Am Anfang ist die Beziehung zu einem Du vor allem ein Raum für die eigene Bedürfniserfüllung. Irgendwann stoßen wir damit allerdings an eine Grenze: Das Spiel funktioniert einfach nicht mehr. Mit der Zeit lernen wir dann, Beziehungen als Spiegel unserer eigenen psychischen Struktur zu betrachten und uns und unseren Mustern darüber auf die Schliche zu kommen. Ein Weg, der, wenn wir ihn konsequent verfolgen, irgendwann zur Erfahrung der Nicht-Getrenntheit und des einen SELBST führt.

von Ludmilla & Roland

Das Leben ist immer ein Spiegel unserer selbst. Oftmals wissen wir das jedoch gar nicht und denken deshalb nicht darüber nach. Unser Leben gestaltet sich dann meist ausschließlich als eine Projektion unserer inneren ungeklärten Geschichten, Annahmen, Glaubenssätze, Hoffnungen, Wünsche und Ziele.

Dieses Leben wird als äußerst real und sehr bedeutend wahrgenommen, als das Einzige, das wir haben, als das Einzige, das wahrlich existiert. Wir nehmen es überaus ernst und versuchen es unter unsere Kontrolle zu bringen. Und teilweise scheint das auch zu gelingen. In diesem Seinszustand erleben wir uns als individuelle, voneinander getrennte Personen, auf unseren Körper beschränkt und auch als getrennt von der Welt, von „Gott“ und unseren Lebenssituationen. Beziehungen zu anderen Menschen werden in diesem Sinne eher als zufällige Gegebenheit gelebt und interpretiert und oftmals auch als magische Fügung bezeichnet. Das Gegenüber bleibt – trotz aller Momente großer Verbundenheit – in dieser Art von Wahrnehmung etwas von uns selbst Getrenntes, obwohl doch viele Menschen, die den spirituellen Weg gehen, wissen und auch oft bereits die Erfahrung gemacht haben, dass unser natürlicher Zustand Ungetrenntheit und Unbegrenztheit ist.

Die Herkunft dieses Gefühls von Getrenntheit ist im Grunde ganz einfach zu erklären: Unsere inneren Unbewusstheiten und Abspaltungen (also meist Dinge, die wir nicht wollen) sind die Ursache für unsere Projektionen (die materielle Welt in jeder Form), und das erzeugt in uns das Gefühl von Getrenntheit, von Ich und Du, von mir und dem anderen. Und das wiederum ist die Voraussetzung, weiterhin unbewusst Dinge nach außen zu verlagern, die uns unbewusst und meist unangenehm sind. Das tun wir alles automatisch und ohne bewusste Absicht. Solange wir diesen Kreislauf nicht durchbrechen, werden wir unsere inneren, unbewussten Anteile immer wieder nach außen projizieren und damit unsere Lebenssituationen kreieren.

Projektionsbeziehungen

Auch unsere Beziehungspartner wählen wir für gewöhnlich so aus. Wir projizieren unsere inneren, unbewussten Wünsche, die meist an ungelöste, schmerzliche Themen aus der Vergangenheit geknüpft sind, auf den jeweiligen Menschen und „verlieben“ uns in der Hoffnung auf die Erfüllung dieser Wünsche und Sehnsüchte. Was wir in dem Moment nicht wissen, ist, dass diese Wünsche eine Verpackung um ein inneres Leid aus der Vergangenheit sind, die niemand anderes lösen kann als wir selbst. Auch das Gegenüber „verliebt“ sich auf diese Weise. Und oftmals haben zwei Menschen, die sich verlieben, ähnliche ungelöste Themen, sodass man sagen kann, dass nicht wir uns in einander verlieben, sondern eher unsere unbewussten Anteile. Und die werden uns meist nach einiger Zeit der Beziehung schmerzlich gezeigt.

Dann kriselt die Beziehung, wir geben natürlich meist dem anderen die Schuld und suchen uns den nächsten Partner. Solange wir nicht anhalten und den anderen Menschen als Spiegel unser selbst begreifen und uns fragen, welcher Anteil von uns da jetzt gezeigt wird, um ihn in unser Bewusstsein zu bringen, solange werden wir mit Sicherheit auf der Stelle treten und uns wiederholt dieselben Situationen erschaffen. In der Beziehung beginnt hier der spirituelle Weg, die spirituelle Beziehung. In dem Moment, in dem ich für wahr annehme, dass das Gegenüber sehr wohl mit mir selbst etwas zu tun hat – zunächst in dem Sinne, dass ich weiß, dass es etwas über mich aussagt, dass es etwas mir Unbewusstes zeigt – , in dem Moment durchbreche ich den Kreislauf, be ginne den Rückbezug auf mich selbst und stoße eine große transformierende Bewegung an.

Solange wir also die Welt und das Gegenüber nicht als einen Spiegel sehen und nicht auf uns schauen und statt dessen auf das Gegenüber schimpfen, solange werden wir unsere ungeliebten Seiten weiter nach außen verlagern und dort gespiegelt bekommen. Unwissentlich vermeiden wir auf diese Art und Weise, unsere schmerzlichen Gefühle zu fühlen, und verhindern deren Bewusstwerdung und unsere Weiterentwicklung. Denn mit jedem Bewusstwerden und Integrieren einer Unwissenheit wird ein Stück Getrenntheits-Empfinden verschwinden. Und ganz automatisch lassen dann unsere Projektionen im Außen nach, denn es verschwinden sowohl die abgespaltenen Anteile und die innere Notwendigkeit, sie nach außen zu verlagern, als auch generell die Empfindung eines Außen.

Beziehungen als Sprungbrett zum Erwachen

Die Entscheidung und Ausrichtung, solch eine spirituelle Beziehung zu führen, führt meist zu großen Änderungen im Leben. Und es gibt dabei einiges zu lernen. Wir müssen lernen, unsere Gefühle zu fühlen, müssen lernen, in uns hineinzuspüren – in jedem Moment. Wir müssen lernen, aufmerksam und achtsam zu sein. Es gilt, ganz ehrlich unsere Motivationen zu untersuchen, unsere empfundenen Wünsche und Sehnsüchte, deren Erfüllung wir uns zunächst von einem bestimmten Partner erhoffen. Unseren Verstand schulen wir auf diesem Weg in Unterscheidungsvermögen, denn wir müssen unterscheiden zwischen Anteilen, die mit uns zu tun haben, und Anteilen des Gegenübers, denn auch das Gegenüber ist es gewohnt, sowohl Wünsche und Sehnsüchte – also auch alle unliebsame Unwissenheit – nach außen zu projizieren und zu glauben, dass der andere Schuld an allem aufkommenden Übel hat.

Mit dieser Entscheidung für den Selbstrückbezug treten wir also eine große, sehr spannende Reise an, die uns ein detailliertes Unterscheidungsvermögen und viel Erfahrungswissen beschert. Es ist eine Schulung in Empathie und Aufmerksamkeit auf allen Ebenen unseres Seins, so dass wir uns ganzheitlich entwickeln. Unsere Projektionen zu erkennen ist dabei nicht immer leicht, da wir in der Regel eine Realitätsgewissheit bezüglich bestimmter alltäglicher Wahrnehmungen haben. Wir hinterfragen sie nicht, weil wir sie gar nicht bemerken, und deshalb auch nicht als „komisch“ empfinden. Doch all dies gehört zum spirituellen Weg der Selbsterforschung dazu, und je genauer und tiefer wir lernen, uns selbst zu beobachten, desto schneller entdecken wir auch unsere subtilen, unauffälligen, ständigen Projektionen.

Mit dieser neuen spirituellen Lebensweise, die das Leben als einen Spiegel nutzt, bereiten wir uns unmerklich auf unser Erwachen zu unserem wahren Selbst vor. Dem SELBST, das wir schon jetzt sind, das nur verschleiert ist von unseren Unwissenheiten und den daraus folgenden Anhaftungen. Wenn dieses Erwachen zum SELBST geschieht, gibt es allerdings keinen Weg zurück. Unsere Verdrängungsmechanismen funktionieren nicht mehr, Projektionen werden unmöglich und der Spiegel wird sehr klar, unbequem und radikal. Alles, was wir nach außen verlagern, fällt sofort auf uns selbst zurück. Es beginnt dann ein Prozess der Integration und des Aufräumens vor dem Hintergrund des in unserem Gewahrsein verankerten wahren Selbst. Alles, was wir bis dahin über uns selbst noch nicht wussten, kommt in unser Bewusstsein, wird angeschaut und integriert. Und zwar in der Weise, dass allmählich die Lücke zwischen Innen und Außen, zwischen Ich und Du, zwischen Mir und der Welt der Dinge völlig verschwindet. Ganz natürlich verschwindet so das Getrenntheitsgefühl.

Erwachte Beziehungen

In Beziehungen zwischen zwei erwachten Menschen heißt das zunächst, dass beide ganz natürlich Selbstrückbezug leben und sich gleichzeitig abzugrenzen wissen, wenn das Gegenüber unwissentlich einem Muster, einer Anhaftung usw. folgt. So fällt die Projektion gleichsam dorthin zurück, wo sie erzeugt wurde. Und dort kann sie dann auch als solche erkannt und aufgelöst werden. Vor dem Hintergrund des im Gewahrsein dauerhaft verankerten wahren Selbst bleibt nichts un – gesehen. Wenn ein erwachter Mensch eine Beziehung eingeht, beschleunigt das den Entwicklungsprozess der Selbsterforschung und des Inte grationsprozesses auf beiden Seiten enorm.

Und wenn es eine Beziehung zwischen zwei erwachten Menschen ist, dann gibt es kein Entkommen vor den Unwissenheiten mehr. Alle Muster, Prägungen und Gewohnheiten werden gegenseitig nicht mehr bedient, sodass eine unmittelbare Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema stattfindet. Das kann anfänglich sehr aufregend, dynamisch und auch anstrengend sein, und eine solche Beziehung ist sicherlich die größte Herausforderung und die größte Chance für die eigene Entwicklung. Deshalb holen wir sie uns erst dann in unser Leben, wenn wir bereit dafür sind. Denn große Klarheit und Unterscheidungsvermögen sind hier gefragt. Doch vor dem Hintergrund des permanenten Gewahrseins unseres wahren Selbst, das immer frei ist von Anhaftungen, fällt es viel leichter, Anteile zu erkennen, die in uns noch unfrei sind. Je weiter wir auf diesem Weg fortschreiten, desto mehr schließt sich die Lücke zwischen uns und dem Gegenüber. Der Spiegel löst sich auf und die Beziehung wird zu einer SELBST-Erfahrung. Das SELBST erfährt sich überall als ein und dasselbe.

Wenn wir vorher zunächst einmal nur wussten, dass der andere ein Spiegel und ein Ausdruck des EINEN ist – so wie wir auch –, dann kommen wir jetzt allmählich in die tatsächliche Erfahrung dessen hinein. Und so geschieht es auch mit der „Welt“: Stück für Stück erfahren wir die Welt als ein einziges Selbst. Beziehung wird zur SELBST-Beziehung.

Unser eigenes Leben

Wir, also Ludmilla und Roland als Autoren dieses Beitrages, haben uns erst nach dem Erwachen kennengelernt. Vor dem Erwachen wäre das gar nicht möglich gewesen, weil wir dafür einfach zu verschieden waren und in jeweils anderen Lebenszusammenhängen lebten. Das erwachte Sein hat uns zusammengeführt (übrigens über einen Artikel hier in der Zeitschrift SEIN über die „Dunkle Nacht der Seele“).

Zu Beginn der Beziehung hat es ordentlich gerumpelt. Die subtilen unbewussten Anteile, die bis dahin noch von niemandem gespiegelt werden konnten, wurden sichtbar und brachten uns zur Erfahrung eines noch umfassenderen Seins. Dinge, die bisher in unserem jeweiligen Leben aufgrund unserer Prägungen zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hatten, forderten ihren Platz ein. Jede erfahrene Polarität wurde zum Ausgleich gebracht. Das war teilweise sehr herausfordernd und dynamisch. STILLE, Selbstrückbezug und der gegenseitige Okay- Raum begleiteten diese Phasen beharrlich zur Verwirklichung bedingungsloser Liebe, die heute unser Leben, unser Handeln und unsere Lebenssituationen gestaltet. Wir leben in einer harmonischen Beziehung, einfach weil unser innerstes Selbst uns den für uns besten Weg immer aufzeigt.

Die alltäglichen Dinge des Lebens, die gemeinsame Arbeit und all die vielen Menschen, denen wir täglich begegnen, werden uns immer wieder wie durch ein kleines Wunder genau zum richtigen Zeitpunkt vorgestellt. Wir sehen dadurch immer sofort die nächste Aufgabe, die wir zu bewältigen haben, und so fließt unser Leben wie in einem stetigen Flow anstrengungslos dahin. Das höhere Ziel des Lebens, der Schöpfung und von allem, was uns umgibt, ist immer deutlich sichtbar und wir erleben uns durch das ständig vorhandene Gefühl der Einheit geborgen und gut versorgt. Unsere Liebe füreinander fließt wie ein großer Strom stark und sanft im Leben voran und trägt uns in allen unseren Entscheidungen und Herausforderungen. Unsere Arbeit macht Freude und geht uns leicht von der Hand, Ideen kommen aus dem Inneren, die Berufung, das Dharma wird geschaut und gelebt. Wir sind kerngesund und unser Energiehaushalt erfreut sich seines sinnlichen Ausdrucks. So ist unsere erwachte Beziehung wirklich ein Geschenk des Himmels.

Webinar: „Dein erwachtes Leben“ am 23.6.18
Erleuchtungskongress Berlin:
Thema „Erwachte Beziehungen“ am 8.+9.9.18

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