Wenn man die seltene Gelegenheit hat, an einer Heil-Zeremonie mit einem erfahrenen Baum-Schamanen aus dem Amazonas-Gebiet teilzunehmen, zögert man nicht lange – wie unser Autor, dem der Kontakt mit den Helferpflanzen des Schamanen eine intensive und extreme Erfahrung bescherte.

Ich hatte bereits viel über den amazonischen Schamanismus gelesen und gehört, viele Mythen schwirrten mir im Kopf herum, als ich im Seminarhotel, idyllisch am Wald gelegen, eintreffe. Meine Ängste vor der kommenden Erfahrung werden durch die herzliche Begrüßung erst einmal abgebaut, ich fasse sofort Vertrauen zu Don Pedro, dem Schamanen oder Curandero, wie er sich nennt. Er ist ein stämmiger, für sein Alter enorm gesund und vital aussehender Mann, macht auf mich einen bodenständigen und einfachen Eindruck. Wir kommen sogleich ins Gespräch und er erzählt seine Geschichte – die ganze Zeit über werden uns seine Geschichten immer wieder begleiten.

Initiationen zum Schamanen

Bereits sein Vater und sein Großvater waren große Curanderos oder Hexer, wie er manchmal sagt, mit sechs Jahren träumte er bereits von den Pflanzen des Dschungels, hatte viele Jahre Kontakt mit Geistern. Mit 18 bekam er von seinem Vater erste Anweisungen und Initiationen, mit 24 unterzog er sich einer, wie er sagt, 28-monatigen Diät ohne Salz und Zucker, sich nur von 2 Bananen und 2 Fischen pro Tag ernährend, völlig allein ohne menschlichen Kontakt im Dschungel lebend und von den Pflanzen lernend, was ihn mehrfach an den Rand des Todes brachte und mit den Abgründen der Existenz aufs Tiefste konfrontierte. Durch das Essen der Rinde und Wurzeln von Bäumen kam er in Kontakt mit dem Bewusstsein der Meister-Pflanzen, wie er sie nennt, machte eine tiefgehende Transformation durch und wurde so zum Heiler.

Zusammenarbeit mit Pflanzen-Geistwesen

Der Curandero arbeitet mit ihm von Geistwesen übertragenen Heilkräften und mit den Heilkräften der Pflanzen, und mir wird klar, dass er mehrere Rollen integral ausfüllt, die bei uns von Spezialisten übernommen werden: Er ist gleichzeitig Arzt, Therapeut, Priester & Pharmazeut. Don Pedro ist spezialisiert auf Psychosomatik, hat auch Klienten mit Krebsdiagnose, die auf die herkömmliche Chemotherapie verzichten und sich stattdessen ihm anvertrauen. Konkrete Heilerfolge konnte ich nicht miterleben oder gar überprüfen, mir wird von einer Frau aus Österreich berichtet, deren schwerer Leberkrebs im Endstadium im Dschungel behandelt wurde und nach einem Jahr nicht mehr nachweisbar gewesen sein soll. Don Pedro sieht Krankheiten als Ausdruck von vor allem psychischen Konflikten, seine Sicht unterscheidet sich so kaum von westlichen psychosomatischen Ansätzen. Nur in der Behandlung hat er eben seine eigene „Vorgehensweise“: Er nimmt Kontakt zu Geistern auf, die ihm dann bei der Heilung des Patienten helfen.

Man teilt die Schamanen im Amazonas in 4 Richtungen ein:
– Die wohl bekanntesten, die „Ayahuasqueros“ (die Mehrzahl der im Amazonasgebiet tätigen Curanderos) arbeiten ausschließlich mit Ayahuasca, der auch bei uns im Westen inzwischen bekannten hochwirksamen Heilpflanze mit stark entheogener (das Göttliche enthüllender) Wirkung
– Die Blumen- und Parfümleute nutzen Blumen und deren Inhaltsstoffe
– Die Tabak-Leute verwenden Tabaca Rustica
– Die Baum-Curanderos, und als solcher begreift sich Don Pedro, setzen verschiedenste Meisterpflanzen ein, die sie in ihrer Dschungel-Diät kennen gelernt haben.

Helferpflanzen: Eine falsche Dosis kann tödlich sein

Die Baumschamanen nehmen eine Sonderstellung ein, da sie bereits durch Tabak-Rauchen in einen Zustand geraten, in dem sie heilen können, also auch ohne Medizin. Sie sind aber selten, so dass die meisten Curanderos eben mit Ayahuasca heilen, da es sanftmütig ist, Fehltritte verzeiht und der Schamane in der Ausbildung nicht eine solch rigorose Diät einhalten muss. Der Baumweg hingegen gilt als sehr gefährlich, bereits eine geringfügig falsche Dosis kann tödlich sein. Er warnt uns vor Nebenwirkungen wie stärksten motorischen Störungen, Übelkeit, Durchfall und Sensationen wie dem Gefühl eines Erdbebens. Psychisch könnten beunruhigende Visionen einsetzen, uns wilde Tiere bedrohen, Geistwesen auftauchen und Krankheiten bearbeiten oder ungelöste Kindheitstraumata hochkommen. Er arbeite mit dem Heiligen Geist zusammen, nicht mit dem Teufel.
Für mich als vermeintlich aufgeklärten Westler klingt das alles nicht gerade beruhigend und ich überlege, ob es nicht eine gute Idee wäre, schnellstens zu verschwinden, vielleicht ist er einfach nur ein Verrückter? Aber dann wären der enorme Anreise-Aufwand und meine vorhergehende mehrtägige Diät umsonst gewesen, außerdem scheinen die anderen Teilnehmer frühere Zeremonien gut überstanden zu haben. So fasse ich wieder Vertrauen und beschließe, die Teilnahme zu riskieren.

Licht aus: Der Flug geht los

Am Abend, nach der Vorbesprechung und einer Vorstellungsrunde, soll es nun wirklich losgehen, und mir wird etwas flau im Magen ob der diversen Warnungen. Zunächst erhalten wir alle einen Tee mit einer Reinigungspflanze, die „Huancavi Sacha“ genannt wird. Die Teilnehmer wünschen sich noch eine gute Zeremonie, kurze Zeit später geht das Licht aus, wir sitzen in völliger Dunkelheit. Entgegen meiner Erwartung hatte mir der Tee einigermaßen geschmeckt, jedenfalls war es kein Problem gewesen, ihn zu schlucken, wie es bei anderen oft der Fall sein soll. So bin ich frohen Mutes, den Eimer nicht benutzen zu müssen, der unter meinem Stuhl bereit steht, falls mir übel wird.
Dann geht es auch schon los. „Schnallen Sie sich an, der Flug geht los“, höre ich Don Pedro witzeln. Aus verschiedenen Ecken des Raumes höre ich, wie sich etliche Teilnehmer erbrechen, die angekündigte Reinigung setzt ein. Gleichzeitig beginnt der Curandero mit seinen Gesängen, den sogenannten Icaros, von denen die eigentliche Heilwirkung ausgehen soll, und dem Klatschen seines Instrumentes, der Shapaca. Nach und nach gerate ich in einen eigentümlichen, tief tranceartigen Zustand, die alltägliche Realität zieht sich langsam zurück.

Erbrechen bis zur totalen Erschöpfung

Die Hoffnung, dass mein Körper die Reinigungspflanze ohne großartige Reaktion annimmt, erfüllt sich nicht. Plötzlich wird auch mir übel, und zwar in einem Ausmaß, wie ich es seit langem nicht erlebt habe. Ich muss mich wieder und wieder erbrechen, habe Durchfall, und ich entwickle dagegen enormen Widerstand. Der Wunsch, es möge einfach nur aufhören, wechselt mit der Frage, ob ich masochistisch veranlagt bin, warum ich mir das antue. „Hier lerne ich Hingabe“ kommt mir immer wieder in den Sinn. Zum Glück gibt es eine nette Helferin, die mich unterstützt, als die Motorik beim Laufen versagt.
Gleichzeitig bin ich in tiefer Trance und habe das Zeitgefühl verloren, die normale Realität ist nicht mehr voll greifbar, was ich in solcher Stärke noch nicht erlebt habe. Immer wieder ertönen die Icaros und das Rasseln des Instrumentes versetzt uns aufs Neue in andere Bewusstseinsebenen. Abgesehen von dem extrem elendigen Gefühl meines Körpers, das mich sehr beschäftigt, treten nun auch andere Phänomene auf, meine Erwartung an diese Erfahrung erfüllt sich tatsächlich. Zunächst ist die akustische Wahrnehmung sehr verfeinert, ich nehme auch Geräusche wahr, die nicht von der materiellen Ebene stammen.
Später erfahre ich auf meine inneren Fragen hin starke Visionen und Einsichten in das Leben, begegne fremden Entitäten und lebendigen, götterhaft-archetypischen Masken, die mir seltsam bekannt vorkommen, sehe das Universum aus einer völlig ungewohnten, stark erweiterten Perspektive.

Existenz außerhalb von Zeit und Form

Zu jedem Zeitpunkt ist dabei der Beobachter, der Zeuge, das, was wir als „Ich-Instanz“ wahrnehmen, völlig intakt und ich fühle mich nicht im psychischen Kern bedroht oder habe Angst, verrückt zu werden. Ganz im Gegenteil habe ich die klare Gewissheit, dass mein wirklicher Kern nicht bedroht werden kann, auch wenn der Körper oder die äußere Form zerstört werden würden. Ich existiere außerhalb von Zeit und Form, der Schleier der normalen Identifikation mit dem Körper scheint etwas gelüftet. Allerdings ist meine Assoziationsfähigkeit gestört, die Gedanken springen ziellos von Ort zu Ort, es gibt keine Kontinuität im Denkvorgang mehr, wobei der Verstand grundsätzlich noch zu funktionieren scheint.
Nach zirka sechs Stunden, wie ich später rekapituliere, flauen Übelkeit und Durchfall ab, die Zeremonie wird beendet und ich schlafe erschöpft ein. Am Morgen danach geht es mir erstaunlich schnell wieder gut, ich fühle mich fit und habe guten Appetit, schreibe die gewonnenen Erkenntnisse nieder, jedoch habe ich das klare Gefühl, diese Erfahrung nicht wiederholen zu wollen.
Die Nachbesprechung ist nochmals sehr interessant. Die anderen Teilnehmer haben zum Teil auch starke Erfahrungen gemacht. Diese reichen von positiven Visionen für unsere Kultur auf der Erde, der Einsicht, dass Hilfe und geistige Führung bei unseren scheinbar unlösbaren Herausforderungen vorhanden sind, und Kontakten mit heilenden Lichtwesen über düstere Bilder aus anderen Inkarnationen, die sich immer noch auf das heutige Leben der Teilnehmer auswirken und nun klärend wirken, bis hin zu Todesangst, Verlassen des Körpers und dem Wiedererleben von Erfahrungen von existenziellem Verlassen- und Betrogensein. Viele Berichte haben einen medizinischen Aspekt, es geht um energetische Reinigung und Heilung auf der relativen Ebene. Mir wird bewusst, dass die krebskranken Teilnehmer natürlich eine ganz andere Motivation haben, durch zum Teil extrem harte, mit psychischen Abgründen konfrontierende Prozesse zu gehen als an sich gesunde Menschen.

Das Ziel der Arbeit: Heilung für den Menschen

Ich frage Don Pedro, was das Ziel seiner Arbeit ist, wie Heilung und das Ziel der östlichen spirituellen Traditionen, also Erwachen oder Befreiung, zusammenpassen. Er sagt, er sei kein Mystiker, sondern selbst ein spirituell Suchender im christlichen Glauben, seine Arbeit finde auf der relativen, konkreten Ebene statt, wo die Verbindung mit den Pflanzen Heilung für den Menschen ermögliche. Er sieht die Verbindung mit dem Pflanzenbewusstsein als einen Weg der Heilung, Reinigung und Perfektionierung, der niemals ende. In seiner Ausdrucksweise ist er sehr konventionell und glaubensbehaftet, verwendet auffällig oft Konzepte von Schuld und Sünde im christlichen Sinne und geht auch mit sich selbst hart ins Gericht.
Mir kommen Zweifel, was meine eigene Motivation zu derartigen Erfahrungen anbelangt. Der Preis für die gewonnenen Einsichten, das körperliche Elendsgefühl, erscheint sehr hoch, und die Relevanz für mein praktisches Leben im Hier und Jetzt, für die Herausforderungen der normalen Realität, nicht besonders klar. So werte ich die gemachte Erfahrung für mich als interessant, mit dem Bewusstsein einmal in Bereiche vorgestoßen zu sein, die uns sonst nicht zugänglich sind, Lebensfragen einmal aus einer anderen Perspektive betrachten zu können, verspüre aber keinen Drang zur Wiederholung. Der Mythos, der um den amazonischen Schamanismus im Westen entstanden ist, erscheint mir jedenfalls übertrieben, aber letztlich muss wohl jeder seine eigenen Erfahrungen machen.

3 Responses

  1. Bina

    Hallo,
    wann ist don pedro das naechste mal in deutschland. Ich habe gehoert es waere im juli, kann aber keinen Termin finden.
    Danke fuer Antwort
    Bina

    Antworten
  2. Schönenbrücher

    Hallo, ich finde den Bericht sehr, sehr interessant. Ein Curandero scheint vielen Menschen helfen zu können.
    ich suche dringend einen Curandero, der meine Freundin Ute von ihrem Krebsleiden heilen kann. Möglichst in Deutschland aber auch in Südamerika möglich.
    Können Sie mir seriöse Angebote machen?
    Für Ihre Hilfe bin ich Ihnen zutiefst dankbar. Wir sind wirklich in einer verzweifelten aber hoffnungsvollen Situation, denn unser Glaube ist stark!!
    Vielen, vielen Dank
    Ihre Margret Schönenbrücher

    Antworten

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