Hinter dem Erwachen wartet das Allervertrauteste. Die Skizze eines inneren Weges…

Von Frauke Banz

Oft höre ich Menschen davon reden, dass sie erwacht sind und ihre Suche beendet ist. Manchmal hört sich das an wie eine Errungenschaft, manchmal wie ein Glücksgeschenk. Aber immer drückt es eine gewisse Bedeutsamkeit und Absolutheit aus. So wie ein Ausrufezeichen am Ende eines Satzes. In meiner Erfahrung hat der spirituelle Weg viele innere Stufen. Sie führen immer tiefer in das Geheimnis des Lebens. Ich sehe kein Ende und weiß auch von keinem. Wie so ein Weg aussehen kann und dass er nicht unbedingt in Siebenmeilenstiefeln zurückgelegt wird, davon will ich hier ein wenig erzählen.

Vor vielen Jahren hatte ich das Glück, von den Lehrern gefunden zu werden, bei denen mein Herz zu Hause ist. Doch anfangs war ich eher leichtfüßig in diesen Dingen. Wie ein Schmetterling wollte ich auch von anderen Blüten kosten. Meine Neugier und mein forschender Geist haben mich viele Erfahrungen sammeln lassen. Ich wollte wissen, wie sich die Dinge anfühlen. Das war meine Art, einer Sache auf den Grund zu gehen. Ich ging darauf zu und probierte. Ich beobachtete und fragte nach, wurde stutzig und lauschte auf meine Instinkte. Manchmal fühlte ich mich treulos, ungeduldig und oberflächlich, manchmal aber blieb ich so lange, bis die Tatsachen auf dem Tisch lagen. Ganz am Anfang meiner Suche war ich vor allem neugierig auf mich selbst. Um mich zu finden, beschäftigte ich mich mit meiner Vergangenheit, alten Verletzungen, Blockaden und tiefgründigen psychologischen Analysen.

Mit Schattenarbeit, Atemtechniken, Astrologie und Heilmethoden. In manchem davon wurde ich sehr versiert. Dieses Vorgehen eröffnete mir eine Fülle von Möglichkeiten und Problemen, die wiederum tieferliegende Probleme beleuchteten. Ich begegnete neben den Geschenken und Aha-Erlebnissen auch vielen Untiefen und Ungereimtheiten in mir. Und so nach und nach hatte ich das Gefühl, mich ein bisschen zu kennen. Ich konnte klarer sehen, was mich von innen her antreibt. Ich war verblüfft, wie automatisch meine Reaktionen abliefen und dass darin keine große Lebendigkeit war. Eher eine unendliche Wiederholung. Doch kein Frieden war in Sicht. Und von Freiheit ganz zu schweigen.

Hinter jedem gelösten Problem tauchte ein neues auf. Ich hatte den Eindruck, dass ich einem Perpetuum mobile auf den Leim gegangen war, das sich selbst am Leben hielt.

Zwischen den Welten

Auf meinem inneren Weg war das vielleicht ein erstes Seufzen nach einer Phase des Tiefschlafes, das erste Registrieren: Ich träume. Und dann begann eine lange Phase der Unentschiedenheit. Eine Art Zustand zwischen den Welten, halb bewusst, halb schlafend. In dieser Zeit kannte ich meine spirituellen Lehrer schon. Doch als nach der Liebe auf den ersten Blick durch sie immer öfter ein Läuten in meinen Traum vordrang, welches drohte, mich aufzuwecken und mein Ego ins Wanken zu bringen, zog ich mir unwirsch die Decke über den Kopf und drehte mich nochmal um. Ich wollte noch ein bisschen weiter dämmern.

Das war eine Zeit, in der ich mir die damals neu entstehende Satsang- und Neo-Advaita-Szene näher anschaute. Mir gefielen die Versprechen des schnellen Weges und die logische Einfachheit der Worte. Es wurde viel gelacht, es gab keine Bemühungen und keinen Weg. Immer wieder fielen Sätze wie: „Da ist niemand“ und „Es ist bereits alles in Ordnung“. Das war eine echte Erleichterung. Doch mit der Zeit merkte ich, dass das nicht mit meiner Wirklichkeit übereinstimmt. Diese Sätze waren gesprochen aus einer Bewusstseinsebene, auf der ich mich offensichtlich und ganz praktisch gar nicht befand!

Zwar hatte ich zuweilen blitzartige Einsichten und Meditationserfahrungen, in denen ich begriff, dass ich jenseits meines Körpers immer noch bin. Auch erfasste ich manchmal wie durch einen Switch in einen anderen inneren Raum, dass der Verstand die reine Funktion des Denkens hat, aber nicht das Bewusstsein selbst ist und deshalb auch gar nichts „weiß“ oder lenkt.

Blinzeln im Prozess des Wachwerdens

Manchmal geriet ich auch ohne Grund in eine tiefe Stille. Es gab Augenblicke, in denen das Gerüst meiner Welt einfach verschwand. In denen ich MICH nicht mehr finden konnte. Doch das war kein Erwachen. Es war nur ein weiteres Blinzeln im Prozess des Wachwerdens. Eine Art Vorgeschmack. Und alle diese Erfahrungen waren Geschenke. So empfinde ich das. Ich konnte sie weder herbeiführen noch willentlich wiederholen. „Es geschieht alles von allein“ hat eine ganz andere Dimension. Es bedeutet überhaupt nicht, dass mein Handeln oder Nicht-Handeln jetzt der Status quo sind und dass in meinem Menschsein und Reifen nichts getan werden kann.

Das Erkennen, dass das Leben mich lebt, war nur ein erster Schritt. Ein erstes Aufgeben und Erinnern. Meine Lebenswirklichkeit war aber auch, dass mein Schmerz und vor allem meine Verhaftung damit immer noch da waren. Ich spürte meine Geschichte und reagierte aus ihr heraus. Wie gehabt. Ich stellte allerlei Schlussfolgerungen und Behauptungen darüber auf, was ich herausgefunden hatte und was das bedeutet. Aber nach und nach sah ich die Zeichen eines noch gewiefter gewordenen Egos, Zeichen von Ignoranz und Arroganz. Subtiler und mentaler als je zuvor.

Ich war beschämt und merkte, dass ein Großteil meines „Wissens“ ohne Leben war, wie ein hohler Raum. Ich hatte mir Zielfähnchen wie „Erwachen“ oder „Erleuchtung“ gesteckt und glaubte heimlich immer noch, dabei etwas für mich selbst erringen zu können. Es war ein übler Aufprall, als ich realisierte, dass „Ich“ dabei nicht übrig bleiben konnte, um den Sieg zu feiern. Ich war wie die meisten Menschen in dem Wahn, ein von Gott und allem getrenntes Wesen zu sein. Eine wirklich jämmerliche Erkenntnis. Als ich dann noch immer häufiger aus dem Mund der „neuen Erwachten“ hörte, dass Gott als Quelle allen Seins nicht existiere, sondern wir lediglich eine Art umherirrendes Menschengeschlecht ohne Ziel und Sinn seien, traf mich das endlich wie ein Schlag.

Denn ich wusste in meinem Innern ohne Zweifel, dass das nicht wahr ist! Anders kann ich diese Gewissheit nicht beschreiben. Also waren derartige Sätze das heilige Donnerwetter in meinem Innern, das ich brauchte, um zu erkennen, das ich im falschen Klassenraum saß! Das war wirklich der Gipfel der Entfremdung, der Illusion tiefster Punkt! Ich war erschüttert zu sehen, wie weit der Geist-Verstand gehen kann. Und niemals ist er in der Lage, über sich hinaus zu gehen. Oder gar Gott zu berühren.

Zurück zum Grundlegenden

Doch es war nicht alles verloren. Ich hatte nur ein mächtiges Gespenst gesehen. Nach zwanzig Jahren und vielen Umwegen konnte ich bemerken, dass, wann immer ich bei meinen ursprünglichen Lehrern Eva-Maria Tinschert und Frank Huber saß, Leben in mich zurückkehrte. Wärme. Einfachheit. Und tieferes Verstehen. Ihre absolut klare und liebevolle Präsenz fegte meine Annahmen und Gedankengebäude einfach weg. Eine Übertragung von Bewusstsein. Völlig jenseits von etwas mir Bekanntem. Und doch das Allervertrauteste. Eva-Maria lebte die Kraft der weiblichen Spiritualität ganz praktisch. Als Mutter von vier Kindern zeigte sie mir durch ihr lebendiges Beispiel, dass es möglich ist, einen spirituellen Weg zu gehen, trotz aller Hürden und Herausforderungen.

Dass der Weg keine Theorie ist, sondern Wirklichkeit. Als sie starb, war das ein Schock für mich und beendete mit einem Schlag meine spirituelle Pubertät. Da fing ich an, wirklich ernst zu machen. Mit den einfachsten Schritten. Ich wusste sonst nichts. Allein nur die Energien meines Körpers zu spüren, war und ist eine zähe und widerborstige Angelegenheit. Doch inzwischen wird alles ganz praktisch. Das Wachsein, die innere Beobachtung, die Gedankenbewegung, der Reaktionsmoment, das Auf- und Abtauchen von Ereignissen. Beim Essen. In der U-Bahn. Im Kino. Überall. Das fühlt sich gut an. Ich bin immer öfter mit dem Leben in Kontakt. Mit dem Leben in mir!

Alles ist Gnade

Ich weiß nicht, ob es jemandem nützt oder ob es jemand hören will: Es ist eine unglaubliche Offenbarung, zum Allereinfachsten zurückzukehren! Das Leben in sich zu spüren, das VOR jedem Gedanken ist. Nur das. Vielleicht irre ich mich, aber es scheint mir ein echter Anfang. Und manchmal, wenn ich gerade nichts werde oder will, öffnet sich in mir ein unendlicher Raum. Er war die ganze Zeit da. Von einer solchen Liebe, dass mir jedes Wort dafür fehlt. Dann weiß ich, dass alles ganz anders ist. Ganz anders! Meine Lehrerin erklärte die Praxis des inneren Weges einmal so: „Du bist wie die Braut, die sich schön macht für Gott. Du hältst deine Kleidung sauber, wäschst dein Haar und schmückst dich voller Freude für ihn. Dein Denken, Fühlen und Handeln ist ganz auf ihn gerichtet. Alles in dir will bereit sein für ihn. Du bist in freudiger Erwartung, dass er eines Tages kommt. Das ist ALLES, was du tun kannst. Nicht mehr und nicht weniger. Und das ist viel! Und eines Tages, du weißt nicht, wann, wird er kommen. Du kannst es nicht machen. Denn es ist Gnade.“

Ja! Ich kann nichts tun. Und doch kann ich alles tun, um still genug zu sein. Um bereit und offen und wach zu sein für das Leben, das jeden Augenblick zu mir kommt. Und ich kann immer wieder einen Schritt aus meinen Vorstellungen heraustreten. Zur Seite gehen. Immer wieder ein Stück über meine Grenzen hinaus. Stufe für Stufe. Der Unterschied zwischen Traum und Leben ist, den Weg wirklich zu gehen. Nicht im Kopf. Nicht schlau oder mit dem Zielfähnchen in der Hand. Sondern mit all meinen Sinnen. Mit meinem ganzen Wesen. Mit Ehrlichkeit. Mit all meiner Demut. Mit meiner Einfachheit. Immer jetzt. Immer hier. Ich danke meinen Lehrern für ihre unendliche Geduld und Begleitung, hin zu dem.

Was ich heute hier sagen will, ist: Wenn du gestolpert bist, steh auf. Verzage nicht. Hast du etwas herausgefunden, geh weiter. Mit allem, was du hast! Der Weg hat kein Ende. Bleibe offen. Vertraue. Und vergiss Gott nicht. Er ist Wirklichkeit.

Der Weg zum Erwachen

Die „Grundübung“ für „das erste Erwachen“ ist die Etablierung einer permanenten Bewusstheit aller Gedanken, Emotionen und inneren Bewegungen … dadurch entsteht ein „magnetisches Zentrum“ im Inneren, das Basis ist für alle weitere Entfaltung im Bewusstsein … Erst wenn die Unterscheidung zwischen dem wirklichen Bewusstsein und der Ego-Person völlig klar ist, kann man vom „ersten Erwachen“ sprechen. Damit beginnt der eigentliche Pfad der göttlichen Umwandlung – alle anderen Aktivitäten, die die Ego-Person vollzieht, um „sich“ zu ändern, befinden sich innerhalb des Egos und bewirken keine „wahre Veränderung“, sondern nur ein Verrücken der Möbel innerhalb desselben Zimmers. Frank Huber

Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*