandenen 24 Milliarden Euro an den Kapitalmärkten in Form von Aktien, Unternehmens- und Staatsanleihen anzulegen. Ende 2018 waren noch 19,2 Milliarden Euro an Barmittelbestand vorhanden. Dies hatte zur Folge, dass der Fonds 125 Millionen Euro für Negativzinsen an die Bundesbank überweisen musste. Statt zu wachsen, schmilzt das Kapital, das für die Kosten der Endlagerung des Atommülls benötigt wird, dahin, weil der Staat in Zeiten von Null- und Negativzinsen nicht in der Lage ist, dieses Geld sinnvoll anzulegen. Mit den Investitionen aus den Rücklagenfonds in seine eigene Energiewende würde der Staat Generationengerechtigkeit signalisieren. Die Rücklagenfonds zur Finanzierung zukünftiger Aufgaben erlitten keine Verluste mehr. Die Stromversorgung der öffentlichen Gebäude würde klimafreundlich erfolgen und die „Generation Klima“ hätte erreicht, den Staat für den Schutz des Klimas im wahrsten Sinne des Wortes zu elektrisieren. Die hier genannten technischen Maßnahmen wären rasch umsetzbar und könnten eine breite Unterstützung in der Gesellschaft erfahren.

„Grüne“ Technik allein wird uns nicht retten

Eines sollte allen Streitern für den Klimaschutz jedoch bewusst sein: „Grüne“ Technik allein wird unsere Lebensgrundlagen nicht retten. Der Glaube, dass Technik allein unsere Probleme lösen wird, wird höchstwahrscheinlich zur Auslöschung der Natur in ihrer Vielfalt, des Ineinandergreifens ihrer Systeme und ihrer Fähigkeit zur Selbstorganisation führen. Das Mysterium Natur, wie wir es heute noch kennen, kann uns verloren gehen. Letztendlich geht es nicht darum, ob der Klimawandel menschengemacht ist oder nicht. Es geht darum, dass wir einen achtsamen Lebensstil führen, der ressourcenschonend ist und uns nicht von der Natur entfernt.

Die Selbstheilungskräfte der Natur rufen nach Unterstützung

Die Jugendbewegung „plant-for-the-planet.org“ hat eine Heilpflanze gegen die Klimakrise entdeckt: den Baum. Ziel der jungen Organisatoren ist es, gemeinsam mit anderen weltweiten Baumpflanzungsprojekten (trilliontreecampaign. org), bis zum Jahr 2023 eine Billion Bäume zu pflanzen, mit dem Ziel, das Klima zu stabilisieren. Bäume lagern CO2 ein, speichern Wasser, kühlen mit ihrer Verdunstung das regionale Klima und sorgen mit ihrem Laub für die Grundlage einer Humusbildung, die wiederum CO2 einlagern kann.

Eine weitere Idee, mit der der Klimaschutz forciert wird, ist „Die Gute Schokolade“. Plant for the Planet lässt „Die Gute Schokolade“ in Eigenregie in der Schweiz produzieren. Hersteller und Handel verzichten auf ihren Gewinn, und davon pflanzt Plant for the Planet neue Bäume. Fünf Tafeln Schokolade ergeben einen Baum. Mittlerweile ist „Die Gute Schokolade“ die meistverkaufte Fair- Trade-Schokolade in Deutschland. Das Prinzip der „Guten Schokolade“, einen Teil des Gewinns für die Klimastabilisierung durch Baumpflanzungen einzusetzen, könnte auf jede Dienstleistung oder jedes Produkt übertragen werden. Und zwar weltweit. Banken, Versicherungen, Vermögensverwalter, die Internetwirtschaft wie z.B. google oder amazon, der Gewinn aus dem Kauf eines Sofas bei Ikea oder einer Tasse Kaffee – jede wirtschaftliche Tätigkeit wäre damit in die Pflicht genommen, ihren Teil zum Erhalt der Lebensgrundlagen beizutragen, und würde von der streikenden Jugend vor die Wahl gestellt, ein Teil der Lösung zu sein oder ein Teil des Problems zu bleiben. Mit allen Konsequenzen für deren Zukunftsfähigkeit.

Infos unter https://fridaysforfuture.de/

9 Responses

  1. Andreas
    Lösungen

    Gerne mache ich ( ) Vorschläge, vielen Dank für die Einladung, genau darum geht es Lösungen.

    Antworten
    • Rolsnd
      Unsetzbarer Plan kein Wunschdenken.

      Lösungen wäre echte Demokratie Verwirklichen mit einer Wirtschaft für alle ohne Politiker ohne Parteien nur Bürgetparlamente https://neo-partei.de vom Obdachlosen bis zum superreichen Wohlstand für alle.

      Antworten
      • Raimar Ocken
        Zwischenmenschlichkeiten verbessern, anstatt von Demokratie zu träumen.en

        „Wohlstand für alle“ war auch das Thema von Ludwig Erhard in den 1950er- und 1960er- Jahren. Das ist dann ab den 1970er-Jahren immer mehr zusammengebrochen. Weil „alle“ ihr erhofftes Glück am Geld festmachen, anstatt an gesunden zwischenmenschlichen Begegnungen und Beziehungen.

  2. Andreas

    Wenn uns diese schwedische Göre also ein schlechtes Gewissen einreden will, hätte sie wenigstens über die größten Umweltkiller sprechen sollen.

    (1) Die industrielle, monokulturell Intensivlandwirtschaft – für Futtermittel werden weltweit Regenwälder abgeholzt, durch Dünger wird das Grundwasser vergiftet, das über die Flüsse ins Meer geleitet wird und dort Meereswüsten entstehen lässt. Pestizide töten Insekten. ( ) Wenn die Insekten weg sind, ist es der Mensch bald auch.

    (2) – ist die Großindustrie: Öl, Atom, Chemie, Pharma, Technologie. Für die Erdölgewinnung aus Ölsand werden in Kanada Wälder von der Größe Baden-Württembergs gerodet, durch Fracking Grundwasser vergiftet usw.

    (3) ist Atommüll, Zivilisationsmüll und vor allem Plastikmüll. Der größte Hauptverursacher ist hier China.

    (4) heißt Verkehr, zuerst Schiffs-, dann Flug-, dann Individualverkehr.

    Hinzuzufügen wären noch Kriege (Uranmunition) und der Ausbau von 5G .

    Und es gibt für alles schon Lösungen, welche noch unterdrückt werden oder noch nicht bekannt sind.

    Das lässt sich aber nur erreichen wenn die Ausbeutung der Erde unprofitabel ist. Das Problem ist also, das Geldsystem in eine Richtung zu ändern. Nicht gegen das Alte zu kämpfen, sondern, das Neue, Bessere bekannt zu machen und uns dafür zu engagieren. Das gilt für alles. In Zeiten wie diesen ist die Gefahr, dass wir unsere Aufmerksamkeit aufs Schlechte richten, es bekämpfen und es damit fördern.

    ( ) Wir brauchen Lösungen und Ideen die Freude und Zuversicht verbreiten und kein Panikorchester von instrumentalisierten jungen Menschen mit sicherlich guten Absichten.

    Antworten
  3. Raimar Ocken
    Klimastreik Fridays For Future

    Ich finde den Artikel gut.
    Es ist okay, denke ich, dass die Kids (FFF) gegen „ihre Eltern“ protestieren. Was wir jedoch dringender benötigen, sind Lösungen.
    Es wäre gut, wenn zum Beispiel Extiction Rebellion Germany sich eindeutschen und Lösungen erarbeiten und umsetzen würden.
    Daran müssen wir arbeiten.

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    • Aman
      Ja, Lösungen!

      Macht selbst Vorschläge, wie wir dem Kimawandel und dem Artensterben entgegentreten können.
      Es sei hierzu ein aktueller und bewegender 99 Minuten Dokumentarfilm auf ARTE empfohlen:
      „Die Erdzerstörer“

      Eine Zusammenfassung der vergangenen 200 Jahre Industriegeschichte.
      Warum es so kam wie es kam und warum wir sind, wie wir sind.

      Auf Arte-TV noch in der Mediathek bis zum 28.06.2019
      https://www.arte.tv/de/videos/073938-000-A/die-erdzerstoerer/

      Antworten
      • Raimar
        Lösungen, die "keiner" umsetzen will

        Bin seit über 30 Jahren am Thema. Schau(t) einfach mal:

        http://www.anders-leben-lernen.info

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